Wie groß ist der reale Nutzen einer Behandlung?
Gibt also der Pharma-Markt Herstellern zu viel Freiraum? Für den Autor selbst liegt die Antwort auf der Hand. Schaaber begann in den 1980er-Jahren für die BUKO-Pharma-Kampagne zu arbeiten. Seitdem verfolgt er die globalen Fehltritte der Industrie, repräsentiert Magazine wie „Gute Pillen – Schlechte Pillen“ und pflegt Kontakte zu Expert*innen, die sich weltweit mit der Branche auseinandersetzen. Sein Buch bündelt diese Erfahrungen zu einer Art kritischem Manifest der modernen Pharmaindustrie. Das ist selbst dann gut zu lesen, wenn der Autor ins Detail geht.
Für lukrative Erkrankungen wie etwa Krebs hat die Pharma-Branche in den letzten Jahrzehnten Durchbrüche generiert. Auch diesen Punkt nimmt Schaaber zum Anlass der Kritik. Er zeichnet nach, wie es die Branche perfektioniert hat, Geld aus den Gesundheitssystemen zu ziehen. Hersteller patentgeschützter Arzneimittel wissen, was wohlhabende Gesundheitssysteme bereit sind, etwa für Krebsbehandlungen auszugeben. Das prägt den Fokus ihrer Arbeit und den Preis neuer Mittel. Den kostspieligen Teil der Arbeit, wie die Grundlagenforschung und immer öfter die Wirkstoffentwicklung selbst, überlassen sie Universitäten oder Ländern mit geringeren Löhnen. Im Optimalfall kaufen sie dort einen weit entwickelten Kandidaten auf. Nun müssen sie „nur“ noch die Zulassungsstudie und Patente auf den Weg bringen. Das Resultat sind hohe Gewinne, über die sich Privatanleger und Banken freuen.
Auch Apotheken profitieren teils von den „Hochpreisern“. Für sie birgt der Umgang mit teuren Arzneimitteln zwar ein Risiko. Doch wer es eingehen kann und sein Geschäftsmodell darauf optimiert, wird mit gutem Umsatz belohnt. Doch auch die Apotheken spüren, dass das System an seine Grenze stößt. Krankenkassen knicken unter den steigenden Arzneimittelausgaben ein. Sparmaßnahmen werden immer nötiger. Doch sie treffen nur selten die Hersteller patentierter Arzneimittel, sondern zuerst die Infrastruktur. Für Apotheken schwindet die Hoffnung, die Politik zu einer Honoraranpassung zu bewegen.
Nur für eine Lösung scheinen sich politische Mehrheiten zu finden: mehr Bürokratie für diejenigen, die „Hochpreiser“ zu den Patienten bringen. Schaaber schlägt konkrete politische Gegenmaßnahmen vor. Den Patienten unter seinen Lesern gibt er einen Rat: „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker – nicht nur zu Nebenwirkungen, sondern auch zum realen Nutzen der Behandlung.“ Auf welcher Seite des Spieltisches möchten Apotheken sitzen? Vielleicht hilft das Buch bei der Entscheidung.
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