Urteil des Landessozialgerichts NRW

Bei Rezepturen wird die volle Packung fällig

Berlin - 18.01.2024, 16:15 Uhr

Was passiert, wenn für eine Rezeptur nur die Teilmenge eines Fertigarzneimittels verwendet wird? (Foto: ABDA)

Was passiert, wenn für eine Rezeptur nur die Teilmenge eines Fertigarzneimittels verwendet wird? (Foto: ABDA)


Was muss eine Krankenkasse für ein Fertigarzneimittel bezahlen, das in einer Rezeptur verwendet, aber nicht ganz aufgebraucht wird? Nur die eingesetzte Teilmenge, meint die AOK NordWest. Die ganze Packung, findet eine Apotheke aus Westfalen-Lippe – und mit ihr der Landesapothekerverband. Nun verkündet der Verband einen juristischen Erfolg für die Apotheke.

Stellt eine Apotheke eine Rezeptur her und verarbeitet dabei ein Fertigarzneimittel, kann sie die kleinstmögliche Packung, die sie für die Herstellung dieser Rezeptur benötigt, komplett mit der Krankenkasse abrechnen – selbst wenn sie nur einen Teil davon verwenden muss. Das hat laut einer Pressemitteilung des Landesapothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) das Landessozialgericht NRW entschieden – und damit das vorinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Münster bestätigt.

Retax von der AOK NordWest

Gestritten hatten die AOK NordWest und eine Apotheke aus Westfalen-Lippe: Die Kasse war der Ansicht, dass nur entsprechend der tatsächlich verwendeten Menge der anteilige Arzneimittelpreis berechnet werden dürfe und hatte die Apotheke deshalb im Jahr 2018 retaxiert. Das ließ sich die Apotheke jedoch nicht gefallen. Der Fall landete vor Gericht.

Der Streitwert lag laut AVWL bei 112,06 Euro – doch der Verband ist überzeugt, dass es um viel mehr geht und die Entscheidung über den konkreten Fall Bedeutung haben kann. Daher hat er die klagende Apotheke in diesem Verfahren unterstützt. 

„Dieses Urteil ist ein weiterer Schritt dahin, dass Apotheken vor Ort Klarheit in Abrechnungsfragen bekommen“, erklärt der AVWL-Vorsitzende Thomas Rochell. Es trage der Lebenswirklichkeit in Apotheken Rechnung, die schließlich unmöglich für die Versicherten von 96 verschiedenen Krankenkassen angebrochene Arzneimittelpackungen lagern könnten. Auch sichere es die Qualität der Patientenversorgung, wenn alte Anbrüche nicht weiter verwendet werden müssten. Es verhindere zudem, dass Rezepturen komplett unwirtschaftlich werden, weil Apotheken Fertigarzneimittel nur anteilig berechnen können und der Rest ohne Erstattung verfällt. „Nicht zuletzt stärkt es das Prinzip der Gleichpreisigkeit von Arzneimitteln auf allen Handelsstufen und damit zugleich die Apotheken vor Ort“, betont Rochell. 

Was ist die erforderliche Packungsgröße?

Gerungen wurde um die Auslegung von § 5 Abs. 2 der Arzneimittelpreisverordnung: Demnach ist bei Fertigarzneimitteln der Einkaufspreis der erforderlichen Packungsgröße maßgebend. Wie es in der Mitteilung des AVWL heißt, wies das Landessozialgericht in der mündlichen Begründung seines am Mittwoch ergangenen Urteils darauf hin, dass sich in diesem Wortlaut die Argumentation der AOK, nur der anteilige Einkaufspreis sei zu berechnen, nicht wiederfinde. Die Urteilsgründe liegen allerdings noch nicht vor.

„Damit ist das Gericht unserer Argumentation gefolgt“, sagt Stefanie Elpers, die als Mitglied der Geschäftsführung für den AVWL den Prozess begleitet hat. „Es darf auch nicht sein, dass das wirtschaftliche Risiko bei der Herstellung einer Rezeptur unter Verwendung eines Fertigarzneimittels allein in der Apotheke liegt“.

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Die Revision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen.

Landessozialgericht NRW, Urteil vom 17. Januar 2023, Az: L 10 KR 701/22


Deutsche Apotheker Zeitung
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