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Das Ende der November-Proteste – und ihr Fazit? Warme, liebe Glühwein-Worte von der Landespolitik: Wir verstehen euch, wir schätzen euch, wir helfen euch (fragt sich bloß wie?). Und kalter Eistee aus dem Lauterbach-Berlin: Es gibt keine Honorarerhöhung, es fehlt das Geld, lasst uns über Zusatzaufgaben reden. Das sind verbale Minustemperaturen unter dem Gefrierpunkt. Wir brauchen sichtlich deutlich mehr Protest zum Anheizen. Sonst verschwindet unsere Honorarforderung im Permafrost. Und mit ihr viele Apotheken. Der 1. Januar 2024 steht bevor: E-Rezept-Pflicht? Klares Jein. Für die Praxen ist noch nichts verbindlich – das Gesetz dazu wird’s erst im Frühling geben. Bis dahin, wir brauchen eine klare Regelung: Kein Retax bei technischen und formellen E-Rezept-Probleme!
27. November 2023
Es tut sich nichts, weder im Bundesgesundheitsministerium noch im Bundeswirtschaftsministerium, das bekanntlich (noch) für unser Apothekenhonorar zuständig ist: Kein Ministerium sieht sich veranlasst, auch nur irgendetwas pro Erhöhung des Apothekenhonorars zu unternehmen. Diese Handlungsstarre gibt es jetzt sogar schriftlich: Die Unionsfraktion hatte entsprechende Anfragen an die Ministerien gerichtet, die Antworten liegen vor. Neben allgemeinem Blabla und Hinweise auf eine ganzheitliche Betrachtung der Honorare verweist das BMG z. B. auf Sonderumsätze in der Corona-Pandemie, auf das Botendiensthonorar und – bitte festhalten, mein liebes Tagebuch – auf den 50-Cent-Zuschlag fürs Managen der Lieferengpässe. Dreister und unverschämter geht’s nicht mehr. Auch hieran sieht man mal wieder: Null Wertschätzung für die Arbeit der Apotheken. Und ja, eigentlich keimte unlängst ein kleines Hoffnungspflänzchen, als Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck einen Austausch zum Apothekenhonorar hatte. Habeck (kommt aus einer Apothekerfamilie) habe sich mit dem Anliegen beschäftigt, er wolle eine Erhöhung des Apothekenhonorars, außerdem solle die Zuständigkeit fürs Honorar künftig ans BMG gehen, ließ Habeck wissen. Mein liebes Tagebuch, mehr als heiße Luft, Phrasen und Politikergeschwätz war das nicht. Fazit: Von Habeck wird dazu nichts kommen und Lauterbach bewegt sich in Sachen Apothekenhonorar trotz Apothekenproteste keinen Millimeter.
Geld fürs Sponsoring von Bundesparteitagen? Nicht von der ABDA – so war es Usus in den vergangenen Jahren. Warum sollte man Parteien mit Apothekergeld unterstützen, um dann nicht einmal Wertschätzung für die Arbeit der Apotheken zu bekommen und sogar mit apothekenfeindlichen Gesetzen abgestraft zu werden? So oder ähnlich mag jahrelang die Denke gewesen sein. Tja, mein liebes Tagebuch, die Abwesenheit der ABDA haben andere dann genüsslich ausgekostet, zum Beispiel der EU-Versender DocMorris, der auf vielen Parteitagen präsent war und seine Lobbyarbeit kräftig vorantreiben konnte. Der Stopp fürs ABDA-Sponsoring hat nun ein Ende. Wie die ABDA auf Nachfrage erklärte, habe man sich bereits im Sommer dazu entschieden, wieder auf den Bundesparteitagen bestimmter (nicht aller) Parteien vertreten zu sein. Man habe ein neues Konzept zum grundsätzlichen Umgang mit Bundesparteitagen erarbeitet, das vor einigen Wochen vom Geschäftsführenden Vorstand bestätigt worden sei, hieß es. Jüngste Aktionen: Der ABDA-Vorstand hat beschlossen, noch in diesem Jahr auf den Parteitagen der Grünen und der SPD mit einem Stand präsent zu sein. So bereits geschehen auf dem Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe. Den ABDA-Stand – 13.000 Euro wurden für diese Präsenz von der ABDA an die Grünen gezahlt – haben in Karlsruhe Landesapothekerkammer und Landesapothekerverband Baden-Württemberg gemeinsam betreut. Wie zu erfahren war, haben dort Gespräche mit Habeck, Özdemir, Klein-Schmeinck und Piechotta stattgefunden. Auch auf dem SPD-Parteitag im Dezember wird die ABDA, so die Ankündigung, mit einem Stand vor Ort sein. Mein liebes Tagebuch, auch wenn es für die eine oder den anderen nicht sofort ersichtlich ist: Miteinander reden, im Gespräch bleiben ist allemal besser als die Türen geschlossen zu halten. Und vor allem darf man das Feld, auf dem man Politikern unmittelbar ins Gespräch kommen kann, auf keinen Fall anderen überlassen. Sponsoring, Präsenz vor Ort – ja, ein Muss.
28. November 2023
Für die Apothekerkammer Hamburg ein historisches Datum: Am 27. November 2023 trat die Kammerversammlung der Apothekerkammer Hamburg zum letzten Mal als Vollversammlung zusammen. Künftig wird es dort wie in den anderen Kammerbezirken auch eine Delegiertenversammlung geben. Die Versammlung war auch die letzte Amtszeit des Vorstands. Die Wahl für die kommende Delegiertenversammlung läuft an, es gibt genügend Kandidatinnen und Kandidaten, war zu vernehmen. Verabschiedet wurde noch eine Senkung des Kammerbeitrags (wo gibt’s heute noch sowas!) und der bisherige Kammerpräsident Kai-Uwe Siemsen erklärte, dass er nach einer Wahl als Delegierter auch wieder als Kammerpräsident kandidieren werde. Mein liebes Tagebuch, dann kann’s munter in Hamburg weitergehen.
Das Lieferengpassgesetz (ALBVVG) hat zwar so gut wie nichts bei einer Verbesserung der Lieferengpässe gebracht. Aber für die Apotheken waren immerhin drei Verbesserungen mit im Gepäck: die dauerhafte Festlegung der vereinfachten Austauschregelung für Arzneimittel, der Wegfall einiger unverhältnismäßiger Retaxgründe und das Ende der Präqualifizierungsverfahren bei apothekenüblichen Hilfsmitteln. Wie schön, mein liebes Tagebuch, endlich weitgehend Schluss mit der unsäglichen Präquali und ihrer Bürokratie. Doch Halt! So schnell geht’s damit nicht. Bevor wir Apothekers uns wirklich übers Präquali-Aus freuen können, müssen sich noch der Deutsche Apothekerverband (DAV) und die GKV-Spitzenverband darauf einigen, bei welchen Hilfsmitteln keine Präqualifizierung mehr notwendig ist, also welche Hilfsmittel als „apothekenüblich“ gelten. Wann diese Einigung kommen wird, steht bei diesen Verhandlungspartnern wie immer in den Sternen. Und bis dahin gilt, genau, die Präqualifizierung mit allem Bürokratie-Gedöns und den Überwachungsaudits. Mein liebes Tagebuch, es ist zum Mäusemelken.
Nur so mal für den Hinterkopf: Der EU-Versender DocMorris setzt nach wie vor voll aufs E-Rezept! Wie aus dem Interview des Schweizer Wirtschaftsportals cash.ch mit dem DocMorris-CEO Walter Hess hervorgeht, spekuliert der Versender auch in Deutschland auf den Löwenanteil des zukünftigen Online-Marktes für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Mein liebes Tagebuch, man muss sich das immer wieder vergegenwärtigen: Für ein Online-Unternehmen ist der Online-Zugang, die Online-Bestellung das A und O, hier also das elektronische Rezept. Die Schätzungen des DocMorris-Chefs: Er geht davon aus, dass etwa 10 Prozent der Rezepte bei Online-Anbietern eingelöst werden. Und klar, ein „relevant hoher Marktanteil“ wird bei DocMorris landen. Mein liebes Tagebuch, ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Versender Anfang des kommenden Jahres eine massive Werbekampagne fürs E-Rezept machen wird. Kann die kleine Vor-Ort-Apotheke hierzulande dagegen halten? Sie kann. Wenn Sie die Chancen nutzt: Den Patientinnen und Patienten immer wieder deutlich machen, wie einfach es ist, mit der elektronischen Gesundheitskarte die E-Rezepte einzulösen. Und auf eine Online-Vorbestellung, den Botendienst mit Lieferung am selben Tag und Zusatzleistungen (pDL) hinweisen. Außerdem gibt’s Freundlichkeit von Mensch zu Mensch und Empathie in der Apotheke. Das alles können Versender nicht.
29. November 2023
Protesttag, der Letzte, dieses Mal im Osten mit Kundgebung in Dresden. Rund 3000 Apothekers und Teams aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin versammelten sich auf dem Theaterplatz vor der Semper-Oper. Und viele Apotheken blieben geschlossen. Thomas Dittrich, Chef des Sächsischen Apothekerverbands wurde deutlich: „Zurückhaltung, stilles Klagen und freundliches Bitten war gestern“, ein „Weiter so“ sei nicht mehr möglich. Es sei Zeit für „drastische Maßnahmen“ – welche das sein sollen, ließ er offen. Und er prangerte an, dass beim Fixum der Apotheken seit Jahren Stillstand herrscht und dass es keine Honoraranpassung an die Kostenentwicklung gibt. Neben den niedrigen Honoraren und Lieferengpässen ist bei den Protestierenden vor allem die Personalnot ein dringliches Thema und damit verbunden die viel zu niedrige Zahl an Studien- und Ausbildungsplätzen. PTA und PKA fühlen sich als „Pharmazeutisch Technische Ausgebeutete“, wie auf Plakaten zu lesen war. Die anwesenden Politikerinnen und Politiker übten Kritik an Lauterbach, je nach Parteizugehörigkeit unterschiedlich stark. Alle zeigten jedoch großes Verständnis für die Forderungen der Apothekenteams. Robert-Martin Montag von der Thüringer FDP sagte sogar: Der „Blick nach Berlin tut weh“ und das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sei „ein Fehler“ gewesen. Mein liebes Tagebuch, auch hier wieder das Phänomen: Die Politik auf Landesebene schaut mit ganz anderen Augen auf die Apotheken vor Ort als die Politikerriege in Berlin.
Das Medienecho auf die Proteste im Osten blieb leider überschaubar. Ja, der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete, die dpa und die regionalen Blätter. Die Süddeutsche griff das Thema aus dem dpa-Kanal auf. Also, mittlerweile haben wohl viele Menschen in Deutschland von den Apothekerprotesten gehört. Fein! aber nun? Jetzt geht’s ran an die Politik in Berlin – die härteste Nuss. Und sie scheint aus Stahlbeton zu sein.
Der 1. Januar 2024 naht – der Tag, ab dem das E-Rezept Pflicht werden soll. Bundesweit. Wirklich? Ist das tatsächlich so? Klares Jein. Das Digitalgesetz, mit dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach u. a. das E-Rezept endgültig verbindlich machen will, steckt derzeit noch im parlamentarischen Verfahren. Wenn alles glatt läuft, könnte es am 14./15. Dezember vom Bundestag verabschiedet werden. Der Bundesrat könnte es dann frühestens am 22. Februar auf seine Tagesordnung setzen. Und dann könnte das Gesetz in der letzten Februarwoche in Kraft treten. Frühestens. Nun ja, es muss ja alles seine Ordnung haben. Das heißt letztlich aber auch, rechtlich bindend ist der 1.1.24 nicht. Für Arztpraxen ist dieser Termin erst recht nicht bindend. Ihnen droht zwar eine Honorarkürzung von einem Prozent, wenn sie keine E-Rezepte ausstellen, allerdings erst zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Bis dahin vergehen noch Monate… Mein liebes Tagebuch, das E-Rezept – ja, es kommt, immer noch, voraussichtlich dann irgendwann im Frühling. Aber irgendwie bleibt es auch eine urdeutsche digitale Schmunzelnummer.
Wie in fast allen Bundesländern: Die Landespolitik – anders als die Bundespolitik – steht auf der Seite der Vor-Ort-Apotheken, hat volles Verständnis für die Sorgen und Nöte und plädiert vielerorts auch für eine Honoraranpassung. Das zeigte sich in nahezu allen Grußworten und Statements, die Landesgesundheitspolitiker auf den Protesttagen überbrachten. Das Thüringer Gesundheitsministerium prescht nun sogar mit einer Förderung für die Niederlassung von Apotheken im ländlichen Raum vor: Der Freistaat (in Thüringen regiert ein Bündnis aus Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen) will neue Apotheken auf dem Land mit bis zu 40.000 Euro fördern. „Die flächendeckende und bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung in Thüringen ist ein zentrales Anliegen der Thüringer Landesregierung“, sagt die Thüringer Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke). Fein, mein liebes Tagebuch, so eine Förderung klingt erstmal gut. Aber mehr als ein nettes Zeichen ist das letztlich nicht. Denn „bis zu 40.000 Euro“ sind nicht die Welt für eine Apothekenneugründung. Außerdem gilt die Förderung nur fürs Land und unter bestimmten Bedingungen (dort, wo im Umkreis von 6 Fahrtkilometern keine weitere Apotheke betrieben wird, das Einwohnerverhältnis in der Gemeinde bei nicht weniger als 3.500 pro Apotheke liegt und mindestens eine Allgemeinarztpraxis oder hausärztlich tätige Facharztpraxis in der Gemeinde vorhanden ist). Das wird nicht für allzu viele Orte zutreffen und wer will dieses Risiko schon eingehen? Es bleibt die Frage auch an die Thüringer Politiker: Wie hilft man den bestehenden Apotheken, damit nicht noch mehr schließen?
30. November 2023
Die Apotheken-Protestwelle im November ist zu Ende. Was hat’s gebracht? Kamen die Nöte und Forderungen der Apotheken in der Politik an? Ein erstes Fazit: Auf Landesebene stellte sich die Politik hinter die Apotheken, sie überbrachte viele warme Worte und zeigte Verständnis. Viele, nicht alle, Politikerinnen und Politiker wollen auch die Forderungen nach einem höheren Honorar und weniger Bürokratie unterstützen. So weit, so gut. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, wie viel davon in Berlin ankommen wird. Lauterbach jedenfalls hat sich von den Protesten überhaupt nicht beeindrucken lassen. Er will seine Apothekenreform durchziehen. Und was ist mit mehr Honorar? Dafür ist kein Geld da, so Lauterbach, liebe Apothekerinnen und Apotheker, dafür müssen Sie doch bitte Verständnis haben. Nein, mein liebes Tagebuch, das haben wir nicht!
1. Dezember 2023
Rahmenvertrag kündigen! Diese Forderung war in den letzten Woche immer wieder zu vernehmen. Auch vor dem Hintergrund, endlich mehr Druck auf die Politik auszuüben, um der Honorarforderung mehr Power zu verleihen und auch die Retaxationen wegzubekommen. Klingt auf den ersten Blick super gut. Aber, ist das auch realistisch? Was bedeutet es, den Rahmenvertrag zu kündigen, was wären die Folgen? Und wie sieht die Lage danach aus? Sicher herrscht nicht Anarchie – viele Regelungen sind gesetzlich vorgegeben. Und die Vertragsparteien wären gezwungen, einen neuen Rahmenvertrag zu verhandeln – Ausgang vollkommen ungewiss. Ebenso unsicher wäre es, ob ein besseres Ergebnis zustande kommt. Die Schiedsstelle lässt grüßen. Mein liebes Tagebuch, wer sich in dieses Szenario vertiefen möchte, dem sei dieser Beitrag empfohlen.
Wie ist das eigentlich mit dem E-Rezept und möglichen Retaxationen, wenn noch nicht alles perfekt läuft, wenn es zu technischen und formellen Pannen kommt? Auf der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern war dies ein Thema. Der Chef dieses Verbands, Axel Pudimat, meinte, bei den E-Rezepten habe man den Eindruck, „man arbeitet auf einer Baustelle“. Da hat er nicht Unrecht. Längst läuft nicht alles rund, mit der steigenden Zahl der E-Rezepte zeigen sich auch mehr technische Probleme und Ausfälle. Das E-Rezept werde damit zu einem zusätzlichen Unsicherheitsfaktor, erklärte Pudimat. Der Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern verabschiedete daher eine Resolution: Die Krankenkassen werden aufgefordert, Retaxationen aufgrund von formalen und technischen Fehlern bei E-Rezepten rechtssicher auszuschließen. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig! technische und formelle E-Rezept-Probleme, welcher Art auch immer, dürfen nicht dazu führen, dass sie die Apotheke ausbaden muss. Da muss eine klare Regelung her!
6 Kommentare
Ran an die Politik !
von Reinhard Rodiger am 03.12.2023 um 23:25 Uhr
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Rahmenvertäge kündigen.Jetzt!
von Dr. Radman am 03.12.2023 um 17:43 Uhr
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Mein liebes Tagebuch
von Bernd Haase am 03.12.2023 um 11:54 Uhr
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AW: Mein liebes Tagebuch
von Michael Reinhold am 03.12.2023 um 14:36 Uhr
Quo vadis ?
von Ulrich Ströh am 03.12.2023 um 8:49 Uhr
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von Anita Peter am 03.12.2023 um 7:45 Uhr
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