Wenn Hartfett fehlt

Herstellung von Paracetamol-Zäpfchen mit Kakaobutter als Grundlage

Stuttgart - 06.02.2023, 12:15 Uhr

Hartfett kann durch Kakaobutter ersetzt werden, wenn man dessen Eigenschaften berücksichtigt. (Foto: enriscapes / AdobeStock)

Hartfett kann durch Kakaobutter ersetzt werden, wenn man dessen Eigenschaften berücksichtigt. (Foto: enriscapes / AdobeStock)


Der derzeitige Mangel an Schmerz- und Fiebermitteln für Kinder beschert Apotheken die eine oder andere Rezeptur über Paracetamol-Zäpfchen. Als Grundlage wird hier meist Hartfett verwendet. Wenn auch dieses knapp ist, kann es durch Kakaobutter ersetzt werden. Wie, erklärt dieser Artikel.

Hartfett ist die häufigste lipophile Grundmasse, die für die Herstellung von Zäpfchen in der Rezeptur zum Einsatz kommt. Es handelt sich hierbei um eine Mischung von Mono-, Di- und Triglyceriden gesättigter Fettsäuren, welche bei Körpertemperatur schmilzt und sich leicht zu Suppositorien verarbeiten lässt. 

Steht Hartfett jedoch nicht zur Verfügung, kann auch Kakaobutter verwendet werden. Die Firma Caelo hat jüngst eine Rezepturvorschrift zur Herstellung von Paracetamol-Zäpfchen mit dieser Grundlage veröffentlicht.

Temperaturkontrolle beim Aufschmelzen und Gießen

Zu Herstellung von Suppositorien mit je 0,125 g Paracetamol empfiehlt Caelo folgende Zusammensetzung:

Paracetamol-Zäpfchen 0,125 g
1 Zäpfchen enthält: 
Paracetamol (gepulvert) API0,125 g
Hochdisperses Siliciumdioxid Typ 2000,000125 g
Kakaobutter „Chips“nach Bedarf

Zu Beginn der Herstellung werden die beiden Feststoffe Paracetamol und Hochdisperses Siliciumdioxid in einer Fantaschale miteinander vermischt. 

90% der benötigten Kakaobuttermasse werden in einer weiteren Fantaschale auf dem Wasserbad bei 39 bis 40 °C geschmolzen. Diese Schmelze wird mit der Pulvermischung verrührt und auf 38 °C abgekühlt. 

Die noch fehlenden 10% der Grundlage werden sodann bei 38 °C geschmolzen und anschließend in die Wirkstoff-Mischung eingerührt. Unter ständigem Rühren kann nun die Masse in eine Gießform gegossen werden und anschließend erkalten. 

Wozu das getrennte Aufschmelzen?

Nach Angaben von Caelo wird durch das Erwärmen der Kakaobutter auf fast 40 °C die Masse flüssiger, sodass sich die Feststoffe besser verteilen lassen. Die Zugabe eines Teils der Schmelze bei einer Temperatur von 38 °C führt zu einer stärkeren Festigkeit der Zäpfchen. 

Das Aufschmelzen und Ausgießen des Ansatzes sollte unter Temperaturkontrolle erfolgen. Gut geeignet sind hierfür Infrarot-Thermometer, die eine kontaktlose Messung ermöglichen. 

Laut Firmenangaben kann die Aufbrauchfrist der fertigen Zäpfchen mit 4 Wochen festgesetzt werden. 

Eigenschaften von Kakaobutter

Kakaobutter (Oleum cacao) ist eine gelbliche Masse, die aus den Samen des Kakaobaumes gewonnen wird. Das Triglycerid besteht überwiegend aus den gesättigten Fettsäuren Palmitinsäure und Stearinsäure sowie der ungesättigten Ölsäure. 

Lange Zeit war Kakaobutter die Standardgrundlage zur Herstellung von Zäpfchen. Wie alle natürlichen Fette ist sie jedoch oxidationsanfällig und hat daher nur eine begrenzte Haltbarkeit. Zudem besitzt Kakaobutter eine geringe Kontraktilität. Durch ein Auspinseln der Metallformen mit flüssigem Paraffin lassen sich die fertigen Zäpfchen nach dem Abkühlen aber meist gut entnehmen. 

Ein weiterer Nachteil der Kakaobutter ist die komplexe Temperaturführung bei der Zäpfchenherstellung. Der Grund: Kakaobutter zeigt eine ausgeprägte Polymorphie, d. h. sie bildet verschiedene Kristallformen mit unterschiedlichen Schmelzbereichen. 

Polymorphie und Schmelzverfahren

Die stabile ß-Modifikation hat einen Schmelzpunkt von 34,5 °C. Beim Abkühlen einer klaren Schmelze bilden sich zunächst instabile Formen mit niedrigerem Schmelzbereich. Diese wandeln sich mit der Zeit wieder in die stabile ß-Form um. Dieser Vorgang kann allerdings lange dauern. 

Bei der Verarbeitung von Kakaobutter muss daher darauf geachtet werden, dass die Temperatur beim Schmelzen möglichst nicht über 34 °C ansteigt. Bei diesem Cremeschmelzverfahren bleiben noch ungeschmolzene Bestandteile übrig und die Kakaobutter erstarrt anschließend wieder in der stabilen Form. 

Alternativ können ungefähr 90% der Grundlage klar geschmolzen und später die restlichen 10% bei einer niedrigeren Temperatur dazugegeben werden (siehe obige Herstellungsanweisung). 

Hilfsstoffe in Kakaobutter-Suppositorien

Um Sedimentationseffekte bei der Herstellung von Suspensions-Zäpfchen zu verhindern, sollte der Feststoff möglichst mit kleiner Korngröße verarbeitet werden. Beim Paracetamol wird ein Korngrößenbereich zwischen 20 µm und 100 µm empfohlen. 

Zusätze wie Hochdisperses Siliciumdioxid steigern die Viskosität der Grundlage und können so die Sedimentationsgeschwindigkeit des Wirkstoffs herabsetzen. 

In einigen Rezepturvorschriften ist zudem ein Zusatz von Lecithin zu finden. Der Hilfsstoff verbessert die Gießfähigkeit der Schmelze bei hoher Feststoffmenge. Bei Kinderzäpfchen kann jedoch aufgrund der geringen Menge an Wirkstoff darauf verzichtet werden. 

In Fertigarzneimitteln wird zur Verbesserung der Resorption darüberhinaus häufig Macrogol-40-stearat verwendet. Dieser Zusatz ist bei der rezepturmäßigen Herstellung nicht nötig. 

Mit Rücksicht auf Verluste arbeiten

Bei der Zäpfchenherstellung treten beim Ausgießen der geschmolzenen Grundlage Verluste durch Rückstände in der Schale oder am Pistill auf. Bei allen Zäpfchen-Rezepturen muss daher mit einem deutlichen Überschuss gearbeitet werden. Das NRF empfiehlt z. B. bei einer Ansatzgröße von 21 bis 30 Zäpfchen einen Überschuss von 10 Zäpfchen zu berücksichtigen. 

Dieser hohe Überschuss ist auch deshalb sinnvoll, da es bei der Herstellung von Suspensionszäpfchen unweigerlich zu einer Entmischung des Ansatzes kommt. Auch bei ständigem Rühren lässt sich eine Fehldosierung in den letzten Anteilen der Schmelze nicht vermeiden. Daher sollen die letzten Zäpfchen verworfen werden. 

Kakaobutter-Menge richtig berechnen

Um die benötigte Menge an Kakaobutter festzulegen, wird das Verdrängungsfaktor-Verfahren angewendet. Vor der eigentlichen Herstellung muss dazu zunächst das Kalibriervolumen der verwendeten Gießform mit reiner Grundmasse bestimmt werden. 

Alle Bohrungen der Metallgießform werden zunächst mit geschmolzener Kakaobutter gefüllt. Nach dem Erkalten wird die Gießschwarte abgestreift und die Zäpfchen entnommen. Der Eichwert Ē kann aus der Gesamtmasse aller Zäpfchen geteilt durch die Anzahl ausgegossener Zäpfchen berechnet werden. 

Die für die Paracetamol-Zäpfchen benötigte Menge an Kakaobutter kann dann mithilfe folgender Formel ermittelt werden: 

Mn = n × (Ē – f × A)

Mn:   Einwaage an Kakaobutter für n Zäpfchen (g)
n:   Anzahl der herzustellenden Zäpfchen
Ē:  Eichwert (g)
f:  Verdrängungsfaktor
A:  Masse an Paracetamol pro Zäpfchen (g)

Der Verdrängungsfaktor für Paracetamol beträgt 0,72. Dieser Wert bezieht sich zwar auf Hartfett, kann aber mit hinreichender Genauigkeit auch für Kakaobutter angenommen werden.

Rezeptur über 30 Suppositorien: ein Rechenbeispiel

Bei der Herstellung von 30 Paracetamol-Suppositorien 0,125 g wird ein Überschuss von 10 Zäpfchen bei der Berechnung berücksichtigt. Die berechnete Masse an Kakaobutter bezieht sich also auf den Herstellungsansatz und nicht auf die Zahl der tatsächlich abzugebenden Zäpfchen.  

Mn = 40 × (1,11 g – 0,72 × 0,125 g – 0,000125 g)
Mn = 40,8 g Kakaobutter

Bei der Einwaage von Paracetamol muss gegebenenfalls ein Einwaagekorrekturfaktor berücksichtigt werden. Wegen seines geringen Anteils braucht Hochdisperses Siliciumdioxid bei der Ansatzberechnung nicht mit einem eigenen Verdrängungsfaktor eingerechnet werden.


Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Zäpfchen

von Wolfgang Steffan am 07.02.2023 um 11:24 Uhr

Mein Gott,
jetzt brauchen die Apotheker/Apothekerinnen eine mehrseitige
Gebrachsanweisung für die "Suppositorien"-Herstellung.
Da sieht man, wie der Beruf des Schaubladenziehers inzwischen verkommen ist ! Man traut ihm nicht mehr zu, einfachste Arzneimittel, Desinfektionsmittel etc. selbst herzu-
stellen. Mein Vater hat bis weit in die 50ziger hinein nachts
während des Notdienstes, ganz ohne Formel, Zäpfchen
gegossen und die Kinder sind alle genesen.

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