Filialapothekentag

„Filialisierung ist eine Erfolgsstory“

Stuttgart - 12.03.2024, 11:45 Uhr

Peter Ditzel zog zum Abschluss des Filialapothekentages ein Resümee aus 20 Jahren Filialisierung. (Foto: Moritz Hahn / DAZ)

Peter Ditzel zog zum Abschluss des Filialapothekentages ein Resümee aus 20 Jahren Filialisierung. (Foto: Moritz Hahn / DAZ)


Am vergangenen Samstag war die letzte Online-Veranstaltung der INTERPHARM 2024: der Filialapothekentag. DAZ-Herausgeber Peter Ditzel zog Bilanz aus 20 Jahren Filialisierung im Apothekenwesen.

Peter Ditzels Resümee aus 20 Jahren Filialisierung fällt eindeutig aus: „Die Filialisierung ist eine Erfolgsstory.“ Die Möglichkeit, Filialapotheken zu betreiben, habe sich bewährt und dazu beigetragen die Versorgung zu sichern. 

Doch die Haltung gegenüber Filialen war nicht immer so positiv – ganz im Gegenteil. Das zeigt Ditzels Rückblick, der selbst Apotheker ist: „Das GMG war der Big Bang, mit dem das Apothekenwesen konfrontiert war,“ sagte er. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) wurde 2004 das Honorar auf das heutige System mit Fixum plus prozentualen Aufschlag umgestellt, die Preisbindung für OTC aufgehoben, Festbeträge eingeführt, der Versandhandel zugelassen und als „Sahnehäubchen für die Apothekerschaft“ der Besitz von bis zu drei Filialen erlaubt. Standespolitiker und Juristen sagten den Untergang des Apothekenwesens voraus, berichtete Ditzel. Die FAZ stellte sogar die Frage, ob man Apotheken überhaupt brauche. „Der Aufschrei ist heute kaum vorstellbar.“ 

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Dabei hätte es viel schlimmer kommen können. Das politische Ziel Anfang der 2000er Jahre sei gewesen, den Mehr- und Fremdbesitz bei Apotheken zulassen. Das sei der Zeitgeist gewesen, so Ditzel. Zudem suchte man nach Einsparmöglichkeiten. Er zitierte den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der 2002 in einem Interview sagte, „Wenn es Drogerieketten gibt, muss es auch Apothekenketten geben können.“ Seine Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) soll gefragt haben, warum eigentlich nicht Apotheker und Nicht-Apotheker jeweils mehrere Apotheken betreiben können sollten. „So nah am Falle des Fremd- und Mehrbesitzverbotes wie damals befand sich die deutsche Apothekerschaft noch nie,“ stellte Ditzel fest. Letztendlich hätten sich aber die Staatssekretäre mit der Aufhebung des Fremdbesitzverbots nicht anfreunden können und auch nicht mit dem Wegfall des Mehrbesitzverbots.

ABDA war skeptisch gegenüber Filialisierung

2003 sei dann ein Eckpunktepapier vorgelegt werden, berichtete Ditzel weiter. Das sah eine „Aufhebung des Mehrbesitzverbots bei gleichzeitiger Gewährleistung wohnortnaher Versorgung“ vor. Konkret sollten fünf Apotheken pro Apotheker erlaubt sein – so wollte man Kettenbildung durch den Großhandel vorbeugen. Ein Labor sei aber nur für die Hauptapotheke vorgesehen gewesen. Die Apothekerschaft, allen voran die ABDA, sah darin die Abkehr vom Leitbild des persönlich haftenden Apothekers in seiner Apotheke. Es gab große Zweifel, ob in solchen „Kleinketten“ Angestellte, die nicht vollumfänglich persönlich haften, den Job mit der gleichen Sorgfalt und dem gleichen Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Patienten ausführen wie Inhaber. Man befürchtete ein niedrigeres Niveau an Sorgfalt und Verantwortung. Auch glaubte man nicht, dass Inhaber in der Lage seien, die Filialen persönlich zu leiten. Zudem gab es wohl die Auffassung, dass Fremd- und Mehrbesitzverbot untrennbar miteinander verbunden seien. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei nur ein striktes Fremd- und Mehrbesitzverbot möglich oder die Zulassung von Apothekenketten ohne Beschränkung der Qualifikation des Inhabers und der Apothekenzahl, so die Meinung vieler Juristen.

Letztendlich sei es dann auf den bekannten Mittelweg mit drei Filialen, aber ohne Fremdbesitz rausgelaufen, so Ditzel. Woher die Zahl drei stammt, sei übrigens nicht bekannt.

Drei Filialen, aber kein Fremdbesitz

Dieser Mittelweg kam bei vielen Kollegen gut an, insbesondere bei den Familiendynastien, berichtete er. Er habe eine gewisse Goldgräberstimmung geherrscht. Niemand wollte zu den Verlierern gehören. Auf der anderen Seite wollte sich aber auch keiner einen teuren Klotz ans Bein binden. Es sie schließlich Neuland gewesen. Die ABDA hingegen sah dies deutlich negativer. Sie befürchtete bei den damals etwas über 21.000 Apotheken die Neugründung von 16.000 Filialen, sowie steigende Kaufpreise und einen erschwerten Einstieg in die Selbständigkeit. Überhaupt glaubte die Standesvertretung nicht, dass Filialen sich lohnen. Erst Jahre später ist sie von der negativen Haltung gegenüber Filialen abgerückt. Die Adexa hingegen sah in der Möglichkeit als Filialleitung zusätzliche Verantwortung zu übernehmen eine Chance für die Angestellten.

Die geäußerten Befürchtungen haben sich Ditzel zufolge aber nicht bewahrheitet. Es habe keine ungebremste Zunahme an Filialen gegeben und auch keine Tendenzen in Richtung vollkommenen Aufgabe des Mehrbesitzverbotes. Ebenso wenig sei die befürchtete Überforderung der Inhaber eingetreten. Das Konzept der Filialisierung hat sich in Ditzels Augen bewährt. Möglicherweise hätten Filialen sogar Fremdbesitz verhindert. „Wer weiß, was die Politik sich sonst ausgedacht hätte, um die Lücken in der Apothekenlandschaft zu schließen,“ so Ditzel zum Abschluss seines Vortrags


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Bilanz

von Dr. House am 12.03.2024 um 12:04 Uhr

Kann man das > 10 jährige stetige Apothekensterben wirklich aus dieser Bilanz einfach so ausklammern? Seit 2 Jahren läufts auch für die Filialen schlechter. 11% aller Apotheken schreiben rote Zahlen, schon am Ende dieses Jahres wohl eher 20%.
Den berühmten Satz: „Es hätte schlimmer kommen können“ unterschreibe ich nicht länger. Mittlerweile wäre es mir lieber, die Schröderregierung hätte 2002 einen radikalen Schlussstrich der inhabergeführten Apotheken gezogen. Das wäre weniger bitter, als den jetzigen jungen Nachwuchspharmazeuten zusehen zu müssen, wie sie sich für nen Appel und nen Ei mit einem Filialverbund ins Unglück stürzen. Wir bekommen keinen reinen Wein eingeschenkt (die Politikmaskottchen der SPD und CDU lassen sich ja zu Hauf in Apotheken ablichten, während sie etwas von Planungssicherheit faseln), wir bekommen ja noch nicht mal eine anständige Palliativversorgung. Wir werden einfach unter immer mehr Aufgaben und Bürokratie ausbluten gelassen und verenden dann sang- und klanglos am Straßenrand. Ich weiß nicht, welche blinde Hoffnung solch ein Artikel schüren soll. Gesunden Optimismus, den ich persönlich befürworte, lese ich hier jedenfalls nicht heraus

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Bilanz

von Anita Peter am 12.03.2024 um 12:18 Uhr

In der Blase und unter dem Stein lebt es sich besonders gemütlich.

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