World Antimicrobial Awareness Week

Antibiotikaresistenzen – ist Europa auf dem richtigen Weg?

Stuttgart - 20.11.2023, 16:45 Uhr

Beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen ist noch viel zu tun. (Abbildung: Weltgesundheitsorganisation)

Beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen ist noch viel zu tun. (Abbildung: Weltgesundheitsorganisation)


Darüber, dass der Zunahme von Antibiotika-Resistenzen die Stirn geboten werden muss, besteht Einigkeit. Aber wie sieht die Lage in der Europäischen Union derzeit aus? Sind ausreichend wirksame Maßnahmen in Kraft, um die selbstgesteckten Ziele für das Jahr 2030 zu erreichen? Anlässlich der aktuell stattfindenden weltweiten Woche der Antimikrobiellen Resistenzen, gibt das Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen – und zeichnet ein gemischtes Bild.

In Europa haben Infektionen mit gegen Antibiotika resistenten Bakterien eine vergleichbar große Auswirkung auf die Gesundheit wie HIV/AIDS, Tuberkulose und Grippe zusammen. Schätzungsweise 35.000 Menschen sterben in den EU-Staaten sowie Norwegen und Island jährlich an solchen schlecht oder nicht mehr antibiotisch behandelbaren Infektionen. Wer sich diese große Zahl nur schwer verdeutlichen kann, dem gibt das Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in seinen Informationsmaterialien anlässlich der vom 18. bis zum 24. November stattfindenden weltweiten Woche der Antimikrobiellen Resistenzen (World Antimicrobial Awareness Week) ein Bild an die Hand: Das sind so viele Personen, wie als Passagiere auf 13 Kreuzfahrtschiffen mitreisen könnten [1].

Das Problem mit den resistenten Bakterien ist also nicht klein – aber auch nicht neu. Ist die EU auf dem richtigen Weg in Sachen Resistenzeindämmung und Einhaltung der Ziele, die sie sich in diesem Jahr für 2030 gesteckt hat? Zu diesen gehören

  • Die Reduktion der Inzidenz von Bakteriämien (bloodstream infections) durch Carbapenem-resistente Klebsiella pneumoniae um 5 %.
  • Die Reduktion der Inzidenz von Bakteriämien (bloodstream infections) durch methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) um 15 %.
  • Die Reduktion der Inzidenz von Bakteriämien (bloodstream infections) durch Escherichia coli, die gegen Cephalosporine der dritten Generation resistent sind, um 10 %.
  • Die Reduktion des Gesamtantibiotikaverbrauches in der Humanmedizin um 20 %.
  • Mindestens 65 % aller bei Menschen eingesetzten Antibiotika sollten der „Access-Gruppe“ angehören (siehe Kasten zur AWaRe-Klassifikation).

Als Basislinie für diese Ziele zählen jeweils die Daten aus dem Jahr 2019 [2].

AWaRe-Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation

Das Akronym AWaRe steht für Access/Watch/Reserve und klassifiziert Antibiotika in drei Gruppen:

Access (zugreifen): Antibiotika dieser Gruppe sind erste oder zweite Wahl bei der empirischen Therapie spezifischer infektiöser Syndrome und haben ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis sowie eine geringere Tendenz Antibiotika-Resistenzen zu erweitern.

Watch (beobachten): Antibiotika dieser Gruppe sind zwar teilweise auch erste oder zweite Wahl bei spezifischen infektiösen Syndromen, einige stellen auch die jeweils bestmögliche Therapieoption dar, haben aber ein größeres Potenzial zur Resistenzbildung.

Reserve (zurückhalten): Antibiotika dieser Gruppe stellen aufgrund multipler Resistenzen die letzte Option dar, bei strenger Indikationsstellung spezifischer infektiöser Syndrome, um ihre fortwährende Effektivität zu gewährleisten [3].

Simon Siuts, Apotheker

Bei einigen der Ziele ist die EU tatsächlich auf einem guten Weg. Die Bakteriämien mit MRSA sind von 2019 auf 2022 um 12,2 % zurückgegangen – was nahe am 15%-Ziel ist. Bei den Bakteriämien durch E.coli ist im selben Zeitraum sogar ein Rückgang von 16,8 % beobachtet worden – das 10%-Ziel ist hier derzeit übererfüllt.

Hinsichtlich der insgesamt in der Humanmedizin eingesetzten Antibiotika sieht der Fortschritt deutlich verhaltener aus. Der Gesamtverbrauch lag 2022 nur 2,5 % unter dem von 2019 und war im Vergleich zu 2021 sogar wieder gestiegen. Das 20%-Ziel liegt somit in weiter Ferne. Die Absicht, dass 65 % der verordneten Antibiotika solche der Access-Gruppe sein sollen, erreichten nur neun Staaten. Der Durchschnitt liegt bei 59,8 %.

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Besondere Sorgen bereitet ECDC-Direktorin Andrea Ammon die sich zuspitzende Situation bei Carbapenem-resistenten Klebsiella pneumoniae. „Die Inzidenz von Blutbahninfektionen mit diesen Bakterien ist zwischen 2019 und 2022 um fast 50 % gestiegen. Dies steht im Widerspruch zu dem Ziel, diese Infektionen bis 2030 um 5 % zu reduzieren. Dies ist eine besorgniserregende Entwicklung, da es nur sehr wenige wirksame Behandlungen für Patienten mit diesen Infektionen gibt“ [2].

Es bleibt also noch einiges zu tun.

Literatur

[1] Antibiotic resistance: a growing threat to human health. Infografik des ECDC vom 17.11.2023, antibiotic.ecdc.europa.eu/en/publications-data/antibiotic-resistance-growing-threat-human-health

[2] Reducing antimicrobial resistance: is the EU progressing towards the 2030 targets? Pressemitteilung des ECDC vom 17.11.2023, www.ecdc.europa.eu/en/news-events/eaad-2023-launch

[3] 2021 AWaRe classification. WHO access, watch, reserve, classification of antibiotics for evaluation and monitoring of use, Stand: 30.09.2021, www.who.int/publications/i/item/2021-aware-classification


Dr. Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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