Aus Nebenwirkungen lernen

Immuncheckpoints als Targets bei Herzschwäche?

Stuttgart - 30.04.2024, 17:50 Uhr

Laut Studien der vergangenen fünf Jahre treten Herzversagen und kardiale Dysfunktionen nach einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren häufiger auf, als bislang angenommen. (Foto: Berit Kessler / AdobeStock)

Laut Studien der vergangenen fünf Jahre treten Herzversagen und kardiale Dysfunktionen nach einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren häufiger auf, als bislang angenommen. (Foto: Berit Kessler / AdobeStock)


Immuncheckpoint-Inhibitoren sind aus der Tumortherapie nicht mehr wegzudenken. Ihre antitumorale Wirkung ist allerdings mit immunassoziierten Nebenwirkungen, unter anderem auch mit Kardiotoxizitäten verbunden. Welche physiolo­gischen und pathophysiologischen Vorgänge dem zugrunde liegen und ob sich daraus neue Wege zur Therapie einer Herzinsuffizienz ableiten lassen, wurde in einem Review zusammengetragen.

Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) erhöhen die antitumorale Immunität eines Krebspatienten, indem sie bestimmte Signalstellen – Immuncheckpoints – blockieren. Immuncheck­points finden sich indes nicht nur in der Mikroumgebung des Tumors, sondern sie haben eine regulatorische Rolle bei der Aufrechterhaltung der Immunhomöostase zahlreicher Organe. Die Blockade der Immuncheck­points kann demzufolge aber zu immunassoziierten Nebenwirkungen (immun-related adverse events; irAE) in den Organen führen, so auch im kardiovaskulären System. Die Toxizität kann sich dort früh oder verzögert manifestieren. Zu den früh einsetzenden Ereignissen gehören die subklinische und die fulminante Myokarditis, wobei letztere besser untersucht ist und mit einer hohen Mortalität einhergeht. Ferner können kardiale Dysfunktionen mit akutem Herzversagen, Perikarditis, Arrhythmien sowie ein akutes Koronarsyndrom auftreten. Diese frühen Schäden können zu verzögert einsetzenden kardialen Dysfunktionen führen. Ferner begünstigt eine Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren die Beschleunigung von Atherosklerosen und unterstützt verzögert auftretende atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen.

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Laut Studien der vergangenen fünf Jahre treten Herzversagen und kardiale Dysfunktionen nach einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren häufiger auf, als bislang angenommen. Da sich diese Ereignisse erst rund sechs Monate nach der Therapie ausprägen, wird die Herzinsuffizienz zu den verzögert auftretenden immun­assoziierten Nebenwirkungen gezählt. Die Angaben zu ihrer Inzidenz schwanken in Beobachtungsstudien allerdings stark.

Herzinsuffizienz unter Immuncheckpoint-Blockade

Wie erklärt man sich die immunassoziierte Kardiotoxizität unter einer Therapie mit Immuncheckpoint-In­hibitoren? Es ist bekannt, dass Entzündungsreaktionen zur Entwicklung einer Herzinsuffizienz beitragen, und zwar zu einer Herzinsuffizienz mit erhaltener und mit reduzierter Ejektionsfraktion. Dabei sind auch proinflammatorische Prozesse beteiligt, die von Immuncheckpoints verhindert werden. Blockiert man koinhibitorische Immuncheckpoints, wird unter anderem die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine gefördert. In der Folge können Entzündungsreaktionen auf das Herz wirken und so zur Entwicklung einer Herzinsuffizienz beitragen. Dies bestätigen auch präklinische Studien, in denen die Effekte von Immuncheckpoint-Inhibitoren auf das Herz untersucht wurden. So führte eine Hemmung von Programmed cell death protein 1 (PD-1) zu einer latenten Entzündung, und die Hemmung von cytotoxic T‑lymphocyte-associated protein (CTLA-4) führte zu einem Anstieg proinflammatorischer Zytokine.

Frauen haben ein höheres Risiko, unter einer Therapie mit Immuncheck­point-Inhibitoren kardiale Dysfunktionen oder eine fulminante Myokarditis zu entwickeln. Das erklärt man sich durch eine im Tierversuch gezeigte Abnahme des Estradiol-Spiegels durch diese Arzneimittel. Eine Kombinationstherapie mit mehreren Immuncheckpoint-Inhibitoren erhöht zudem die Gefahr für diese kardialen Komplikationen. Patienten sollten gemonitort werden (s. Kasten „Monitoring unter Immuncheckpoint-Inhibitoren“).

Monitoring unter Immuncheckpoint-Inhibitoren

Laut der europäischen Leitlinie zur Kardio-Onkologie gelten folgende Empfehlungen:

  • Alle Patienten sollten zu Beginn einer Therapie mit Immuncheck­point-Inhibitoren ein Elektrokardiogramm (EKG) und eine Troponin-­Bestimmung erhalten, Hochrisiko-Patienten zusätzlich eine transthorakale Echokardiografie.
  • Das Langzeitmonitoring sollte ein kardiovaskuläres Assessment, ein EKG-Monitoring sowie die Bestimmung von Troponin und natriuretischen Peptiden umfassen.

Für die meisten dieser Empfehlungen liegt keine klinische Evidenz vor. Studien sind notwendig, um das optimale Vorgehen zu verifizieren, vor allem um das Langzeitrisiko einzuschätzen.

Immuncheckpoints (IC) sind Rezeptoren auf der Membran von T-Lymphozyten. Man unterscheidet koinhibitorische und kostimulatorische. Während koinhibitorische Immuncheckpoints die Aktivität der Immunzellen hemmen, bewirken kostimulatorische das Gegenteil.

  • Koinhibitorische Checkpoints fungieren als negative Regulatoren der Immunaktivierung. Dazu gehören unter anderem PD-1, PD-L1 (programmed cell death ligand 1) und CTLA-4. Diese Checkpoints werden therapeutisch bereits inhibiert. Eingesetzt werden PD-L1-Inhibitoren wie etwa Atezolizumab und Durvalumab, PD-1-Inhibitoren wie Nivo­lumab oder Pembrolizumab sowie CTLA-4-Blocker wie Ipilimumab.
  • Zu den stimulatorischen Immuncheckpoints gehören unter anderem CD28, CD40 und OX40 (Mitglieder der Tumornekrosefaktor-Rezeptor-Familie). Diese Checkpoints werden derzeit bis auf wenige Ausnahme noch nicht therapeutisch adressiert. Eine dieser Ausnahmen ist Abatacept, ein lösliches Fusionsprotein, bestehend aus der extrazellulären Domäne von CTLA-4 und einem modifizierten Fc-Teil des humanen IgG1. Es moduliert unter anderem kostimulatorische Signale, die für die vollständige Aktivierung der CD28 exprimierenden T-Lympho­zyten benötigt werden.

Inflammation als therapeutisches Target

Aus der Erkenntnis, dass die Hemmung koinhibitorischer Signale durch Immuncheckpoint-Inhibitoren zu kardiovaskulären Schäden führt, könnte der Schluss gezogen werden, dass eine Blockade kostimulierender Checkpoints die kardiale Inflammation vermindern würde. Oder – ver­einfacht ausgedrückt – wenn eine T-Zellaktivierung zu kardialen Schäden führt, könnte dann eine T-Zellhemmung zur Therapie einer Herzinsuffizienz herangezogen werden? Eine Blockade kostimulatorischer Checkpoints könnte dann bei der Behandlung einer Herzinsuffizienz hilfreich sein. 

Dieser Ansatz wurde bereits bei der Behandlung einer Myokarditis verfolgt, die durch Immuncheckpoint-Inhibitoren induziert wurde. Betroffene Patienten erhielten unter anderem Abatacept, was auch in den Leitlinien der European Society of Cardiology als Zweitlinientherapie empfohlen wird.

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Die Autoren des Reviews sehen in der Blockade kostimulierender Immuncheckpoints einen interessanten Ansatz zur Therapie einer Herzinsuffizienz. Allerdings liegt nahe, dass die Blockade kostimulierender Immuncheckpoints das Tumorrisiko erhöhen könnte. Das ist unter anderem im Vorfeld zu klären

Literatur

Gergely TG et al. Immune checkpoints in cardiac physiology and pathology: therapeutic targets for heart failure. Nat Rev Cardiol 2024, doi: 10.1038/s41569-023-00986-9

Immuncheckpoint-Inhibitoren: Was sie für das Herz bedeuten. Pressemeldung der Universität Duisburg/Essen vom 31. Januar 2024, www.uni-due.de/med/meldung.php?id=­1­531

Europäischen Leitlinie zur Kardio-Onkologie der European Society of Cardiology (ESC). European Heart Journal 2022;43(41):4229-4361, https://academic.oup.com/eurheartj/article/43/41/4229/­6673995?login=false


Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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