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Studie von AOK und DLR
Wie hängen Grippe und Feinstaub zusammen?
Ist es Zufall, dass in den Wintermonaten mit den jahreszeitlich niedrigsten Temperaturen und erhöhten Feinstaubwerten die meisten Influenzaerkrankungen auftreten?
Die AOK hat mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR) zusammengearbeitet. Was zunächst nach einer ungewöhnlichen Teamarbeit anmutet, sollte aufzeigen, wie Umweltstressoren mit der Gesundheit zusammenhängen – wofür die Krankenkasse die Gesundheitsdaten beisteuerte und das DLR Erdbeobachtungsdaten.
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Erste Ergebnisse zu dieser Untersuchung gibt es nun, veröffentlicht im Fachjournal „Environmental Health“ („Temperature and particulate matter as environmental factors associated with seasonality of influenza incidence – an approach using Earth observation-based modeling in a health insurance cohort study from Baden-Württemberg (Germany)“). Es geht um Grippe und die Frage, ob sich Umweltbedingungen, wie Feinstaub, Temperatur, Niederschlag und NO2 (Stickstoffdioxid), auf die Influenzainzidenz auswirken.
Temperatur und Feinstaub beeinflussen Grippeinzidenz
In der Tat ergaben die kombinierten Daten einen signifikanten (über den Zufall hinaus) jahreszeitlichen Zusammenhang bei Grippefällen, Temperatur und Feinstaub. Anders gesagt: Die saisonalen Schwankungen der Grippeinzidenz lassen sich auf Temperatureffekte und Feinstaub zurückführen. Ausgewertet wurden 513.404 Grippefälle (Gesamtkohorte 3,85 Millionen) in den Jahren 2010 bis 2018.
So traten 53,6 Prozent der Grippeerkrankungen in den Monaten Januar bis März auf. Zum Vergleich: Auf April bis Juni entfielen 10,2 Prozent der Grippefälle, auf das dritte und vierte Jahresquartal 9,4 Prozent beziehungsweise 26,8 Prozent.
Mehr Feinstaub, mehr Grippe
Das Risiko an Grippe zu erkranken war vor allem in Regionen besonders hoch, die am höchsten mit Feinstaub belastet sind, und zwar bis zu doppelt so hoch verglichen mit Regionen mit niedriger Feinstaubbelastung. So ließen sich jährlich bis zu 502 Grippe-Infektionen pro 100.000 Versicherte auf einen Feinstaubanstieg von 7,49 μg/m3 auf 15,98 μg/m3 zurückführen.
Niedrige Temperaturen erhöhen Grippeinzidenz
Deutlicher noch war der Effekt der Temperatur auf die Erkrankungsrate. Senkte man die mittlere Lufttemperatur von 18,71 °C auf 2,01 °C, entfielen 3.499 Infektionen pro 100.000 AOK-Kunden jährlich auf diesen Effekt. Die Wissenschaftler berechneten ein bis zu 8-fach größeres Risiko, sich bei niedrigen Temperaturen mit Grippe zu infizieren.
Keinen so spürbaren Effekt auf die Grippeinzidenz scheinen allerdings Niederschlag und NO2 zu haben: Niederschlag und NO2 wirkten sich der Untersuchung zufolge lediglich mit 200 Fällen pro 100.000 AOK-Versicherte und Jahr auf die Grippeinzidenz aus. NO2 war sogar negativ mit der Influenza-Inzidenz verbunden und ein Zusammenhang für Niederschlag konnte nur unterhalb von 3 mm/Tag beobachtet werden.
UV-Strahlung, Immunantwort und Dampfdruck
Wie genau die Temperatur die Grippeinzidenz erhöht, ist unklar. Die Wissenschaftler diskutieren, ob vielmehr der Dampfdruck (der Druck des Wasserdampfes) und weniger die Temperatur für die Zerstörung der Influenzaviren verantwortlich zeichne. Der Dampfdruck ist jedoch abhängig von der Temperatur.
Zudem sei man bei niedrigen Temperaturen aufgrund einer verringerten Interferon-β-Expression – und Interferon β wehrt Viren ab – in den Atemwegen und einer dadurch geschwächten Immunantwort per se anfälliger für Viruserkrankungen. Und die Studienautoren bringen die UV-Strahlung ins Spiel, da UV-Strahlung bekanntlich Viren inaktiviere. Zwar korreliert die UV-Strahlung nicht direkt mit der Temperatur, doch beeinflussen bestimmte Faktoren, die sich auf die Temperatur auswirken, wie zum Beispiel die Bewölkung und die Höhe, in der man sich befindet, auch die Menge der UV-Strahlung, die die Erdoberfläche erreicht.
Wie erhöht Feinstaub die Grippeinzidenz?
Auf welchem Wege könnte Feinstaub die Grippeanfälligkeit erhöhen? Bei dieser Frage verweisen die Studienautoren auf mögliche, nicht bewiesene Erklärungsansätze aus der Literatur, dass Feinstaub Viruspartikel in der Luft gegen UV-Licht stabilisiert und die Abwehrmechanismen des Wirts schwächt. So löse Feinstaub Entzündungsreaktionen aus, die die Atemwege chronisch beeinträchtigen und damit Infektionen begünstigen könnten.
Feinstaub auch in Innenräumen
Hier muss die Frage erlaubt sein, wie sich jedoch Feinstaubwerte, gemessen im Freien, auf die Gesundheit der Menschen auswirken können, wenn sich diese zumeist in Innenräumen aufhalten? So sind Menschen wochentags im Mittel lediglich 1,04 Stunden im Freien, am Wochenende sind es 1,64 Stunden (British Journal of Dermatology“: „An overview analysis of the time people spend outdoors“). Allerdings hängt die Feinstaubbelastung im Inneren den Wissenschaftlern zufolge stark vom Feinstaubgehalt in der Außenluft ab, und auch in Innenräumen gibt es „Feinstaubquellen“, beispielsweise durch Heizen, Kochen, Rauchen oder Laserdrucker.
„Unsere Studie zeigt, dass das Risiko (an Grippe zu erkranken) in Regionen am höchsten ist, in denen es besonders kalt und in denen die Feinstaubkonzentration besonders hoch ist“, fasst der Vorstandvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Johannes Bauerfeind, die Ergebnisse zusammen. Er erklärt weiter: „Feinstaub entsteht insbesondere durch Industrieprozesse, Verkehr und Haushaltsheizungen. Um das gesundheitliche Risiko von Luftschadstoffen zu minimieren, ist es ratsam, durch regelmäßige körperliche Betätigung, wie Radfahren oder Gehen, die Lunge sowie das Herz- und Kreislaufsystem zu aktivieren und gesund zu halten“. Gleichzeitig helfe eine bewusste Ernährung und die Aufnahme von Antioxidantien, etwa durch einen erhöhten Obst- und Gemüsekonsum. Den besonders vulnerablen Menschen empfiehlt er zudem eine Grippe- und Pneumokokkenimpfung. Auch will die AOK eigenen Angaben zufolge die „Erkenntnisse aktiv nutzen, um die Versorgung der Versicherten zu verbessern“, indem sie diese unter anderem in bereits bestehende Versorgungsformen der AOK, wie das Hausarzt- und Facharztprogramm, implementiert.
Grippe war nun der erste Aspekt, den AOK und DLR gemeinsam beleuchteten, es sollen weitere Studien folgen, die Umwelteffekte auf Atemwegs-, Kreislauf-, Haut- und Stoffwechselerkrankungen untersuchen.
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