Urteil des LSG-Baden-Württemberg

Den Rezepturzuschlag gibt es nur einmal pro Rezept

Berlin - 03.04.2024, 15:15 Uhr

Die Vergütung von in einer Apotheke aseptisch hergestellten Augentropfen hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg beschäftigt.  (Foto: NorGal / AdobeStock)

Die Vergütung von in einer Apotheke aseptisch hergestellten Augentropfen hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg beschäftigt.  (Foto: NorGal / AdobeStock)


Für die aseptische Herstellung von Arzneimitteln wie Augentropfen erhalten Apotheken einen Rezepturzuschlag von 8 Euro. Aber gibt es diesen Zuschlag pro Verordnung oder – wenn auf einem Rezept mehrere Fläschchen verordnet sind – pro Applikationseinheit? Dazu hat jetzt das Landessozialgericht Baden-Württemberg ein Urteil gesprochen.

Im Mai 2017 wurden zuletzt die Rezepturzuschläge in der Arzneimittelpreisverordnung (§ 5 AMPreisV) angepasst. Seitdem erhalten Apotheken beispielsweise für die Anfertigung von Arzneimitteln mit Durchführung einer Sterilisation, Sterilfiltration oder aseptischen Zubereitung bis zur Grundmenge von 300 g oder das Zuschmelzen von Ampullen bis zur Grundmenge von 6 Stück einen Zuschlag von 8 Euro.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat sich kürzlich mit Fragen dieses Rezepturzuschlags befasst. Dabei ging es um einen Sachverhalt, der sich im Jahr 2015 abgespielt hat – damals betrug besagter Zuschlag noch 7 statt der heutigen 8 Euro. Konkret ging es um 15 ärztliche Verordnungen für jeweils mehrere Einheiten (sechs bis maximal zwölf Fläschchen à 5 ml) wässriger Ciclosporin-Augentropfen. Diese wurden in der Apotheke hergestellt, abgegeben und abgerechnet. Die Apothekerin, die spätere Klägerin im Verfahren, rechnete gegenüber der Krankenkasse jeweils unter anderem den 7-Euro-Rezepturzuschlag ab – und zwar für jede hergestellte Einheit (Fläschchen) einmal.

Die Krankenkasse zahlte zunächst – dann beanstandete sie jedoch zwischen September 2015 und Juni 2016 nach und nach die Abrechnungen für diese Rezepte. Letztlich machte sie insgesamt eine Rückforderung in Höhe von 844,62 Euro geltend. Der Grund: Die Apothekerin habe den Rezepturzuschlag nicht pro Fläschchen, sondern nur einmal pro Verordnung berechnen dürfen. In der Folge rechnete die Kasse die Forderung mit unstreitigen Vergütungsforderungen der Apotheke auf.

Klägerin: Rezepturzuschlag knüpft an einzelne Rezeptur

Die Apothekerin erhob daraufhin Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Sie ist überzeugt, dass der Wortlaut des § 5 AMPreisV klar ist: Bei unter aseptischen Bedingungen hergestellten Augentropfen falle der Rezepturzuschlag in Höhe von 7,00 Euro einmal je hergestellter Zubereitung (hier: je Fläschchen) an. Der Begriff Rezepturzuschlag setze bei der Rezeptur an – nicht bei der Verordnung. Hätte der Verordnungsgeber gewollt, dass der Zuschlag nur einmal je Rezept anfalle, so hätte er dies im Wortlaut des § 5 AMPreisV entsprechend formuliert, argumentierte die Klägerin. Überdies: Mit dem Rezepturzuschlag werde der Herstellungsaufwand der Apotheke vergütet – falle dieser mehrfach an, müsse er auch mehrfach vergütet werden.

§ 5 Abs. 3 AMPreisV

Der Rezepturzuschlag beträgt für

1.die Herstellung eines Arzneimittels durch Zubereitung aus einem Stoff oder mehreren Stoffen bis zur Grundmenge von 500 g,
die Anfertigung eines gemischten Tees, Herstellung einer Lösung ohne Anwendung von Wärme, Mischen von Flüssigkeiten bis zur Grundmenge von 300 g
3,50 Euro,
2.die Anfertigung von Pudern, ungeteilten Pulvern, Salben, Pasten, Suspensionen und Emulsionen bis zur Grundmenge von 200 g,
die Anfertigung von Lösungen unter Anwendung von Wärme, Mazerationen, Aufgüssen und Abkochungen bis zur Grundmenge von 300 g
6,00 Euro,
3.die Anfertigung von Pillen, Tabletten und Pastillen bis zur Grundmenge von 50 Stück,
die Anfertigung von abgeteilten Pulvern, Zäpfchen, Vaginal-Kugeln und für das Füllen von Kapseln bis zur Grundmenge von 12 Stück,
die Anfertigung von Arzneimitteln mit Durchführung einer Sterilisation, Sterilfiltration oder aseptischen Zubereitung bis zur Grundmenge von 300 g,
das Zuschmelzen von Ampullen bis zur Grundmenge von 6 Stück
8,00 Euro.

Das Sozialgericht ließ sich nicht überzeugen und wies die Klage ab. Für den Rezepturzuschlag komme es auf die Herstellung eines Arzneimittels an – dies ergebe sich aus § 5 Abs. 3 Nr. 1 AMPreisV. Der Bezug zwischen einem Arzneimittel und einer Verordnung werde aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) deutlich, wo es heiße, dass ein Arzneimittel, das aufgrund einer Verordnung hergestellt werde, der Verschreibung entsprechen müsse. Entscheidend sei die Zubereitung an sich – nicht jedoch in welcher Form diese dann abgegeben werde. Dies zeige auch die Regelung zu den Ampullen (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 Var. 4 AMPreisV), die davon ausgehe, dass trotz gesondert angefertigter und dann auch so abgegebener Ampullen nicht für jede einzelne der Rezepturzuschlag anfalle. Zwar fehle in § 5 Abs. 3 Nr. 3 Var. 3 AMPreisV eine entsprechende Regelung zu einzeln abgegebenen Einheiten. Durch die stattdessen festgelegte Grundmengenstaffelung der Zubereitung werde aber deutlich, dass es nicht entscheidend darauf ankommen könne, wie diese Menge am Ende auf einzelne Dosen aufgeteilt wird. 

Sozialgericht verweist auf Hilfstaxe

Hätte der Verordnungsgeber gewollt, dass der Rezepturzuschlag nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 Var. 3 AMPreisV pro hergestellte Einheit anfalle, so hätte er eine Regelung treffen können, wie für den Rezepturzuschlag für parenterale Zubereitungen in der Anlage 3 der Hilfstaxe. Das Sozialgericht räumte dabei durchaus ein, dass die Herstellung aseptischer und parenteraler Zubereitungen ähnlich aufwendig ist. Vor dem Hintergrund der in der Anlage 3 der Hilfstaxe vereinbarten höheren Zuschläge, sei eine entsprechende Änderung der Arzneimittelpreisverordnung zu wünschen. Das Gericht können sich über die geltenden Bestimmungen indes nicht hinwegsetzen.

Apothekerin legt Berufung ein

Die Apothekerin legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein – hatte allerdings auch vor dem Landessozialgericht (LSG) keinen Erfolg. Der zuständige Senat holt in seinem Ende Januar ergangenen Urteil weit aus und legt die besonderen Vergütungsregeln und Retaxmöglichkeiten der Kassen detailliert dar. Er zeigt auch auf, welche Möglichkeiten Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband haben, Vereinbarungen abseits der Regelungen des § 5 AMPreisV zu treffen – wie bei der Hilfstaxe für bestimmte Rezepturen geschehen. Allerdings: Eine Regelung für die hier streitgegenständlichen Augentropfen wurde nicht getroffen, sodass für die Berechnung eines Zuschlags § 5 Abs. 1 und Abs. 3 AMPreisV maßgeblich bleibt.

Auslegung eng am Wortlaut...

Und diese Norm ist bezüglich der aseptischen Zubereitung (von Augentropfen) „zur Überzeugung des Senats dahingehend auszulegen, dass unabhängig von der konkreten Anzahl der hergestellten applikationsfertigen Einheiten bis zur Grundmenge von 300 g je Verordnung ein einmaliger Rezepturzuschlag von 7,00 Euro zu berücksichtigen ist“. Die Vergütungsregelungen seien eng am Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen.

...mit anderem Ergebnis

Auch für das LSG ist die „Zubereitung“ der maßgebliche Begriff. Denn § 5 Abs. 1 AMPreisV knüpft den Rezepturzuschlag an die „Abgabe einer Zubereitung aus einem Stoff oder mehreren Stoffen, die in Apotheken angefertigt wird“ an. Der Begriff der „Zubereitung“ werde in § 5 AMPreisV sowohl als Teil des Herstellungsvorgangs als auch als dessen Ergebnis verwendet. Verstehe man „Zubereitung“ als Teil des Herstellungsprozesses, wäre bereits nach dem „natürlichen Sprachgebrauch“ eine auf einem Rezept verordnete Augentropfenlösung, die auf mehrere Fläschchen verteilt wird, eine Zubereitung im Sinne des § 5 Abs. 1 AMPreisV. Sähe man die „Zubereitung“ dagegen als das Ergebnis des Herstellungsprozesses, wäre der Wortlaut nicht eindeutig – auch die Sicht der Klägerin könnte dann gestützt sein. Aber in der Zusammenschau mit § 5 Abs. 3 AMPreisV werde klar: Der Verordnungsgeber habe bewusst Differenzierungen innerhalb dieser Vorschrift vorgenommen. Mal geht es um Grundmengen in Gramm, mal um konkrete Applikationsformen (z. B. Ampullen). Bei der aseptischen Zubereitung unterscheidet er gerade nicht nach der Applikationsform – und so ist für den Senat offensichtlich: Der Rezepturzuschlag fällt nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 AMPreisV bis zur Grundmenge von 300 g nur einmal an – und nicht je Einheit. 

Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 2024, Az.: L 4 KR 3239/21

 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Wahnsinn

von T Kerlag am 04.04.2024 um 8:46 Uhr

Diesen juristischen Wahnsinn gibt es nur bei uns.
Sicher hat der Verordnungsgeber nicht gewollt, dass hier leistungsgerecht bezahlt wird

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