- DAZ.online
- News
- Politik
- „In Berlin sind wir das...
HAV-Chef Holger Seyfarth
„In Berlin sind wir das Enfant terrible“
Der Chef des Hessischen Apothekerverbands, Holger Seyfarth, ist unter anderem bekannt dafür, nicht immer mit der ABDA auf einer Linie zu sein. Zuletzt teilte er öffentlich gegen den DAV aus, weil die Agentur für Präqualifizierung, deren Hauptgesellschafter der DAV ist, für Sonderkündigungen nach dem weitgehenden Wegfall der Präqualifizierungspflicht eine Gebühr verlangt. Der DAZ erläutert er, weshalb er sich nicht scheut, auch mal querzuschießen.
Die Liste der Forderungen der ABDA an die Politik ist lang – vom Berufsstand wünscht sich die Bundesvereinigung hingegen nur eines: Geschlossenheit. Kaum eine Kammer- oder Verbandssitzung vergeht ohne einen eindringlichen Appell an die Kolleginnen und Kollegen, die ausgearbeiteten Positionen nach außen hin gemeinsam zu vertreten. Doch Holger Seyfarth spielt da nicht immer mit. Der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands (HAV) schert ab und an mal aus dem Reigen aus.
Zuletzt knirschte es nochmals gewaltig zwischen ihm und der ABDA. Für Ärger in Berlin sorgte zum einen, dass Seyfarth ein Diskussionspapier mitunterzeichnete, in dem die Autoren unter anderem dazu aufrufen, Lauterbachs geplante Apothekenreform als Chance zu begreifen und die Zukunft der Präsenzapotheken neu zu denken. Die Bundesvereinigung hingegen lehnt die Pläne rundum ab – das wiederum hält der HAV-Chef für den falschen Weg.
Kritik an AfP-Sonderkündigungsgebühr
Zum anderen sorgte Seyfarth in der vergangenen Woche für Aufsehen, weil er in einer Pressemitteilung seines Verbands öffentlich den Deutschen Apothekerverband (DAV) kritisierte. Hintergrund ist, dass die Agentur für Präqualifizierung (AfP), deren Hauptgesellschafter der DAV ist, von den Apothekerinnen und Apothekern eine Gebühr verlangt, wenn sie wegen des Wegfalls der Präqualifizierungspflicht für die Abgabe von apothekenüblichen Hilfsmitteln von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen.
Mehr zum Thema
Zukunft der Vor-Ort-Apotheken
Diskussionspapier: Lauterbachs Apothekenreform „als Chance“ begreifen
Protest gegen Bundesregierung
Apothekenstreiks in Hessen und Sachsen
Seyfarth hat dafür kein Verständnis, wie er gegenüber der DAZ nochmals betont. Deshalb habe sich der HAV kürzlich bei einer Sitzung des Geschäftsführenden DAV-Vorstands dafür stark gemacht, die AfP dazu zu bewegen, von der Gebühr abzurücken. Unterstützt wurde der HAV dabei vor allem von den Juristinnen und Juristen unter den Geschäftsführern der Verbände. Im Nachgang habe man mit der AfP einen Kompromiss ausgearbeitet: Die Gebühr sollte laut Seyfarth um die Hälfte gekürzt werden. „Das ist unlogisch und rückgratlos“, wettert der hessische Verbandsvorsitzende. „So etwas kann ich meinen Mitgliedern unmöglich präsentieren.“
Schon lange vermisse er beim DAV eine gewisse Haltung. Das Einknicken in der Debatte um die AfP-Gebühr sei nun der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Auch das Argument, die Apothekerschaft müsse in diesen politisch schwierigen Zeiten geschlossen auftreten, lässt Seyfarth so nicht ganz gelten. „Damit erstickt man jede Kritik im Keim“, sagt er der DAZ. Der Absolutheitsanspruch der ABDA geht dem Apotheker aus Frankfurt am Main gegen den Strich. „Man muss seine eigene Position transparent machen dürfen, sonst wird man unglaubwürdig. Das geht doch sogar in der Bundespolitik, wo es bei Abstimmungen einen Fraktionszwang gibt.“
„12 Euro Fixum sind völlig unrealistisch“
Wie weit seine Ansichten und jene der ABDA inzwischen auseinanderliegen, zeigt sich auch am Beispiel Honorarforderung. „12 Euro Fixum sind völlig unrealistisch und keine Grundlage für Gespräche mit der Politik“, meint Seyfarth. Um das System in seiner aktuellen Form zu erhalten, brauche es seiner Einschätzung nach einen Aufschlag von etwa 1 Euro auf das Fixhonorar. Die Rechnungen der ABDA hielten einer Überprüfung nicht stand. „Und das weiß die Politik“, betont er.
ABDA will Status quo erhalten
Seyfarth geht sogar noch weiter: Die ABDA setze alles daran, den Status quo zu erhalten. „So wird sich nie etwas verändern. Alle Probleme, die wir jetzt haben, werden uns in absehbarer Zeit wieder einholen“, glaubt der HAV-Chef. Er möchte stattdessen neue Märkte erschließen und zum Beispiel Präventions- und Screening-Angebote aufbauen. In diesem Punkt sieht er im Eckpunktepapier zur Apothekenreform Potenzial – denn darin ist unter anderem vorgesehen, die Apotheken verstärkt in die Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und tabakassoziierten Erkrankungen einzubinden. Die rundum ablehnende Haltung der ABDA gegenüber den Reformideen Lauterbachs hält Seyfarth für nicht zielführend. Er glaubt weiterhin an den Dialog. „Fest steht doch: Es geht nur mit der Politik und nicht gegen sie“, fasst er zusammen.
Auch wenn er sich damit im Apothekerhaus offenbar keine Freunde macht, will Seyfarth nicht lockerlassen und weiterhin für seine Überzeugungen eintreten, kündigt er an. „In Berlin sind wir das Enfant terrible“, sagt er über sich und seine HAV-Kollegen. „Und das werden wir wohl auch bleiben.“
4 Kommentare
Enfant terrible
von Roland Mückschel am 06.04.2024 um 18:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Weiter so geht nicht…
von Ulrich Ströh am 06.04.2024 um 12:04 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
.
von Anita Peter am 06.04.2024 um 7:04 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Schafft der HAV es denn im Alleingang
von Jörg Wemsewitz am 05.04.2024 um 18:25 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.