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Pfingsten – Erleuchtung garantiert? Leider nicht für uns Apothekers. Zwar mag es aus unseren Reihen und vom Nachwuchs einige mehr oder weniger gute Ansätze geben. Aber die Erleuchtung zur schlechten Lage der Apotheken will so gar nicht auf den Bundesgesundheits- und den Bundeswirtschaftsminister überspringen. Ob da die Klagen der Freien Apothekerschaft für ein wenig Druck sorgen? Das von der ABDA bestellte ökonomische Gutachten zur Lauterbachschen Umverteilung des Honorars entpuppte sich jedenfalls als Verschlimmbesserung – und daher soll es auch gar nicht veröffentlicht werden. Ist auch besser so, ab in die Ablage und Deckel drauf. Währenddessen wanzt sich DocMorris an den Fondstopf für die pharmazeutischen Dienstleistungen ran und will von den Millionen profitieren. Und der Kanzler, ganz in Pfingstlaune, möchte, dass der Mindestlohn auf 15 Euro steigt. Sehr erleuchtend: Die Löhne für PTA und PKA lägen dann unter Mindestlohn. Apokalypse now! Trotz allem: Frohe Pfingsten!
13. Mai 2024
Die Freie Apothekerschaft (FA) ist aktiv und im Klage-Flow. Erst vor Kurzem hat dieser Verein Klage erhoben, weil das Bundesgesundheitsministerium das Fixhonorar seit Jahren nicht überprüft und anpasst. Sicher, so eine Klage kann sich über Jahre hinziehen, mit schnellen Ergebnissen ist hier nicht zu rechnen. Aber da die Politik die Honoraranpassung schon seit vielen Jahren ignoriert, ist ein solcher Schritt vielleicht eine Möglichkeit, endlich für klare Strukturen zu sorgen. Die FA-Klage stieß bei vielen Apothekers auf großen Gefallen und viele fragten sich, warum die ABDA nicht schon längst diesen Weg beschritten hat. Die jüngste Aktivität der FA: Sie bereitet eine Klage gegen das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor, Thema ist die Überprüfung der sogenannten „Länderliste“. Ja, mein liebes Tagebuch, diese Liste gibt es schon seit 13 Jahren. In dieser Liste führt das BMG europäische Länder auf, „in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen“. Die Niederlande stehen in dieser Liste und daher dürfen Versandapotheken nach Deutschland liefern. Überprüft oder gar angepasst wurde diese Liste seit 2011 nicht mehr, obwohl eigentlich in regelmäßigen Abständen eine aktualisierte Übersicht derjenigen EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht werden sollte, in denen für den Versandhandel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen. Und nach wie vor ist der Rechtscharakter und die Bedeutung dieser Liste streitig und nicht wirklich geklärt. Niemand weiß so genau, wer eigentlich ihre Vorgaben überwacht. Dabei enthält diese Liste doch die Kriterien, dass Arzneimittel von den Niederlanden nach Deutschland versendet werden dürfen. Da fragt man sich doch, wer überprüft denn eigentlich, ob da alle Standards eingehalten werden? Weder die deutsche noch die niederländische Aufsicht fühlt sich dafür zuständig. Mein liebes Tagebuch, was bringt so eine Länderliste, wenn sie nicht ernst genommen wird? Ist sie nur eine Alibi-Liste, einst geschaffen für DocMo und andere EU-Versender, damit der Versandhandel flutscht? Die Freie Apothekerschaft will dies nicht mehr so hinnehmen; die FA ist überzeugt, dass das niederländische Recht in puncto Versandapotheken nicht den deutschen Sicherheitsanforderungen genügt. Sie hat daher ihre Rechtsanwälte darauf angesetzt, zu erfahren, welche Rechtsnatur die Länderliste besitzt und ob die großen EU-Arzneimittelversandhäuser überhaupt von den niederländischen Behörden überwacht werden. Sollte es da Zweifel geben, will die Freie Apothekerschaft auch hier eine Feststellungsklage auf den Weg bringen. Mein liebes Tagebuch, warum ist eigentlich unsere Standesvertretung noch nicht auf die Idee gekommen, diese ominöse Länderliste auf den Prüfstand zu stellen?
14. Mai 2024
Unser Nachwuchs macht sich so seine Gedanken, wie es mit den öffentlichen Apotheken weiter gehen soll, vor allem vor dem Hintergrund der von Lauterbach angekündigten Apothekenreform. Auf seiner Bundesverbandstagung in Hamburg verabschiedete der Bundesverband der Pharmaziestudierenden Deutschland (BPhD) ein Positionspapier (Strukturpapier öffentliche Apotheke). Klare Kante: Am Fremd- und Mehrbesitz darf nicht gerüttelt werden, eine Liberalisierung des Marktes lehnen die Studierenden ab. So weit, so gut. Aber was die Vertretungsbefugnis der PTA betrifft, so zeigt sich die Apothekenjugend offener: Der BPhD kann sich durchaus vorstellen, dass eine PTA temporär, also für kurze Zeit und in Not- und Sonderfällen (Krankheit, Stau auf dem Weg zur Arbeit etc.) schon mal eine Apothekerin, einen Apotheker vertreten darf, wenn diese telepharmazeutisch dazugeschaltet werden können. Lauterbach wird sich freuen, dass diese seine Idee bei den Jungen ankommt. Nun ja, ob diese da wirklich auch die Folgewirkungen solcher Vertretungsbefugnisse bedacht haben? Es könnte doch sehr rasch der Wunsch aufkommen: Wenn eine Vertretung mit telepharmazeutischem Background für eine kurze Zeit möglich ist, warum nicht auch mal ein bisschen länger? Und wie lange ist „kurz“? Interessant ist darüber hinaus, was der BPhD sonst noch für Ideen hat. Die Studierenden sind sich auf alle Fälle darüber einig, dass unser Apothekensystem vor den umfangreichsten Reformen seit langem steht, denn das jetzige System sei nicht mehr zukunftsfähig. So denkt der Studierendenverband z. B. daran, dass Apotheken in Zukunft „die berechtigten Aufgaben der ursprünglich geplanten Gesundheitskioske“ übernehmen könnten. Auch das Nacht- und Notdienstsystem in seiner heutigen Form sei ebenfalls nicht zukunftsfähig. Als Idee können sich die Studierenden z. B. Arzneimittel-Abgabestationen an der öffentlichen Apotheke, gekoppelt mit kammergeführten zentralisierten telepharmazeutischen Beratungszentren vorstellen. Mein liebes Tagebuch, wer weiß, vielleicht haben wir eines Tages tatsächlich mal solche oder ähnliche Strukturen? Wer Lust auf mehr Zukunft hat, findet Anregungen hier im Positionspapier.
15. Mai 2024
Betrügereien in der ambulanten Pflege, aber auch in Apotheken verursachen große Schäden für die Krankenkassen. Aktuell meldet die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), dass allein durch Betrügereien in Apotheken ein Schaden von einer Million Euro entstanden sei. Verantwortlich dafür seien z. B. gepanschte Arzneimittel, vor allem aber auch „Luftrezepte“, also verbuchte Arzneimittelabgaben, die faktisch nicht getätigt wurden. Spitzenreiter bei den aufgedeckten Betrugsfällen sind allerdings Pflegedienstleister mit einem Schadensvolumen von 1,9 Millionen Euro. Jetzt soll es der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) richten. Laut dem niedersächsischem Sozialminister Andreas Philippi könnten Betrugsfälle leichter entlarvt werden: „In Zukunft bieten die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz neue Chancen, große Datenmengen effizient zu überprüfen und den Aufwand der Betrugsbekämpfung in vertretbaren Grenzen zu halten.“ Die BKK beispielsweise arbeitet bereits an einem Pilotprojekt mit, von dem man sich verspricht, Abrechnungsanomalien künftig noch besser aufdecken und bekämpfen zu können. Mein liebes Tagebuch, wenn demnächst die KI in der Apotheke anruft, dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat.
Kammerwahl in Niedersachsen – so wie es bisher aussieht, bleibt alles weitgehend beim Alten. Kontinuität ist angesagt. Kammerpräsidentin Cathrin Burs wurde auch wiedergewählt, die konstituierende Sitzung mit der Wahl des neuen Kammervorstands wird voraussichtlich Mitte Juni sein. Was (auch) bei dieser Wahl auffällt, ist die sehr niedrige und enttäuschende Wahlbeteiligung: Nur knapp 23 Prozent der wahlberechtigten Kammermitglieder haben in Niedersachsen ihre Stimme abgegeben. Mein liebes Tagebuch, was ist da los? Warum ist das so? Welche Gründe könnte es dafür geben? Haben die niedersächsischen Kammermitglieder so gar nichts mit der Berufspolitik am Hut? Ist man unzufrieden mit der aktuellen Kammerpolitik? Oder ist da „nur“ ein Desinteresse festzustellen? Mein liebes Tagebuch, wie kann man die Kammermitglieder zumindest ein bisschen mehr für die berufspolitische Arbeit interessieren? Von „begeistern“ wollen wir da gar nicht sprechen.
16. Mai 2024
„Frauen in der Pharmazie“ – mit diesem Thema beschäftigte sich der Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) auf seiner Bundesverbandstagung in einer Podiumsdiskussion. Frauen in der Pharmazie – mein liebes Tagebuch, was soll an diesem Thema so Besonderes sein? Der Großteil der Pharmaziestudierenden (etwa 80 Prozent) sind doch weiblich. Und auch unter denjenigen, die den Beruf ausüben, ist die Mehrheit weiblich. So weit, so entspannt, aber obwohl die Mehrheit der Studierenden Frauen sind, werde dies an vielen Stellen in Führungspositionen und in der Lehre nicht repräsentiert, so der BPhD. „Wir wollen mehr junge Frauen ermutigen, sich etwas zuzutrauen und die Umstände zu ändern.“ Ganz klar, auch in der Standpolitik sollten mehr Frauen vertreten sein. Als Lichtblick sieht Maximilian Buch, Delegierter der Apothekerkammer Berlin und ehemaliger BPhD-Generalsekretär, dass vor Kurzem mit der 41-jährigen Apothekeninhaberin Ina Katharina Lucas eine junge Kammerchefin gewählt worden war. Doch das sei noch eine Ausnahme – in den 34 Kammern und Verbänden der ABDA seien noch immer deutlich zu wenige Frauen an der Spitze, meinte auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening als Teilnehmerin an dieser Diskussionsrunde. Sie weiß, wovon sie spricht, denn Overwiening ist die erste weibliche ABDA-Präsidentin in der langen Geschichte unserer Standesvertretung. Vergleichsweise wenig Frauen schlagen auch den Weg in die Lehre und Forschung ein. Nur 28 Prozent der Professuren in den Naturwissenschaften seien von Frauen besetzt, so Elke Oetjen, Professorin für Pharmakologie für Pharmazeuten am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die meisten Pharmazeutinnen zieht es in die Apotheke, so Overwiening, kein Wunder, die Arbeitsverhältnisse in den Apotheken sind für viele Frauen positiv: flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, relativ leichter Wiedereinstieg nach einer Auszeit. Aber nicht nur die Apotheke bietet gute Arbeitszeiten: Im Gegensatz zur öffentlichen Apotheke seien die Arbeitszeiten in der Industrie wesentlich familienfreundlicher geworden, ist Buch überzeugt.
Mein liebes Tagebuch, nach wie vor unterrepräsentiert sind Frauen in Führungspositionen in der Industrie, aber auch in Kammer- und Verbandsvorständen. Woran liegt’s? Vielleicht an einer fehlenden Risikobereitschaft? An zu wenig Selbstbewusstsein? An fehlenden Netzwerken? An einer Übermacht der Männer in diesem Positionen. Oder einfach daran, dass auf vielen Frauenschultern die Mehrfachbelastung Haushalt, Kindererziehung und Beruf liegt? Könnte hier eine Quotenregelung helfen? Overwiening erklärte, sie sei eine Verfechterin der Quote, aber in Richtung Kammer oder Verbände seien der ABDA die Hände gebunden, sie habe hier kein Weisungsrecht. Mein liebes Tagebuch, die Quote mag ein erster Schritt sein, aber wäre es nicht besser, ohne Quoten auszukommen? Letztlich muss sich da wohl noch mehr in unserer Gesellschaft verändern, auch in den alten Rollenbildern.
Die E-Rezeptenthusiasten eilen weiter voran. Der Verein, der seit zwei Jahren besteht und sich auf die Fahnen geschrieben hat, das E-Rezept und seine Entwicklung voranzutreiben, hat einen neuen Vorstand präsentiert: Der bisherige 1. Vorsitzende Ralf König übergibt seinen Posten an Uwe Strehlow, der die Strehlow GmbH leitet, ein Unternehmen, das medizinische Hilfsmittel vertreibt. Und somit wundert es nicht, wenn es zur neuen Zielsetzung des Vereins gehört, das E-Rezept auch im Bereich der Heil- und Hilfsmittel voranzutreiben. Bei einem parlamentarischen Abend traf man sich mit Vertretern aus Politik, Verbänden der Ärzte- und Apothekerschaft und diskutierte über Erfolge und offene Baustellen bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Man feierte das 200-millionste E-Rezept, und ja, „das E-Rezept ist ein Erfolg“, tönte es aus den Enthusiasten-Reihen – was zu erwarten war. Mein liebes Tagebuch, ob diesem Verein bekannt ist, dass in diesen Jubelgesang viele Apotheken nicht einstimmen können? Man wisse zwar, dass manche Leistungserbringer mit technischen Problemen zu kämpfen hätten, hieß es da, aber „wer hätte gedacht, dass es so problemlos läuft“. Vielleicht muss man halt einfach enthusiastisch sein: Das rosa Rezept ist Vergangenheit, stattdessen muss man das E-Rezept mit der rosa Brille sehen. Man brauche einfach das richtige „Mindset“ dazu, hieß es auf der Veranstaltung. Die Enthusiasten jedenfalls scheinen es zu haben. Sie schauen schon mit Vorfreude auf die geplante Einführung der „elektronischen Patientenakte (ePA) für alle“ und hoffen auf eine bessere Kommunikation als beim E-Rezept. Wie wahr! Und auch die Einführung von Cardlink sieht man nur positiv, auch kein Wunder, mein liebes Tagebuch, zumal der niederländische Versender ShopApotheke und die DocMorris-Tochter eHealthTec Mitglieder des Enthusiasten-Vereins sind und sich von Cardlink und den E-Rezepten einen lang ersehnten wirtschaftlichen Schub versprechen (auf Kosten der Vor-Ort-Apotheken). Das Bundesgesundheitsministerium, vertreten durch Susanne Ozegowski, ließ wissen, dass Cardlink allerdings nur eine Übergangslösung sei. Dieser Weg zur Einlösung des E-Rezepts werde mit der verbindlichen Einführung der Gesundheits-ID obsolet. Und was darf man sich darunter vorstellen? Mein liebes Tagebuch, die Gesundheits-ID ist eine „digitale Identität“ für Versicherte, die künftig als Alternative zur Gesundheitskarte eingesetzt werden kann. Die Gesundheits-ID bietet laut Gematik einen kartenlosen Zugang zu allen Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI). Mit dieser Identität können sich die Versicherten dann über ihr Smartphone in Apps wie das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte einloggen. Mein liebes Tagebuch, wer da nicht enthusiastisch wird!
17. Mai 2024
Das gibt es: Einmal falsch zugelangt und dann hat man den Kleister an den Händen. Vermutlich ist dies der ABDA passiert, als sie den Gießener Volkswirt Georg Götz, Justus-Liebig-Universität, beauftragte, ein ökonomisches Gutachten über Lauterbachs Absichten einer Honorarumverteilung anzufertigen. Der Wirtschaftsprofessor sollte analysieren, ob sich mit der schrittweisen Senkung des prozentualen Aufschlags auf 2 Prozent und einer gleichzeitigen Anhebung des Fixums, dem Apothekensterben etwas entgegensetzen ließe. Sein Ergebnis stellte Götz auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum vor: Da ist es wohl einigen ABDA-Funktionären eiskalt den Rücken runtergelaufen. Zwar hat der Ökonom klargestellt, dass die Ansätze Lauterbachs existenzgefährdete Apotheken sicher nicht retten, sondern den Sterbeprozess nur marginal verzögern werden. Kurzes Aufatmen bei der ABDA. Und dann kam das dicke Ende von Götz: Er fühlte sich bemüßigt, einen Lösungsvorschlag in sein Gutachten zu packen, das die Standespolitiker und ABDA-Hauptamtlichen wohl nach Luft ringen ließ: Bis zu einer definierten Abgabemenge (sie liegt bei 15.000 Packungen) soll ein höheres Fixum (10,92 Euro) gezahlt werden, für jede darüberhinausgehende Packung ein niedrigeres Fixum (7,49 Euro), das jedoch mindestens kostendeckend sein müsse. Man habe sich, so Götz, in der Denkwelt des Bundesgesundheitsministeriums bewegt. Ups, diese Denkwelt, cannabisvernebelt, kommt nicht wirklich gut an, das haut rein. Schaut man sich die Auswirkungen des Götz-Vorschlags an, stellt man fest, dass Apotheken mit einem Jahresumsatz von weniger als 1 Million Euro im Mittel knapp 33.400 Euro extra bekämen, die Apotheken mit einem Jahresumsatz von 3 Millionen Euro oder mehr würden dagegen im Schnitt mit fast 30.000 Euro belastet. Oh, oh, das kommt nicht gut rüber. Daher hatte Götz noch eine weitere Variante parat: Sollten auch die umsatzstarken Apotheken nicht belastet werden, müsste bei einem oberen Fixum von 10,92 Euro das untere Fixum bei 8,14 Euro liegen. Bei diesem Ansatz müssten die Kassen allerdings 310 Millionen Euro jährlich drauflegen. Aber der Götzsche Vorschlag hat noch einen anderen Haken: Mit seinem Vorschlag eines unterschiedlichen Fixums müsste die Gleichpreisigkeit der Arzneimittel geopfert werden – und spätestens hier würde der Rubikon überschritten. Mein liebes Tagebuch, das denken wir mal lieber nicht laut weiter, was dann passieren könnte. Also, ab ins Schließfach, keine Veröffentlichung dieses Gutachtens, sagt die ABDA. Und ja, es ist wohl die einzig vernünftige Entscheidung, bevor solche Analysen und Ideen noch Unheil anrichten. Zumal mit solchen Lösungsansätzen die Apotheken nicht wirklich gestärkt werden: Denn das System erhält mit dem Götz-Vorschlag keinen Cent mehr, das vorhandene Honorar würde auch nur umverteilt – unter Aufgabe der Preisbindung. Fazit: Ein erhellender Pfingstvorschlag sieht anders aus.
Der Fondstopf, aus dem die Honorare für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) an die Apotheken bezahlt werden, wächst und wächst: Die meisten Apotheken bieten keine pDL an, dementsprechend werden keine Vergütungen abgerechnet. Dabei dachte man anfangs noch, die Honorare reichen für die abgerechneten Dienstleistungen nicht aus. Da schlummern also ein paar Millionen im Topf und warten auf Abruf. Das ist dem EU-Versandhaus DocMorris nicht verborgen geblieben: Also will sich dieser Arzneimittelversender ein Stück aus der pDL-Torte sichern. Er bietet nun eine "Videoberatung zur korrekten Anwendung des Inhalators bei Asthma, COPD und anderen Atemwegserkrankungen“ an und möchte diese über den pDL-Topf des Nacht- und Notdienstfonds abrechnen. Ein klares Nein sagt der NNF dazu , was DocMorris dazu veranlasste – mein liebes Tagebuch, du ahnst es schon – Klage einzureichen vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt/Main mit der Begründung, dass „von DocMorris erbrachte pharmazeutische Dienstleistungen nicht vergütet werden“. Na, das kann heiter werden, je nach Ausgang dieser Klage. Sollte DocMorris Recht bekommen (was wir uns nicht vorstellen wollen), ist klar, dass der Versender nicht nur die Video-Asthmaberatung abrechnen wird, sondern auch teure Video-Medikationsanalysen. Die Folgen wären alles andere als schön.
So nach und nach spitzt sich die finanziell klamme Lage für viele Apotheken zu: ein erhöhter Kassenabschlag auf zwei Euro, keine Honorarerhöhung in Sicht, keine Skonti für Rx-Arzneimittel mehr und nun soll, so der Wunsch des Bundeskanzlers, der Mindestlohn auf 15 Euro angehoben werden. Das würde auch höhere Personalkosten für PTA und PKA bedeuten, da PTAs in den unteren Berufsjahren laut Tarifvertrag derzeit einen Stundenlohn von 13,98 Euro und PKAs von 12,46 Euro haben. Mein liebes Tagebuch, steuert die deutsche Apotheke dann auf eine Apokalypse zu? Natürlich wäre es mehr als gerechtfertigt, die Gehälter für PTA und PKA mindestens auf den von Scholz angepeilten Mindestlohn anzuheben. Auch für Approbierte in den Apotheken sind Gehaltssteigerungen notwendig. Aber ohne Erhöhung des Apothekenhonorars und ohne Inflationsausgleich und unter den heutigen wirtschaftlichen Bedingungen können viele Apotheken hier nicht mitziehen. Davon ist auch Thomas Rochell, Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe und des Arbeitgeberverbands Deutscher Apotheken (ADA) überzeugt. Aus seiner Sicht würde ein höherer Mindestlohn den wirtschaftlichen Druck auf die Apotheken hierzulande weiter erhöhen – bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus. Rochell wörtlich: „Die Apotheken vor Ort haben seit 20 Jahren keinen Inflationsausgleich erhalten und könnten daher eine solche Erhöhung gar nicht finanzieren.“ Auch die Apothekengewerkschaft Adexa meldet sich zu Wort: Deren Vorsitzender Andreas May weist daraufhin, dass Tarifgehälter für PKA und selbst für die unteren Berufsjahresgruppen der PTA derzeit im Niedriglohnbereich liegen. Mein liebes Tagebuch, mir ist keine Berufsgruppe mit so einem Höchstmaß an Verantwortung bekannt, die in den vergangenen Jahren keine Lohn- und Gehaltssteigerung erhalten hat. Seit 20 Jahren sind die Apothekengehälter auf der Strecke geblieben. Wer ist dafür verantwortlich?
5 Kommentare
Wohin geht die Reise?
von Ulrich Ströh am 19.05.2024 um 9:33 Uhr
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AW: Wohin geht die Reise
von Dr.Diefenbach am 19.05.2024 um 11:01 Uhr
AW: Altersarmut PTA
von Stefan Siebert am 19.05.2024 um 11:07 Uhr
AW: Das Ende der Reise
von Stefan Haydn am 21.05.2024 um 19:11 Uhr
17. Mai 2024
von Bernd Haase am 19.05.2024 um 8:14 Uhr
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