Feste Oralia statt Saft

Kinderleichte Tabletteneinnahme?

Schöllkrippen - 15.12.2022, 07:00 Uhr

Weil es keine Fiebersäfte gibt, sollen ältere Kinder Tabletten schlucken. Für viele Eltern wird das eine schwierige Aufgabe. (s / Foto: vandame/AdobeStock)

Weil es keine Fiebersäfte gibt, sollen ältere Kinder Tabletten schlucken. Für viele Eltern wird das eine schwierige Aufgabe. (s / Foto: vandame/AdobeStock)


Tabletten statt Saft oder Zäpfchen – das empfiehlt aufgrund der anhaltenden Engpässe bei kindgerechten Darreichungsformen nicht nur das BfArM. Auch die Aufsichtsbehörden in England und Frankreich schlagen es beispielsweise für Amoxicillin vor. Ob das beim jeweiligen Kind klappt oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Immerhin gibt es ein paar Tricks (ohne Gelinggarantie), die man ausprobieren kann, um den kleinen Patient:innen die Einnahme irgendwie schmackhaft zu machen.

„Wenn Sie keine Säfte und Zäpfchen haben, dann sollen Sie doch Tabletten nehmen“ – frei nach dem fälschlicherweise Marie Antoinette in den Mund gelegten Zitat sollen laut Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund der anhaltenden Lieferengpässe bei Fiebersäften Kinder auf die noch verfügbaren festen oralen Darreichungsformen umgestellt werden. Ähnliche Empfehlungen wurden in jüngster Vergangenheit bereits in Großbritannien und Frankreich für das ebenfalls von Lieferengpässen betroffene Antibiotikum Amoxicillin veröffentlicht. Aber ist die Gabe von Tabletten im Kindesalter überhaupt so problemlos möglich?

Leichter gesagt als getan

Nach der dringenden Empfehlung des Beirats für Liefer- und Versorgungsengpässe sollen unter Berücksichtigung des Alters sowie der Verfügbarkeit der Darreichungsform Tabletten abgeben werden. Paracetamol-haltige Tabletten sind für Kinder ab vier Jahren, Ibuprofen-haltige Tabletten für Kinder ab sechs Jahren möglich. Hier wird auf der Webseite des BfArM auf die jeweiligen Fachinformationen der Hersteller verwiesen. Allerdings wissen Eltern, dass die Verabreichung von Arzneimitteln, besonders solchen, die schlecht schmecken oder die mit Anforderungen an die motorische Koordination einhergehen, oftmals leichter gesagt als getan ist. 

Tablettenschlucken will gelernt sein

Was für erwachsene Patienten „eigentlich“ ein Kinderspiel ist, ist für die kleinen Patienten zunächst eine Lernerfahrung und will am Anfang geübt sein. Es gibt keine Faustregel, ab wann ein Kind Tabletten oder Kapseln sicher schlucken kann – die Altersspanne ist sehr variabel. Hier kann man während der Beratung in der Apotheke Eltern mittels aus der Geriatrie bekannten Techniken spielerische Hilfestellungen beim Schlucktraining ihres Nachwuchses an die Hand geben.

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Einerseits ist dies die Kopfstellung, bei der das Kind mit geradem Oberkörper den Kopf leicht nach vorne hält (mindestens 45°) und aus dieser Position heraus die Tablette mit mehreren großen Schlucken Wasser einnimmt. Anders als landläufig gedacht wird das Schlucken durch ein Vorneigen des Kopfes und nicht durch ein „nach hinten werfen“ erleichtert. Letzteres führt zu einer Verengung der Speiseröhre und einem schlechteren Schluckvermögen. 

Eine weitere Möglichkeit der erleichterten Tabletteneinnahme ist das „Pop-Bottle“-Verfahren. Hierbei wird die Tablette auf die Zungenspitze gelegt und anschließend Wasser, Tee oder Saft aus einer Flasche getrunken. Die Öffnung der Flasche sollte hierbei so gewählt werden, dass das Kind beim Trinken „saugen“ muss und den Kopf dabei leicht nach hinten neigt. Die Tablette wird durch die so angesaugte Flüssigkeit quasi „schwimmend mitgenommen“ und geschluckt. Beide Verfahren eigenen sich für ältere Kinder und können auf spielerische Weise vermittelt werden.

Kleine Tricks zur leichteren Tabletteneinnahme

Bei jüngeren Patienten kann die Kopfstellung und das „Pop-Bottle-Verfahren“ ausprobiert werden, allerdings empfehlen sich bei kleineren Kindern andere Methoden, um die Einnahme der Tabletten(-teilstücke) zu erleichtern. Auch hier sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. Handelt es sich um normale, unretardierte Tabletten, so können diese in den meisten Fällen zunächst geteilt werden, um auf eine kindgerechte Dosierung zu kommen. Die Tablettenhälften können dann in den meisten Fällen problemlos mit Pudding oder Kompott vermischt und dem Kind verabreicht werden. Bei einigen Tabletten ist auch ein Zerfallenlassen in Wasser denkbar – hier muss jeweils die Fachinformation des Herstellers konsultiert oder Rücksprache mit der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung gehalten werden. 

Sondenbögen als hilfreiche Informationsquelle

Sondenbögen der jeweiligen Arzneistoffe können hier ebenso eine hilfreiche Informationsquelle sein, denn: Sind Tabletten oder Kapseln sondierbar – ist also eine Gabe mittels einer Ernährungssonde möglich – sind sie in den meisten Fällen auch mörser- oder in Wasser suspendierbar. Oder im Falle von Kapseln eignen sie sich zum Öffnen und können dann ebenfalls suspendiert werden. Im Bereich der Ibuprofen- oder Paracetamol-haltigen festen Oralia ist hier nicht mit galenisch bedingten Überraschungen zu rechnen. Es sollte bei der unmittelbar zeitnahen Einnahme darauf geachtet werden, dass Suspensionen kurz vor beziehungsweise gegebenenfalls während des Trinkens von Teilmengen immer wieder aufgeschlämmt werden, damit die gesamte Tablettenmasse vom Kind eingenommen wird und es somit zu keiner Unterdosierung kommt.

Schluckhilfe braucht Übung und ist für Kinder schwierig

Eine letzte Möglichkeit, das Schlucken zu erleichtern, stellt die seit einigen Jahren auf dem Markt befindliche Schluckhilfe MedCoat® der Firma Hennig Arzneimittel dar, die hauptsächlich für Patienten mit Schluckstörungen in der Geriatrie gedacht war. Die Tablette oder das scharfkantige Tablettenteilstück wird bei MedCoat® durch eine dünne, geschmackskaschierende Gelmembran gedrückt, die die Tablette wie einen Filmüberzug vollständig umschließt. Durch die glatte Oberfläche und speichelanregende Eigenschaften des Überzugs wird der Schluckvorgang erleichtert. Das Verfahren bedarf einiger Übung und kann nicht allein vom Kind durchführt werden – auch manchen Eltern dürfte die Anwendung erst nach einiger Übung gelingen.

Es bleibt zu hoffen, dass trotz aller Tipps und Tricks und Notlösungen der Engpass an – nicht nur in der Pädiatrie versorgungsrelevanten – Wirkstoffen zeitnah ein Ende findet und sich Notlösungen nicht zur Regelversorgung verfestigen.


Apotheker Dr. Christian Redmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Alles wird gut 7! cent mehr

von ratatosk am 15.12.2022 um 11:34 Uhr

Das Bfarm kann keinen Lieferabriss bei Fiebersäften erkennen !
Was machen die eigentlich hauptberuflich ? finden die die Kantine ohne externe Berater ? Fragen über Fragen. Aber jetzt kommen 7 cent mehr für Säfte - jippi ! jetzt wird alles gut.

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Zerfallenlassen in Wasser

von FB am 15.12.2022 um 11:12 Uhr

Wieso muss vor dem Zerfallenlassen der Tabletten in Wasser denn die MedWis-Abteilung kontaktiert werden, beim Zerkleinern der Tablette in kindgerechte Stücke aber nicht?
Gemäß Arzneibuch muss eine Tablette in Wasser in einer gewissen Zeit zerfallen.

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