Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ stellten Sie am 4. Dezember 2022 klar: „Ich bin Heilberufler und kein Dealer.“ Warum schließt Ihrer Meinung nach das eine das andere zwangsläufig aus? Wie nehmen Sie die Meinungsbildung in der Kollegenschaft wahr?
Bei uns im Berliner Apotheker-Verein diskutieren wir darüber, und ich bin einer von wenigen, die sich sehr differenziert bis vehement-kritisch gegen den Verkauf von Genuss-Cannabis in den Apotheken positionieren. Ich befürchte, dass viele Kollegen dabei vor allem den monetären Anreiz wahrnehmen und weniger ihre heilberufliche Verantwortung. Unser Image und unsere Seriosität werden aber massiv leiden, wenn wir zukünftig einerseits Menschen mit Suchtproblemen bei ihrer Entwöhnung unterstützen und andererseits fleißig an jedem Gramm Gras mitverdienen dürfen.
Nun spielt Cannabis – allerdings im medizinischen Kontext – schon seit fast sechs Jahren eine Rolle in den Apotheken. Versorgen Sie und Ihr Apothekenteam auch Patienten mit Cannabis-basierten Arzneimitteln?
Ja, das kommt vor. Ich bin auch sehr dafür, das therapeutische Potenzial von Cannabis zu erforschen und für einzelne Inhaltsstoffe konkrete Indikationen zu finden. Allerdings halte ich die Abgabe und den medizinischen Gebrauch von Cannabisblüten für sehr fragwürdig. Wir Apothekerinnen und Apotheker wissen doch am besten, dass es vor allem auf die Arzneiform ankommt. Somit ist das Rauchen der Blüten unter pharmakologischen und pharmakokinetischen Aspekten eine Vollkatastrophe …
… die aber so manchen schwer kranken Chronikern zu helfen scheint.
Das will ich nicht ausschließen, aber das Ziel muss sein, die Menschen mit qualitätsgesicherten und validen Therapien zu versorgen. Bei Lungenerkrankungen geben wir doch auch keine „Asthma-Zigaretten“, sondern Dosieraerosole ab. Ein Vaporisator zum Verdampfen von Cannabisblüten mag technisch noch so hoch entwickelt sein, letztlich handelt es sich nur um eine bessere Bong mit Hilfsmittelnummer.
Glauben Sie, dass man den medizinischen Gebrauch klar vom selbstbestimmten Konsum trennen kann? Nicht wenige rauchen heute ihr Gras gegen Schlaf- und Angststörungen oder depressive Verstimmungen – und zwar auf eigene Kosten und mitunter vom Schwarzmarkt.
Das zeigt, wie zynisch die Debatte läuft. Wenn Menschen mit ernsthaften psychischen Erkrankungen als austherapiert gelten oder überhaupt keine heilberufliche Zuwendung erfahren und sich schließlich auf dem Schwarzmarkt mit Rauschmitteln eindecken müssen, dann ist das eine Bankrotterklärung unserer Gesellschaft. Wir müssen das also unbedingt klar voneinander trennen: Cannabis-basierte Arzneimittel darf und soll es weiterhin geben. Der Erwerb als Genussmittel muss sich aber außerhalb der Apotheken abspielen.
Haben Sie Vertrauen, dass die anderen Abgabestellen auf dem gleichen Qualitätsniveau wie Apotheken beraten können?
Vielleicht sogar noch besser. Wein oder Cognac kauft man doch auch in anderen Läden. Warum gehen die Kolleginnen und Kollegen davon aus, dass nur sie es sind, die über die verschiedenen Varietäten von Gras beraten können und dürfen? Ja, wir sind Sachverständige und hochkompetent, aber ob wir uns deshalb alles an Land ziehen müssen, ist am Ende des Tages immer auch noch eine moralische Frage. Schnaps, Zigaretten und Lotto gibt es im Kiosk, obwohl alle drei gesetzgeberisch streng reglementiert sind – übrigens nicht nur aus Steuergründen, sondern auch aus Gründen des Gesundheits- und Jugendschutzes.
Aus regelmäßigem Cannabis-Konsum resultiert ein Interaktionspotenzial mit unzähligen Wirkstoffen. Wären die Apotheken nicht doch die besseren Abgabestellen?
Gleiches gilt für Alkohol und Grapefruitsaft. Trotzdem stehen die nicht in den Apothekenregalen.
7 Kommentare
Bedenkenträger
von Gerhard Zibulak am 16.12.2022 um 12:34 Uhr
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AW: Bedenkenträger
von DAZ-Redaktion am 16.12.2022 um 12:38 Uhr
AW: Bedenkenträger?
von Stefan Haydn am 16.12.2022 um 16:09 Uhr
Dreckfuhler
von Chris am 16.12.2022 um 9:52 Uhr
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"Wein oder Cognac kauft man doch auch in anderen Läden"
von Chris am 16.12.2022 um 9:50 Uhr
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Heilberuf und Canabis
von Gabi am 16.12.2022 um 9:01 Uhr
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AW: Heilberuf und Canabis
von Stefan Haydn am 16.12.2022 um 16:01 Uhr
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