Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

20.11.2022, 07:30 Uhr

Was ist das für eine Zeit: Apotheken-Trauertag, schmerzender Mückenschiss, das E-Rezept im Datenschutz-Loch und Selbstständige arbeiten bald zum Angestellten-Tarif. (Foto: Alex Schelbert)

Was ist das für eine Zeit: Apotheken-Trauertag, schmerzender Mückenschiss, das E-Rezept im Datenschutz-Loch und Selbstständige arbeiten bald zum Angestellten-Tarif. (Foto: Alex Schelbert)


Während eine Apothekerin in Sachsen-Anhalt den Apotheken-Trauertag begeht und auf ihrem Apotheken-Friedhof der Apotheken gedenkt, die schließen mussten, will sich so mancher bayerische Kollege nicht in den Negativ-Strudel reißen lassen: Er will Spaß haben an seiner Apothekenarbeit. Und ein anderer meint sogar, „wir leben in einer geilen Zeit“. Die Stimmung an der Basis dürfte dennoch eine andere sein, hier schmerzt Lauterbachs Mückenschiss an der Wand. Und während uns Gesundheitspolitiker immer mehr Aufgaben anbieten wollen, aber nicht mehr Honorar, darf sich Lauterbach über seine Gesundheitskioske im Edelholz-Look freuen. Aber es gibt auch noch gute Nachrichten: Der Kampf gegen die Bürokratie beginnt und Pharmazie- und Medizinstudierende wollen das Miteinander.

14. November 2022

Es gibt sie noch, die gute Nachricht. Zum Beispiel die: Die Verbände der Studierenden der Medizin und der Pharmazie haben sich in einer gemeinsamen Resolution ausdrücklich für eine interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen ausgesprochen. Miteinander statt gegeneinander. Mein liebes Tagebuch, das lässt hoffen! Es ist die Hoffnung, dass unsere nachfolgenden Generationen an Ärztinnen/Ärzten und Apothekerinnen/Apothekern besser miteinander können als es heute zum Teil leider immer noch der Fall ist. Sicher, es gibt sie, die löblichen Ausnahmen, in denen sich die beiden Heilberufe gegenseitig wertschätzen, sich austauschen und ständig im Kontakt stehen in Fragen der Arzneimitteltherapiesicherheit. Aber es gibt leider immer noch viele Fälle, in denen Arzt und Apotheker nicht miteinander reden, sondern nur übereinander. Die aktuelle Resolution des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) und der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) ist ein Anfang, der zu einem besseren Miteinander im späteren Beruf hinführen kann – letztlich zum Wohl der Patientinnen und Patienten. Vor dem Hintergrund, dass in Zukunft Medikationspläne und Medikationsanalysen eine immer größere Rolle spielen, die Arzneitherapien komplexer werden, ist es umso wichtiger, dass die Studierenden in Pharmazie und Medizin sich schon in der Ausbildung auf das spätere Miteinander einstellen. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass es nicht bei der Absichtserklärung bleibt, sondern entsprechende Ausbildungsinhalte in die Studiengänge einfließen. In der Resolution heißt es dazu: Es gelte nun, die zeitlichen und räumlichen oder digitalen Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Berufsgruppen zu schaffen. Mein liebes Tagebuch, wir freuen uns darauf!

 

Ja, es war ein Thema auf dem Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern: das Apothekenhonorar. Kammerpräsident Dr. Dr. Georg Engel machte klar, dass die Apotheken für ihre Arbeit eine angemessene Finanzierung bräuchten und eine Rendite, aber ihr Honorar sei weit hinter der wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeblieben. Er verlangte ein „Gegensteuern“ – fragt sich nur wie. Die Politik gab sich bedeckt. Christine Klingohr (SPD) redete von mehr Aufgaben für Apotheken, aber nicht von mehr Geld. Harry Glawe (CDU) kann sich auch neue Aufgaben für Apotheken vorstellen und die Apotheken bräuchten einen finanziellen Zuwachs, aber auch er sagte nicht, wie das gehen könnte. Torsten Koplin (Linke) sieht ein Rumoren bei den Apotheken wegen  zunehmender Bürokratie und Honorarkürzung – brachte aber auch keine Vorschläge zur Beseitigung dieser Missstände. Harald Terpe (Grüne) sieht zwar, dass das Apothekenhonorar nicht der allgemeinen Entwicklung gefolgt sei und daher müsse darüber nun gesprochen werden. Er kam sogar mit dem Vorschlag um die Ecke, er könne sich eine Sicherstellungszulage für Apotheken in unterversorgten Gebieten vorstellen. Nun ja, mein liebes Tagebuch, vielleicht ein Ansatz für bestimmte Regionen, aber keine Lösung für eine notwendige Honoraranhebung. Thomas de Jesus Fernandez (AfD) zählte auch viele Herausforderungen für Apotheken auf, hatte aber keine Antworten außer dem Hinweis, dass die AfD den Antrag gestellt habe, das Botendiensthonorar auf 7,50 Euro zu erhöhen – frei nach dem Motto, fordern kann man alles. Und Barbara Becker-Hornickel (FDP) glänzte noch mit der Aussage, die inhabergeführten Apotheken seien ein „wunderbares Beispiel“ für ein funktionierendes Versorgungssystem mit selbstständigen Unternehmern. Nett, oder? Mein liebes Tagebuch, da fragt man sich doch, wie sie das gemeint haben könnte? Vielleicht so: Die Apothekers als Paradebeispiel der Selbstausbeuter? Und sie legte noch eins drauf: Zur Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, ob eine mögliche Deckelung des prozentualen Zuschlags mit einer Honorierung der Apotheken vereinbar sei, die sich an der Kostenentwicklung orientieren solle, sagte die FDP-Poitikerin: Die Auswirkungen einer Deckelung des Honorars sei wohl, dass Hochpreiser dann nicht mehr vorgehalten würden. Na, mein liebes Tagebuch, wie verträgt sich das mit ihrem „funktionierenden Versorgungssystem“? Versteht die FDP die Apotheken noch?


15. November 2022

Das lässt er sich nicht nehmen, der Bundesdatenschützer Ulrich Kelber: So, wie das Konzept der Gematik zur E-Rezept-Einlösung mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) konzipiert ist, ist es nicht sicher. Punkt. An seinem Veto hält er fest – und das wohl zu Recht, mein liebes Tagebuch. Die Nutzung der eGK ohne jeden weiteren Schutz wäre über kurz oder lang ein Desaster. Nicht einmal eine PIN war vorgesehen – so geht’ s wirklich nicht, mein liebes Tagebuch. Nicht auszudenken, wenn professionelle Hacker die eGK knacken und aufs E-Rezept zugreifen könnten. Also, da ist schleunigst Nachbesserung angesagt. Kelber will auch keine  Zwischenlösung dulden, es kommt für ihn nicht infrage, ein unsicheres System erst mal ein paar Monate zu nutzen – er vergleicht es mit einem Fahrrad ohne Bremse, das man ja auch nicht fahren würde. Also, da muss die Gematik nachbessern – schade nur, dass sie das alles nicht schon ein paar Monate früher angegangen ist.

 

Die „schlechte Phase“ (erhöhter Kassenabschlag, keine Honoraranpassung, Inflation, steigende Energiekosten), in der sich Apotheken derzeit befinden, war für Baden-Württembergs Kammerpräsident Dr. Martin Braun Anlass, auch auf der Vertreterversammlung deutlich zu machen: Es muss etwas geschehen. Und so hätten sich Kammer und Verband entschieden, die Besuche auf den Landesparteitagen wieder aufzunehmen, um mit der Politik persönlich ins Gespräch zu kommen. Eine gute Nachricht, eine richtige Entscheidung! Mein liebes Tagebuch, es zeigt sich immer wieder, dass Politikerinnen und Politikern oft gar nicht bewusst ist, wie stark auch Apotheken von den gestiegenen Energiekosten betroffen sind. Wie sagte Braun so schön: Das seien normale Menschen, Patienten und Verbraucher, die zuhören, aber „manche haben den Bezug zur Apotheke nicht ganz präsent, da können wir nachhelfen“. Richtig, mein liebes Tagebuch, genau das ist es, was viel häufiger und intensiver geschehen muss: Man muss der Politik und der Öffentlichkeit immer und immer wieder bewusst machen, dass Apotheken eben nicht die reichen Buden sind, sondern unverzichtbare Unternehmen der Gesundheitsversorgung, die unter Inflation, steigenden Energiepreisen und fehlender Honoraranpassung extrem leiden. Daher: Präsenz auf Parteitagen, Lobbyarbeit in bestem Sinne ist Pflicht!

 

Die Gesundheitskioske – Lauterbachs Steckenpferd – halten nun auch in Thüringen Einzug. Der erste Thüringer Gesundheitskiosk hat vor wenigen Tagen in der Gemeinde Urleben im Unstrut-Hainich-Kreis geöffnet. In einer kleinen gestylten Holzbaracke mit viel Holz-Look in sibirischer Lärche („nordischer Charme mit Wohlfühleffekt“, wie es Christopher Kaufmann, ein Mitarbeiter des Vereins „Landengel“ bei der Eröffnung sagte), sollen sich nun die Dorfbewohner zu Gesundheitsfragen beraten lassen können. Drei weitere solcher Kioske sind in diesem Kreis geplant. Betreut wird der Kiosk von sogenannten Gemeindeschwestern: Es sind Beraterinnen und Berater, die eine Ausbildung in Sozialpädagogik, Gesundheitspädagogik, im medizinischen Bereich oder in einem Pflegeberuf haben. Sie sollen auch Videosprechstunden beim Arzt organisieren und begleiten. Der Kiosk in Urleben ist zunächst einige Stunden pro Woche geöffnet, später soll er acht Stunden täglich besetzt sein. Laut Kaufmann sei auch die Kooperation mit Apotheken geplant. Er könne sich vorstellen, PTA und Ärzte per Video in den Gesundheitskiosk zuzuschalten, um über Arzneimittel zu informieren. Mein liebes Tagebuch, wenn man das alles so liest und hört, macht sich unweigerlich eine gewisse Skepsis breit, ob das alles wirklich so sinnvoll ist, was sich Lauterbach mit seinen Kiosken da ausgedacht hat. Gibt es dafür wirklich Bedarf? Warum soll eine Bürgerin, ein Bürger einen Kiosk aufsuchen, um sich über Arzneimittel beraten zu lassen, wo doch die nächste Apotheke nicht weit entfernt ist oder ein Anruf, Videoanruf oder Chat auch von zuhause aus möglich ist. So ist es für Apotheker Eckard Gast aus dieser Region nicht ersichtlich, wie er sich hier einbringen könnte, zumal die Apotheke bereits Arzneimittelchecks in der Apotheke anbietet. Wie sagte doch vor Kurzem die ABDA-Präsidentin: Das Konzept der Gesundheitskioske sei „eine überflüssige Parallelstruktur“, in der Geld verbrannt werde. Und wir fügen hinzu: Was ficht den Bundesgesundheitsminister an, den kranken Kassen die Mitfinanzierung der Kioske aufzubrummen und uns Apothekers das Honorar zu kürzen?


16. November 2022

Das E-Rezept strauchelt von einem Problem zum nächsten. Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, macht erneut auf ein Datenschutzproblem beim E-Rezept aufmerksam: Laut Vereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und dem deutschen Apothekerverband werden nämlich bei der Übermittlung von E-Rezepten an die Kassen anlasslos immer die Chargennummern der abgegebenen Arzneimittel übermittelt, was wohl im Widerspruch zum Datenschutz steht. Mein liebes Tagebuch, das muss man sich mal vorstellen: Obwohl eigentlich keine Verpflichtung für die Apotheke besteht, den Krankenkassen frei Haus Chargennummern zu liefern, flutschen die immer mit – das sei, so Graue, auch vor dem Hintergrund einer gebotenen Datensparsamkeit nicht verhältnismäßig. Außerdem könnte die Verknüpfung mit anderen Daten zusätzliche Auswertungsmöglichkeiten bieten, die Angabe in Verbindung mit personenbezogenen Daten sei hochsensibel. Graue: „Der gläserne Patient lässt winken.“ Die anlasslose Übermittlung sei daher datenschutzrechtlich nicht zulässig. Auch vor diesem Hintergrund sieht Graue die Einstellung der Pilotprojekte für das E-Rezept in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe als folgerichtig an. Mein liebes Tagebuch, gut dass Graue auf dieses Thema aufmerksam macht. Er stützt sich dabei auf ein Gutachten des Apothekenrechtlers Prof. Dr. Hilko Meyer, der sogar empfiehlt, die Chargennummern strikt von der Übermittlung des Abgabedatensatzes zu trennen. Man könne ja, so Meyer, die Chargennummern getrennt erfassen und krankenkassenbezogen im Warenwirtschaftssystem der Apotheke speichern. Die Apotheke könnte dann bei einem Rückruf die krankenkassenbezogenen Daten liefern. Graue hat außerdem bereits bei den Landesdatenschützern angefragt. Sollten die ebenfalls der Meinung sein, dass hier ein datenschutzrechtliches Problem vorliegt, dann muss dieser Missstand abgestellt werden – bevor das E-Rezept in die Fläche geht. Wir sind gespannt, welche Ecken und Kanten da noch zum Vorschein kommen.                                            

 

Noch eine gute Nachricht: Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK) hat der überbordenden Bürokratie den Kampf angesagt. Sie ruft ihre Mitglieder dazu auf, „Bürokratie-Monster“ zu benennen. Da werden sich einige solcher Monster finden lassen. Und auch wenn die Kammer nicht dafür zuständig ist, gegen so manche bürokratischen Vorgaben durch Bundesrecht oder durch Vorschriften im Rahmen der Selbstverwaltung vorzugehen, so will sie sich doch beim Bürokratieabbau engagieren. Kammergeschäftsführer Karsten Diers versprach, die LAK werde die bürokratischen und abstrusen Überregulierungen auf Bundes- und Landesebene einbringen. Mein liebes Tagebuch, auch wenn bis zum Bürokratie-Abbau viele Schritte notwendig werden – es wäre ein erster Schritt.

Auch die beiden Brüder Simon und Gerrit Nattler, die neben ihren sechs Elisana-Apotheken in Gelsenkirchen und Dorsten seit 2011 einen Onlineshop betreiben, sind es leid, sich mit bürokratischen Überregulierungen herumzuschlagen. In einem Interview mit dem Aktuellen Wirtschaftsdienst für Apotheken (AWA) fordern sie, die „abstruse bürokratische Überregulierung“ zurückzufahren. Auf Dauer führe kein Weg daran vorbei, die Verwaltungsprozesse zu vereinfachen und zu digitalisieren. Beispielhaft verweisen sie auf die Präqualifizierung. Mein liebes Tagebuch, da muss sich wirklich etwas tun, die Branche muss sich „jetzt lautstark bemerkbar machen“, sagen die beiden Brüder. Gerrit Nattler hält es für „essenziell, einen branchenfremden Vollprofi zu engagieren, der die Interessen der Apotheken konsequent in Berlin durchsetzt.“ Vollkommen richtig, mein liebes Tagebuch, da muss mehr Druck ins System. Nichts gegen unsere Ehrenamtlichen in Berlin und in den Ländern, aber die Politik versteht die sanfte Kuschelsprache von uns Apothekers nicht mehr – in der Politik sind andere Kaliber gefragt.


17. November 2022

Auf der Vertreterversammlung der Apothekerkammer Nordrhein schaute Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, in seinem Vortrag zur Branchensituation „unter die Corona-Decke“. Und siehe da, mein liebes Tagebuch, da zeigt sich vieles ganz anders als rosig, vor allem, wenn man die pandemiebedingten Sondereffekte abzieht. Das Steuerbüro sah im ersten Halbjahr 2022 nur noch 56 Prozent der Betriebe mit einem Umsatzplus im Gegensatz zum ersten Halbjahr 2021, wo noch 83 Prozent der Betriebe ein Umsatzplus verzeichneten. In einer durchschnittlichen Apotheke registrierte die Treuhand einen sinkenden Umsatz mit OTC-Präparaten, einen sinkenden Rohertrag und ein geringeres Betriebsergebnis vor Steuern. Nur der Umsatz mit Arzneimitteln zulasten der GKV sei leicht gestiegen. Dieners Kommentar dazu: „Hochpreisige Arzneimittel sind inzwischen zum Normalfall geworden.“ Mein liebes Tagebuch,  darüber kann sich eine Apotheke wohl nicht wirklich freuen, zumal die Hochpreiser die umsatzvariablen Kosten erhöhen. Kann die Apotheke auf steigende Kosten reagieren? Nur bedingt, z. B. Preiserhöhungen im OTC-Segment, aber hier steht die Apotheke mit dem Versandhandel im Wettbewerb, bei dem im OTC-Segment eine Preisdifferenz von durchschnittlich  20 Prozent auszumachen ist. Und der OTC-Marktanteil der Versender ist inzwischen auf 20 Prozent angewachsen. Mein liebes Tagebuch, klingt nicht wirklich beruhigend. Dann ist da noch das von Lauterbach initiierte Finanzstabilisierungsgesetz mit dem auf zwei Euro erhöhten Kassenabschlag, das Diener einen „Akt der Verzweiflung“ nannte. Die Apotheken würden dadurch enorm belastet. Und zu allem kommen noch höhere Kosten, schlechtere Einkaufskonditionen, Personalknappheit und die Schließung von Arztpraxen – kein Wunder, wenn sich in den Apothekenteams Frust und Überforderung ausbreiten. Gibt es denn Lichtblicke? Kaum. So sieht Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann in den honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen zwar die „Chance, ein umfassendes neues Honorierungsmodell auf- und auszubauen“, aber da bleibt er realistisch: „Dienstleistungen sind noch kein Erfolgsmodell“. Wie wahr, mein liebes Tagebuch.

 

Die pharmazeutischen Dienstleistungen waren auch auf der Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Niedersachsen ein Thema. „Hier haben wir die Politik klar hinter uns“, ist sich Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs sicher. Kann man sich da wirklich sicher sein, mein liebes Tagebuch? Spätestens wenn wir in einigen Monaten (oder Jahren?) zähneknirschend und frustriert merken, dass der Honorartopf immer schneller leer wird und wir immer weniger für unsere Dienstleistungen bekommen, werden wir wissen, ob die Politik „klar hinter uns“ steht und sich um eine Aufstockung des Dienstleistungshonorars bemüht. Aber, noch ist es nicht so weit. Noch freuen wir uns über den Meilenstein in der Weiterentwicklung unseres Berufs, dass wir Apothekerinnen und Apotheker selbst eine Vergütung auslösen können. Auch der Vorsitzende des Landesapothekerverbands Niedersachsen, Berend Groeneveld, appellierte an alle, „die Dienstleistungen auf Gedeih und Verderb umzusetzen“. Wenn wir den Honorartopf, in dem etwa 150 Mio. Euro liegen, nicht ausschöpfen, ist sich Groeneveld sicher, „werden wir in den kommenden zehn Jahren keine Chance mehr bekommen, an die Politik heranzutreten und mehr Geld zu fordern“. Mein liebes Tagebuch, das mag ja sein, allerdings wird es sich nicht jede Apotheke leisten können, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten, z. B. wegen fehlenden Personals. Oder weil sich die Leistung nicht wirklich rechnet, auch wenn die Kammerpräsidentin meint, bei den Dienstleistungen nicht den allzu spitzen Bleistift anzusetzen. Mein liebes Tagebuch, aber ständig draufzuzahlen muss man sich leisten können.

 

Rezepturverweigerer – ein Thema auf der Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer. Das Problem sind Apotheken, die keine Lust auf die Anfertigung von Rezepturen haben und Patientinnen und Patienten mit einer Rezeptur auf dem Rezept in andere Apotheken schicken, oft unter Angabe vorgeschützter Gründe wie „das müssen wir erst besorgen, dauert aber sehr lange“ oder ähnliche. Bayerische Delegierte machten deutlich, dass das Bild nach außen eine Katastrophe sei. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig: eine Katastrophe. Wer sich um die Anfertigung von Rezepturen drückt, hat seinen Beruf verfehlt. Ob man Rezepturverweigerer allerdings aufspüren kann, etwa durch Telefonanrufe, durch Testkäufe? Schwierig. Kammergeschäftsführer Schmitt meinte, man kenne seine Pappenheimer. Wie groß wohl die Zahl der Rezepturverweigerer bundesweit ist? Zahlen dazu gibt es wohl nicht.

 

Es war die etwas andere Art von „Tag der Apotheke“, den die Corvinus-Apotheke in Colbitz, Sachsen-Anhalt, mit großem medialen Echo begangen hat: Es war ein Apotheken-Trauertag. Apothekerin Anne-Kathrin Haus gedachte mit dieser Aktion der Apotheken und stellte im Vorgarten der Apotheke kleine Grabsteine auf mit den Namen der Apotheken, die schließen mussten – ein Apotheken-Friedhof als Symbol für alle Apotheken, die bundesweit von uns gegangen sind. Apothekerin Haus legte weiße Rosen dazu und hielt eine Trauerrede. Mit ihrer Aktion wollte sie die Bevölkerung aufmerksam machen, in welcher Situation sich die öffentlichen Apotheken mittlerweile befinden. Der Trauerzeremonie wohnten der Bürgermeister und der Verbandsbürgermeister des Ortes bei, ein Kollege, der seine Apotheke in diesem Jahr schließen musste, und Kammerpräsident Jens-Andreas Münch. Anwesend waren auch die Lokalpresse, dpa, ARD brisant, ein Lokalradio und ein Team des MDR. Mein liebes Tagebuch, ein großer Bahnhof für eine Beerdigung und einen Trauertag – und eine medienwirksame Aktion. Apothekerin Haus ist zufrieden: Sie hat zu ihrer Aktion von allen Seiten, auch von ihren Apothekenkunden, nur positives Feedback bekommen. Mein liebes Tagebuch, der Apotheken-Trauertag wird in die Apotheken-Geschichte eingehen.


18. November 2022

Der Apotheken-Trauertag trifft auch das Befinden der Basis, wie die Diskussionen auf der Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer zeigten: Die Stimmung ist so schlecht wie noch nie. Wen wundert’s! Da kommt ja auch viel zusammen. Besonders schmerzt der erhöhte Kassenabschlag, den Lauterbach den Apotheken mit seinem Spargesetz zumutet. Kammerpräsident Thomas Benkert brachte es auf den Punkt: „Vor dem Hintergrund des Milliardendefizits der GKV sind die bei den Apotheken zu erzielenden Einsparungen ein Mückenschiss an der Wand. Einigen Kollegen tut das aber richtig weh.“ Mein liebes Tagebuch, ein Mückenschiss, der richtig schmerzt! Allerdings sehen dieses Szenario wohl nicht alle so. Der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands Hans-Peter Hubmann, will sich nicht in den Negativstrudel herabziehen lassen. Ihm habe die Arbeit in der Apotheke noch nie so viel Spaß gemacht wie in den vergangenen zwei Jahren, posaunte er euphorisch, „wir müssen uns auf das Positive konzentrieren“. Schön, wenn man das kann und wenn man es sich leisten kann, mein liebes Tagebuch. Und ein anderer bayerischer Delegierte meinte sogar: „Wir leben in einer geilen Zeit“, das sollte seiner Meinung nach der Grundtenor sein. Mein liebes Tagebuch, sind bei einigen bayerischen Apothekers gerade rosa Brillen „in“?

 

Vielleicht hätten die bayerischen Delegierten vor ihrer Versammlung mal die Berechnungen des DAZ-Wirtschaftsexperten Dr. Müller-Bohn lesen sollen: Seine Schätzungen zeigen, dass das Betriebsergebnis einer Durchschnittsapotheke für 2023 bei einer ungünstigen Entwicklung auf die Größenordnung eines Apothekergehalts plus Gehaltsnebenkosten sinken kann. Müller-Bohn bezieht in seine Berechnungen den erhöhten Kassenabschlag mit ein, außerdem die Tarifabschlüsse, die Inflationsprognosen des Sachverständigenrats, die Kostensteigerungen. Mein liebes Tagebuch, wenn am Ende des Tages der Apothekeninhaber dann nur noch mit dem Gehalt eines Angestellten rechnen kann und der Unternehmerlohn fehlt – wie viel Spaß macht dann noch die Selbstständigkeit, wie geil ist das dann?


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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8 Kommentare

Begriff "Mückenschiss" fehl am Platz

von Dr. Radman am 20.11.2022 um 12:27 Uhr

Die Politik wird den Begriff „Mückenschiss“ so verstehen:

Wegen „Mückenschiss“ macht die Apothekerschaft so eine Welle? Wo kämen wir hin, wenn wegen Mückenschiss ständig so einen Drama veranstaltet wird. Wir müssen auf jeden Fall bei der nächsten Strukturreform nachlegen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: "Mückenschiss" repräsentiert unsere Position

von Andreas P. Schenkel am 20.11.2022 um 13:48 Uhr

Für einen Elefanten (GKV, Bundesgesundheitsministerium) ist ein Mückenschiss beinahe nicht wahrnehmbar. Für eine Mücke (Apothekerschaft) ist der Haufen dagegen von relevanter Größe. Der Größenvergleich zeigt nicht nur, wie äußerst wenige finanzielle Mittel für unser (fast noch) flächendeckendes, niederschwelliges, preisgünstiges und wertvolles Gesundheits-Angebot aufgewendet werden müssen.

Das "Mückenschiss"-Narrativ repräsentiert leider auch die Ohnmacht der Standesvertretung, da wir als Mücken von der Gesundheitspolitik und der GKV leider sehr leicht an die Wand geklatscht werden können.

.

von Anita Peter am 20.11.2022 um 10:00 Uhr

"Geile Zeit" "von Reserven leben"

Was nehmen die Herren? Kann ich davon auch was haben?

Wieder mal ein tolles Signal an die Politik. Ich kann mich nur wiederholen, mit solchen absoluten Vollpfeiffen an der Spitze kann es nur bergab gehen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Rezepturverweigerer

von Thomas Kerlag am 20.11.2022 um 9:30 Uhr

Rezepturverweigerer haben ihren Beruf nicht verfehlt. Sie sind das, was ein Apotheker sein sollte-Selbstbewußt.
Ich kann mit meinem Auto auch nicht zur Werkstatt gehen und sagen das Vehikel hat für 5 Euro in einer Stunde fertig zu sein. Uns was da so von
streng genommen Leien aufgrund von machtbedingter Therapiefreiheit für ein Mist verordnet wird schreit nach Ablehnung. In diesem Fall schon der Anfang von "Dienst nach Vorschrift " ohne absurde Vorschriften zu erfüllen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Geile Zeiten ?

von Ulrich Ströh am 20.11.2022 um 9:02 Uhr

Es fragt sich , wie bayerische Verbands-Delegierte ticken :

Dem Vorsitzenden des bayerischen Apothekerverbandes hat die Arbeit in der Apotheke noch nie so viel Spaß gemacht wie jetzt, der nächste Kollege meint , aktuell in einer geilen Zeit zu leben…..
Und die beiden repräsentieren nicht die Kammer, sondern einen -Verband-, der die wirtschaftlichen Interessen der Apotheken vertreten soll.

Mit so einem rhetorischen Kuschelkurs bestätigen wir die Politik in ihrem Handeln

Richtig, Herr Ditzel , draufzahlen muss man sich leisten können…

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Spass

von Conny am 20.11.2022 um 8:45 Uhr

Alle Misepeter/innen sollten einmal eine Woche bei Herrn Hubmann in seiner Apotheke ein Praktikum machen. Dann sieht die Welt gleich anders aus.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Apotheke lohnt sich nicht mehr

von Linda F. am 20.11.2022 um 8:24 Uhr

Unter den vorherrschenden gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen lohnt es sich für mehr als die Hälfte der Inhaberinnen und Inhaber nicht mehr, ihre Apotheke weiter zu betreiben. Es macht schlichtweg keinen Sinn, für das Gehalt eines angestellten Apothekers (oder in vielen Fällen sogar noch weniger) den Stress und die Verantwortung, die mit der Selbstständigkeit einhergehen auf sich zu nehmen und vor allem die enormen finanziellen Risiken durch die persönliche Haftung einzugehen. Folglich werden in den nächsten Jahren kaum Apotheken eröffnen und etliche für immer schließen müssen, wenn das Apothekenhonorar nicht bald drastisch erhöht und damit der starken Kosteninflation in den Apotheken Rechnung getragen wird!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Apotheke lohnt sich nicht mehr

von Karl Friedrich Müller am 20.11.2022 um 8:33 Uhr

Ja, aber der Spaß!
LOL
Den Rest Spaß treiben uns Bürokratie, Kammern, Verband und ignorante Standesvertretung aus.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.