IG Med und Freie Apothekerschaft planen Protestaktion

Kittel für den Minister – Ärzte und Apotheker wehren sich gegen Sparpolitik

Berlin - 15.02.2023, 12:15 Uhr

Unter dem Motto „Der letzte Kittel“ sind die Angehörigen der Gesundheitsberufe aufgerufen, gegen die Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers zu protestieren. (Foto: IMAGO / Jochen Tack)

Unter dem Motto „Der letzte Kittel“ sind die Angehörigen der Gesundheitsberufe aufgerufen, gegen die Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers zu protestieren. (Foto: IMAGO / Jochen Tack)


Die aktuelle Gesundheitspolitik ist das Letzte, finden IG Med und Freie Apothekerschaft ebenso wie weitere Gesundheitsverbände. Gemeinsam fordern sie die Heilberufler:innen auf, ihre Kittel mit persönlichen Botschaften gespickt an das BMG zu schicken – am 29. März ist zudem eine Protestaktion in Berlin geplant.

Unter dem Motto „Der letzte Kittel“ wollen IG Med, Freie Apothekerschaft und andere Gesundheitsverbände ihrem Ärger über die Sparpolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Luft machen. Seit seiner Zeit als Berater von Ex-Ministerin Ulla Schmidt (SPD) sei er mitverantwortlich für Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem. „Das Gesundheitsreformgesetz aus dieser Zeit legte den Grundstein für den Ruin in der medizinischen Versorgung in Deutschland, der jetzt zu dem Desaster führt, unter dem unsere Patienten, unsere Mitarbeiter und vor allem wir, als diejenigen, die das System noch irgendwie am Laufen gehalten haben, jetzt leiden“, schreiben sie in einer Pressemitteilung.

Ob Apotheken, Zahnärztinnen und -ärzte, Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten oder niedergelassene Ärztinnen und Ärzte: Sie alle kämpften mit den Folgen der politischen Weichenstellung der vergangenen Jahre. „Das Apothekensterben lässt pro Jahr fast 400 Apotheken von der Landschaft verschwinden“, betont die Allianz. „Der Apotheker haftet für die Verordnung genauso wie der Arzt quasi mit seinem Privatvermögen – gibt es formale Fehler im Rezept oder ist das Medikament nach Ansicht der Kranken Kassen nicht wirtschaftlich, gibt es keinen Cent für das ausgegebene Medikament – das ist das Letzte!“

Zahnmediziner:innen müssten notgedrungen zahnerhaltende Leistungen herunterschrauben, Neupatientinnen und -patienten würden nicht mehr adäquat ambulant versorgt, auch die therapeutischen Berufe kämpften mit Kürzungen wegen Formfehlern am Rezept und Notärztinnen und -ärzte suchten händeringend nach Betten, wenn sie einen schweren Erkrankten oder verunfallten Patienten in stationäre Behandlung bringen wollen. Derweil, so die Gesundheitsverbände, verwalteten sich die Krankenkassen selbst zu Tode und die Gesundheitspolitik vergeude Gelder für elektronische Spielereien.

„Die falschen Versprechungen einer desaströsen Gesundheitspolitik“

„Die Liste der Zumutungen ließe sich noch über Seiten fortsetzen und jeder von Ihnen könnte sie um persönliche Erfahrungen ergänzen“, heißt es weiter. „Wir haben versucht, die falschen Versprechungen einer desaströsen Gesundheitspolitik irgendwie auszugleichen, damit es nicht an unseren Patienten ausging. Wir haben uns vorgemacht, dass es ‚unter dem Strich‘ schon noch irgendwie reichen würde, um mit unserem erfüllenden Beruf auch noch unseren Mitarbeiter und Familien ein zufriedenstellendes Leben zu ermöglichen.“ Alle im Gesundheitswesen Tätigen hätten das Letzte gegeben – vor der Pandemie, während der Corona-Zeit und auch jetzt. „Wir werden uns aber nicht mehr länger in unserer Praxis ‚festkleben‘“, kündigen die Heilberufe an.
„Jetzt geben wir eben ‚den letzten Kittel‘!“

Der letzte Kittel symbolisiert, dass immer mehr Gesundheitsberufler:innen aufgeben und ihren Kittel an den Nagel hängen. IG Med, Freie Apothekerschaft und weitere Verbände appellieren an die Kolleginnen und Kollegen: „Wir bitten Sie, dass Sie Ihren ‚letzten Kittel‘ – oder der, der es mal sein wird, nicht entsorgen, sondern ihn dem Gesundheitsminister schicken – als Zeichen für seine Gesundheitspolitik, die für uns ‚das Letzte‘ ist.“ 

So können Apotheken die Aktion unterstützen

Alle, die die Aktion unterstützen wollen, sollen ihre Kittel an die verschiedenen Standorte des Bundesgesundheitsministeriums schicken. „Absender sollte man vorsichtshalber vergessen – wir wollen ja, dass die Kittel auch dort bleiben, wo sie hingehören“, betonen die Verbände. Zudem sollen die Teilnehmenden auf ihren Kitteln ein Problem vermerken, mit dem sie in ihrem Arbeitsalltag zu kämpfen haben. Für die Apotheken könnte das zum Beispiel Nullretax oder Kassenabschlag sein.

Möglich ist es den Angaben zufolge zudem, eine Trauerkarte beizufügen. „Sie dürfen natürlich auch ein Päckchen oder Paket packen, wenn Sie dem Gesundheitsminister auch noch nicht mehr benötigtes Arbeitsmaterial (Geräte, Instrumente, zahnärztliche Abdrücke, Prothesen etc.) zur Verfügung stellen wollen“, regen IG Med und Verbündete an. „Wir denken, Herr Lauterbach wird vieles brauchen können, wenn die Versorgung noch schlechter wird.“

Drei Phasen des Protests und Abschluss in Berlin

In der ersten Phase (6. bis 12. März) ist die Dienststelle des BMG in der Friedrichstraße in Berlin der Adressat, anschließend (13. bis 19. März) der Dienstsitz des Ministeriums in Bonn und in der dritten Phase (20. bis 27. März) sind die Kolleginnen und Kollegen aufgefordert, ihre Kittel an den neuen Dienstsitz des BMG in der Mauerstraße in Berlin zu schicken (die Details finden Sie hier).

Am 29. März 2023 wird schließlich eine Delegation der IG Med, bestehend aus Vertretern der Ärzte- und Zahnärzteschaft, der Apothekerinnen und Apotheker und der medizinischen Therapieberufe (Heilmittelerbringer) ihre „letzten Kittel“ persönlich in der Dienststelle Mauerstraße 29 übergeben. „Wer uns bei dieser Übergabe begleiten will, sollte sich bitte im Vorfeld bei uns anmelden, damit wir die Aktion auch bei den zuständigen Behörden anmelden können.“


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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