Arzneimittellieferengpässe

Ärztepräsident bringt „Arzneimittel-Flohmärkte“ ins Spiel

Berlin - 19.12.2022, 11:00 Uhr

BÄK-Chef Klaus Reinhardt sorgt mit seinem Vorschlag, sich in der Nachbarschaft auch mit abgelaufenen Arzneimitteln aus der Hausapotheke auszuhelfen, für Wirbel. (x / Foto: IMAGO / IPON)

BÄK-Chef Klaus Reinhardt sorgt mit seinem Vorschlag, sich in der Nachbarschaft auch mit abgelaufenen Arzneimitteln aus der Hausapotheke auszuhelfen, für Wirbel. (x / Foto: IMAGO / IPON)


Deutschland hustet, schnieft und fiebert – und Arzneimittel, vor allem für Kinder, sind knapp. Der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt hat nun vorgeschlagen, mit „Flohmärkten für Medikamente in der Nachbarschaft“ Abhilfe zu schaffen. Die ABDA nimmt diese Idee „mit Bestürzung“ auf.

Die Infektionswelle rollt seit einigen Wochen übers Land – noch ist nicht absehbar, ob sie bereits ihren Höhepunkt erreicht hat. Doch vor allem die massiven Lieferprobleme bei Kinder-Fiebersäften sorgen dafür, dass die Öffentlichkeit Alarm schlägt. Dabei sind Arzneimittellieferengpässe schon seit Jahren ein großes Problem. Das weiß im Grunde auch die Politik. Dennoch blieb das Thema immer wieder liegen. Nun hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für diese Woche ein Gesetz gegen Engpässe angekündigt.

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Und am vergangenen Wochenende sprossen plötzlich die Vorschläge, was man alles tun könnte, um die momentane Situation zu verbessern. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, rief im „Tagesspiegel“ die Bevölkerung dazu auf, einander mit Medikamenten aus der Hausapotheke auszuhelfen. „Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben“, sagte Reinhardt. „Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft.“ Aus seiner Sicht könnten dabei auch Arzneimittel infrage kommen, deren Haltbarkeitsdatum bereits einige Monate abgelaufen sei. In der Not könne man zahlreiche Medikamente immer noch gefahrlos verwenden.

Reinhardt sagte, es gehe auch darum, wieder zu lernen, „Krisenzeiten pragmatisch und standfest abzuwettern“. Danach könne und müsse man Grundsätzliches angehen, wie die Reform der Arzneimittelproduktion. Die Idee eines weiteren milliardenschweren „Wumms“ zum Aufkauf von Medikamenten weltweit sieht der BÄK-Präsident aber kritisch: „Das hilft nicht. Andere Länder der Welt haben dasselbe Problem. Denen können wir doch die Arzneien nicht wegkaufen.“

ABDA: Gefährlich und keine Lösung für Engpässe

Die ABDA reagierte auf Reinhardts Flohmarkt-Vorschlag mit Bestürzung. „So treibt man Menschen in gefährliche Arzneimitteleinnahmen, löst aber keine Lieferengpässe“, heißt es in einer Pressemitteilung, in der die Standesorganisation das Engagement der Apotheker:innen beim Engpassmanangement würdigt. 

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wies zugleich Mutmaßungen einzelner Politiker zurück, Apotheken würden hamstern. „Wir helfen, die Engpässe zu lösen, wir produzieren sie nicht. Von der Politik ist für diesen Einsatz längst ein spürbarer Dank überfällig!“ Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, hatte Apotheker und Arzneimittelgroßhändler am vergangenen Freitag aufgefordert, keine Hamsterkäufe von Medikamenten mehr zu tätigen. Das sei nicht zu verantworten in einer solchen Situation, wo bundesweit im Grunde diese Medikamente verfügbar sein müssen, sagte sie im ARD-Mittagsmagazin und appellierte dafür, wirklich nur einen Vorrat für eine Woche anzulegen.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Was nimmt die Dame ?

von ratatosk am 19.12.2022 um 18:32 Uhr

"wo bundesweit im Grunde diese Medikamente verfügbar sein müssen" Offensichtlich ist diese Dame mit der Problematik überfordert, wenn sie schon die eigenen Lügen und Hirngespinste des Bfarm zu glauben scheint. Wenn man die eigenen Lügenparolen zu glauben beginnt ist das Ende sicher nahe. Bestürzend, daß sie in diesem Bereich auch noch Verantwortung hat. Es zeigt sich hier die nackte Panik, da sie genau weiß, wo die Probleme herkommen und so versucht sie mit Nebelkerzen von der Politik abzulenken, schließlich sind ja hier Ulla und Karl maßgeblich beteiligt. Es zeigt sich auch hier, daß die Katastrophe unvermeidlich wird, da es sogar schon an primitiven Einsichten fehlt.
Ist aber nicht so unverständlich, da mit der Ergreifung von wirksamen Gegenmaßnahmen, die Ursachen um so deutlicher zu Tage treten würden, was für Politiker natürlich gar nicht geht, denn dann würde man ihre Fehler noch deutlicher sehen.
Zum Ärztefunktionär nur so viel, Vielen Dank für das Weiterreichen angehusteter Medikamente unklarer Lagerbedingungen.

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"Bestürzung"

von Second hand Schmerzpflaster am 19.12.2022 um 13:01 Uhr

Wenn das keine rechtlichen Konsequenzen nach sich zieht, auch für die Tagesschau, glaube ich an gar nichts mehr.

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AW: "Bestürzung"

von Norbert Kämpfer am 19.12.2022 um 16:08 Uhr

Der Begriff horten/bevorraten ist doch denen
am Arzneihandel Beteiligten nicht unbekannt.
Seit mal ehrlich!

Reinhardt

von Conny am 19.12.2022 um 12:34 Uhr

Manche Menschen sollten keinen Glühwein trinken.

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Reinhardts Mülltonne

von Dr.Diefenbach am 19.12.2022 um 12:22 Uhr

...es stellt sich allmählich die Frage, was in den Hirnen von Ärzterepräsentanten Alles so herumgeistert.Hat Herr Dr. Reinhardt schon mal was vom ARZNEIMITTELGESETZ gehört?Vom Apothekengesetz? Ist jahrzehntelange !!! Mühe,DATEN einzuhalten, innerhalb von Stunden wertlos?.Gibt es auch strafrechtliche
Aspekte, die der feine Herr mit doch sonst so losen Worten einfach ad acta legte?Also ich finde wie der Umgang mit Arzneimittelqualität unter dem Siegel des "Zusammenhaltens" mit Füssen getreten wird,lässt im Hinblick auf eine Amtseignung dieses Repräsentanten durchaus Spielraum zu...!!!Und wenn ich bedenke WIE uns die Vertreter der Ärzteschaft in der jüngeren Vergangenheit behandelt haben, dann ist die Aussage ,Arzneimittel auch nach Verfallsablauf durchaus noch abzugeben,eine Unverschämtheit.Hoffentlich sagt Frau Overwiening hier das PASSENDE!!!!

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Vorschläge Frau Hännel

von Dr. Radman am 19.12.2022 um 11:27 Uhr

Sehr geehrte Frau Overwiening (ABDA),
hier sind die Vorschläge von Frau Hännel an Bfarm zur Verbesserung der Lieferfähigkeit. Kommunizieren Sie sie bitte mit den Medien und Politik. :::


Sechs Punkte für BfArM:

Sechs Punkte kamen schließlich zusammen, die die Apothekerin am Freitag an die Behörde schickte:

- Alle Kinderärzte, auch in den Krankenhäusern (Notversorgung), verordnen nur noch den Wirkstoff, Stärke und Dosierung, keine Darreichungsform (Saft, Tabletten, Zäpfchen).

Die Apotheke entscheidet dem Alter des Kindes entsprechend, welche Arzneiform abgegeben wird. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen dazu die Kommunikation an die Verordner übernehmen.

- Wenn keine Rücksprachen mit Arztpraxen erfolgen können beziehungsweise diese nicht erreicht werden, da diese selbst am Limit sind, sollten die Apotheken eigenmächtig andere Packungsgrößen bei Antibiotika abgeben dürfen, auch wenn die Packungsgröße größer als verordnet ist. Dokumentiert wird das auf Rezept mit vorliegenden Sonder-PZN und die Krankenkassen dürfen nicht retaxieren, sondern volle Kostenübernahme muss gewährleistet werden.

- Pharmazeutische Hersteller müssen unbedingt melden, wie die Produktion verläuft und die Verteilung innerhalb Deutschland an die Großhändler vorgenommen wird, um eine gleichmäßige Verteilung zu gewährleisten.

- Wir benötigen verlässliche Aussagen der pharmazeutischen Hersteller zur Lieferfähigkeit. Dadurch kann abgewogen werden, ob Patienten in ihrer Therapie umgestellt werden müssen. Man bedenke die dadurch entstehenden Folgekosten für das Gesundheitswesen.

- Keine Belieferung von Ware an Versandapotheken von aktuell fehlenden Arzneistoffen, da Vor-Ort-Apotheken den Nacht- und Notdienst übernehmen und die Versorgung gewährleisten müssen.

- Verbot von Preisangeboten beim Verkauf von fehlenden OTC-Arzneimitteln.

- Unbürokratische Defekturerlaubnis für Apotheken zur Herstellung von gängigen Arzneimitteln (zum Beispiel Schmerz- und Fiebermittel), ohne extra Verordnung zur Einzelherstellung. Das ist nicht umsetzbar. Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen muss gewährleistet sein.

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