Podiumsdiskussion

Was bremst Apothekerinnen auf dem Weg an die Spitze?

Stuttgart - 16.05.2024, 16:30 Uhr

Auf der Bundesverbandstagung des BPhD diskutierten zum Thema Frauen in der Pharmaziev. l. Anika Balkheimer (designierte BPhD-Präsidentin), Apotheker Maximilian Buch, ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, Prof. Elke Oetjen, DPhG-Geschäftsführerin Kerstin Tschuck und DAZ-Redakteurin Christina Grünberg (Moderation). (Foto: BPhD)

Auf der Bundesverbandstagung des BPhD diskutierten zum Thema Frauen in der Pharmazie
v. l. Anika Balkheimer (designierte BPhD-Präsidentin), Apotheker Maximilian Buch, ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, Prof. Elke Oetjen, DPhG-Geschäftsführerin Kerstin Tschuck und DAZ-Redakteurin Christina Grünberg (Moderation). (Foto: BPhD)


Das Thema „Frauen in der Pharmazie – breite Basis, keine Spitze“ wurde auf der Bundesverbandstagung des BPhD in Hamburg kritisch diskutiert. Wie sieht die Situation von Frauen in Führungspositionen der Standespolitik, Offizin, Lehre und Industrie aus? Ist die Apotheke ein frauenfreundlicher Arbeitsplatz? Was sind Hürden, die Frauen daran hindern, Führungspositionen wahrzunehmen? Und was können Lösungen sein?

Mehr als 150 Pharmaziestudierende, Alumni und Gäste waren über das Himmelfahrtswochenende in Hamburg zur Bundesverbandstagung des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) zusammengekommen. Ein zentraler Punkt war die Podiumsdiskussion, die sich dem Thema „Frauen in der Pharmazie“ widmete. Auf die Frage, warum gerade darüber gesprochen werden sollte, erläuterte die designierte BPhD-Präsidentin Anika Balkheimer, dass sich der BPhD schon länger damit beschäftige. Der Großteil der Pharmaziestudierenden sind Frauen, aber das werde an vielen Stellen in Führungspositionen und in der Lehre nicht repräsentiert. „Wir wollen mehr junge Frauen ermutigen, sich etwas zu trauen und die Umstände zu ändern.“

Zu wenige Frauen in der Standespolitik

Dass auch in der Standespolitik der Apothekerschaft mehr Frauen vertreten sein sollten, dafür setzt sich Maximilian Buch, Delegierter der Apothekerkammer Berlin und ehemaliger BPhD-Generalsekretär, ein. Er betonte, dass Diversität ein Garant dafür sei, mehr Perspektiven in eine Diskussion einzubringen – generell und nicht nur mit Blick aufs Geschlecht. Das helfe, Empathie und Sichtbarkeit für Situationen zu entwickeln. 

Erst kürzlich ist in Berlin mit der 41-jährigen Apothekeninhaberin Ina Katharina Lucas eine junge Kammerchefin gewählt worden. Eine Ausnahme, denn in den 34 Kammern und Verbänden der ABDA seien noch immer deutlich zu wenige Frauen an der Spitze, wie ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening im Laufe der Diskussion erläuterte. Problematisch sei dabei auch die Beteiligung an den Wahlen, die, wenn es gut läuft, gerade einmal bei 40 Prozent liege. Es zeige sich, dass vor allem junge Frauen oft nicht wählen gehen. Overwiening ist die erste weibliche ABDA-Präsidentin überhaupt. Im Gegensatz zur Situation in den Kammern sieht es beim BPhD besser aus. Dort seien circa 50 Prozent Frauen, wie Balkheimer erklärte.

Mit Blick auf die Lehre erläuterte Elke Oetjen, Professorin für Pharmakologie für Pharmazeuten am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, dass circa 70 bis 75 Prozent der Studierenden weiblich seien, aber nur 28 Prozent der Professuren in den Naturwissenschaften von Frauen besetzt. In der Pharmazie seien es im Jahr 2008 sogar nur 13 Prozent gewesen. Seitdem steige der Frauenanteil aber immerhin. Besonders positiv sei das Verhältnis in Hamburg mit 50:50.

In der Industrie habe sich einiges getan, erläuterte die Betriebswirtin Kerstin Tschuck, Geschäftsführerin der Deutschen Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) und selbstständige PR-Beraterin mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung in der pharmazeutischen Industrie. Vor allem große pharmazeutische Firmen seien frauenfreundlicher geworden, unter anderem durch die Einführung von Kitas, die es Frauen nach einer Babypause ermöglichten, früher wieder zurückzukommen.

Apotheke gilt als familienfreundlich

Auf die Frage, warum es so viele Frauen in die Offizin zieht, antwortete Overwiening, dass die Arbeitsverhältnisse in den Apotheken für viele Frauen positiv seien. Man könne sehr flexibel arbeiten, z. B. auch samstags und auch nur wenige Stunden, was nach ihrer Erfahrung viele junge Frauen möchten, wenn sie Kinder bekommen, um ausreichend für diese da zu sein. Die Kammern förderten oftmals auch den Wiedereinstieg z. B. durch Seminare. Das alles sei in der Apotheke gut möglich. 

Leider sei der Gedanke mancher jungen Frauen aber, dass sie nur für das „zusätzliche Einkommen“ sorgten und es keine Rolle spiele, wie viel sie arbeiten. Dadurch verliere man viele Apothekerinnen, die hierzulande händeringend gesucht werden. Overwiening ist davon überzeugt, dass man sich sowohl um Pharmazie als auch um seine Kinder gut kümmern könne. Die Apothekerin hat selbst vier Kinder großgezogen. „Es geht nicht nur um die Quantität, sondern auch um Qualität einer Beziehung.“ Als besonders familienfreundlich empfindet die ABDA-Präsidentin auch die Einbettung ins Team und die gute Beziehung zu den Kolleginnen und Kollegen. 

Buch hingegen stellte infrage, ob die Arbeit in der Apotheke überhaupt noch echte Flexibilität biete. Denn gerade durch den digitalen Schwung während der Pandemie, Remote- und Gleitzeitarbeit seien die Arbeitszeiten in anderen Bereichen wie der Industrie im Gegensatz zur öffentlichen Apotheke wesentlich familienfreundlicher geworden.

Oetjen betonte zudem, dass sie Werbung mit „Familienfreundlichkeit für Frauen“ generell gefährlich finde. Denn das bedeutet für die Frauen meist, in Teilzeit zu arbeiten und am Ende des Arbeitslebens weniger Rente zu beziehen. Laut Oetjen wird ein Drittel aller Ehen geschieden und der Mann sei dann nicht mehr der Versorger in der Rente. Für die Frauen sei die Teilzeit ein Weg in die Abhängigkeit, obwohl Apothekerinnen im Studium so viel lernten. Das sei ein Problem.

Fehlt Frauen die nötige Risikobereitschaft?

Was aber sind die Gründe, weshalb nicht mehr Frauen in Führungspositionen zu finden sind, obwohl sie die Kompetenzen dazu besitzen? Tschuck ist der Meinung, dass ein Punkt die fehlende Risikobereitschaft sein könnte. Das gelte nicht für alle Frauen, aber viele seien zurückhaltend, wenn es darum geht, in eine Führungsposition zu kommen und sichtbar zu sein. Männer seien oft selbstbewusster. 

Neben dem zunehmendem Betreuungsangebot sieht sie als einen weiteren wichtigen Faktor das Netzwerken. Männer hätten oft bessere Netzwerke und Mentoren, die sie fördern und ihnen helfen. „Wissen ist wichtig, aber nur mit Wissen kommt man nicht in Führungspositionen. Man braucht hinter sich ein gutes Netzwerk und Menschen, die einen unterstützen.“ Auf die Frage, wie man sich so ein Netzwerk schaffen könne, antwortete Tschuck, dass man sichtbar sein sollte, auf Veranstaltungen gehen und mit Menschen in Kontakt treten.

Quote als Lösung?

Buch kritisierte, dass angenommen werde, dass es den Pool an vor allem jungen Frauen nicht gibt und sie deshalb nicht in Führungspositionen kommen. Das decke sich nicht mit seiner Erfahrung. Er sieht eine Lösung im Empowerment, z. B. durch paritätisch besetzte Vorstände und Wahllisten sowie Quoten. Tschuck findet paritätisch besetzte Listen eine gute Idee, entgegnete aber, dass die Personen auch sichtbar und bekannt sein müssen. Quoten sind ihrer Meinung nach in vielen Bereichen ein erster Schritt, im Idealfall brauche man diese später nicht mehr. Overwiening erklärte, dass sie eine Verfechterin einer Quote sei. Die ABDA könne jedoch nichts tun, was eine Weisung in Richtung Kammer oder Verbände betrifft. Selbst ein guter Wille auf der ABDA-Ebene führe nicht dazu, dass dies in den Kammern und Verbänden umgesetzt wird.

Auch Oetjen bekannte sich zur Quote. Auf die Frage, was an der Uni getan werde, erklärte die Professorin, dass es bereits einige Ansätze zur Frauenförderung gebe. In Hamburg erfolge zum Beispiel ein aktives Scouting. Bei diesem würden speziell ausgesuchte Frauen angesprochen und gebeten, sich auf eine ausgeschriebene Professur zu bewerben.

Balkheimer erzählte aus persönlicher Sicht beim BPhD: „Kandidaten kommen oft von alleine, auf Kandidatinnen muss man erst zugehen.“ Auch sie selbst habe zunächst nicht gedacht, dass sie eine Aufgabe beim BPhD (zunächst im Amt Public Health) zeitlich hinbekomme. Als sie es aber anging, habe sie es doch geschafft und nun mit der Präsidentschaft sogar einen noch größeren Schritt gewagt.


Julia Stützle, Apothekerin und Volontärin


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1 Kommentar

Frauen in pharm. Führungspositionen

von Lisa am 16.05.2024 um 22:15 Uhr

Bei vielen jungen Frauen (auch meinen sehr gut ausgebildeten Töchtern) spüre ich den Wunsch, nicht nur Kinder in die Welt zu setzen, sondern auch wirklich für sie dasein zu können, sie nicht fremdbetreuen zu lassen, zumindest nicht in den ersten drei/vier Jahren. Das kann sich dann bei dem Wunsch nach einer größeren Familie sehr schnell auf 10 und evtl mehr Jahre summieren. Außerdem ist es immer noch eine gewaltige Doppelbelastung, auch wenn die Kinder älter werden, Familie und Beruf (nicht in „nur“ Teilzeit) unter einen Hut zu bekommen; „Qualität“ der Zeit mit Kindern in Konkurrenz zu setzen mit (schlechterer?) Quantität empfinde ich als nicht ganz ehrliche Gegeneinanderstellung; Untersuchungen und viele Gespräche mit Müttern belegen dies deutlich. Emanzipation der Frau ist etwas anderes als mit der Arbeitswelt der Männer um jeden Preis konkurrieren zu wollen, dies widerspricht dem Selbstverständnis einer Frau. Das will leider auch die Politik nicht wahrhaben, deutlich erkennbar an den Inhalten der Familienpolitik seit Jahren.

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