Neurologische Entwicklungsstörungen

Topiramat für Schwangere letzte Wahl – auch bei Epilepsie!

Stuttgart - 05.09.2023, 12:00 Uhr

Unabhängig von der Indikation sollte vor einer Topiramat-Therapie ein Schwangerschaftstest erfolgen. (Foto: show999 / AdobeStock)

Unabhängig von der Indikation sollte vor einer Topiramat-Therapie ein Schwangerschaftstest erfolgen. (Foto: show999 / AdobeStock)


Dass Topiramat während der Schwangerschaft zu schweren Fehlbildungen führen kann, ist bereits bekannt. Etwa bei Migräne ist es deshalb in dieser Zeit kontraindiziert. Bei Epilepsie ist die Abwägung einer Therapie während der Schwangerschaft grundsätzlich komplizierter. Doch auch hier sollen die Sicherheitshinweise aufgrund neuer Erkenntnisse nun verschärft werden.

Wie der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) aktuell informiert, kann Topiramat das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen bei Kindern erhöhen – wenn der Wirkstoff während der Schwangerschaft angewendet wurde. In der Folge empfiehlt der PRAC neue Sicherheitsmaßnahmen.

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In der Frühschwangerschaft nur in niedriger Dosis und bei strenger Indikationsstellung

Topiramat führt zu Fehlbildungen

Topiramat kommt sowohl bei Epilepsie als auch in der Prävention von Migräne zum Einsatz. In manchen EU-Ländern wird das Arzneimittel außerdem zur Gewichtsreduktion in Kombination mit einem anderen Wirkstoff eingesetzt.

Dass Topiramat das ungeborene Kind schädigen kann, ist schon länger bekannt. Entsprechend ist eine Schwangerschaft in der Indikation der Migräne (oder Gewichtsreduktion) eine Kontraindikation. Beim Anwendungsgebiet der Epilepsie war das bislang jedoch nicht so klar geregelt. Jetzt empfiehlt der PRAC auch bei Epilepsie, Topiramat während der Schwangerschaft nur noch anzuwenden, wenn keine andere geeignete Behandlung zur Verfügung steht. Sichergestellt werden soll das durch ein Programm zur Schwangerschaftsverhütung. Damit soll jede gebärfähige Frau über die Risiken von Topiramat informiert werden. Dazu wird es Schulungsmaterial für Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe geben, und mit jeder Arzneimittelpackung soll künftig eine Patientenkarte ausgehändigt werden. Zudem werde ein sichtbarer Warnhinweis auf die äußere Verpackung des Arzneimittels angebracht. Die Produktinformationen sollen entsprechend aktualisiert werden [1,2,3].

Autismus-Spektrum-Störungen, geistige Behinderung oder ADHS

Wie auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärt, sollten Angehörige der Gesundheitsberufe sicherstellen, „dass alle Patientinnen im gebärfähigen Alter über die Risiken der Einnahme von Topiramat während der Schwangerschaft vollständig informiert sind“. Und:


„Es sollten alternative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden und die Notwendigkeit einer Behandlung mit Topiramat sollte mindestens einmal jährlich neu bewertet werden.

BfArM, 1. September 2023


Unter dem erhöhten Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen werden insbesondere Autismus-Spektrum-Störungen, geistige Behinderungen oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) zusammengefasst. Die nun veröffentlichten Empfehlungen stützen sich auf drei durch den PRAC bewertete Beobachtungsstudien. Nur eine der drei Studien zeigte unter Topiramat-Therapie kein erhöhtes Risiko – im Vergleich zu Kindern von Frauen mit Epilepsie, die keine Antiepileptika einnahmen.

Bald soll noch ein Rote-Hand-Brief über die neuen Erkenntnisse und Maßnahmen zu Topiramat informieren [2].

Topiramat-Alternativen bei Epilepise

Dass Topiramat eine Gefahr für das ungeborene Kind darstellt, ist nicht neu. Auch auf der Webseite www.embryotox.de erhält es einen roten Status, der für eine „gesicherte Teratogenität und/oder gravierende Fetotoxizität“ steht. Entsprechend heißt es dort, dass die Epilepsie-Therapie auf besser verträgliche Mittel wie Lamotrigin oder Levetiracetam umgestellt werden soll, wenn möglich. „Kommt nur Topiramat in Frage, ist eine Monotherapie anzustreben“ [4].

Auch in der aktuellen Bewertung bestätigte der PRAC die bereits bekannten erhöhten Risiken von Fehlbildungen und Wachstumsstörungen unter Topiramat-Therapie: „Bei Frauen, die während der Schwangerschaft Topiramat einnehmen, weisen 4 bis 9 von 100 Kindern Fehlbildungen auf, verglichen mit 1 bis 3 von 100 Kindern, die von Frauen geboren werden, die keine solche Behandlung erhielten. Außerdem waren etwa 18 von 100 Kindern kleiner und wogen bei der Geburt weniger als erwartet, wenn die Mütter während der Schwangerschaft Topiramat eingenommen hatten, verglichen mit 5 von 100 Kindern von Müttern ohne Epilepsie und ohne Einnahme von Antiepileptika.“ Unter den Fehlbildungen versteht man etwa Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Hypospadien (urogenitale Fehlbildung bei Jungen) [2,4].

Literatur 

[1] Mitteilung der EMA vom 01.09.2023. Meeting highlights from the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) 28-31 August 2023. www.ema.europa.eu/en/news/meeting-highlights-pharmacovigilance-risk-assessment-committee-prac-28-31-august-2023 

[2] Mitteilung des BfArM vom 01.09.2023. Topiramathaltige Arzneimittel: Risiken bei der Anwendung von Topiramat in der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter. www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/s-z/topiramat-schwangerschaft.html 

[3] Mitteilung der EMA vom 01.09.2023. PRAC recommends new measures to avoid topiramate exposure in pregnancy. www.ema.europa.eu/en/news/prac-recommends-new-measures-avoid-topiramate-exposure-pregnancy 

[4] Embryotox-Eintrag zu Topiramat. Abruf 05.09.2023. www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/topiramat/


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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