G-Protein-gekoppelter Rezeptor Latrophilin-1

Neuer Regulator des Essverhaltens gefunden

Stuttgart - 04.06.2024, 15:15 Uhr

Wer weiß, vielleicht ist bei diesem übergewichtigen Mann das Gen für den Latrophilin-1-Rezeptor mutiert. (Foto: motortion / AdobeStock)

Wer weiß, vielleicht ist bei diesem übergewichtigen Mann das Gen für den Latrophilin-1-Rezeptor mutiert. (Foto: motortion / AdobeStock)


Latrophilin-1 ist ein Neurorezeptor, der an synaptischen Aufbauprozessen beteiligt ist. Nun wurde das Protein als Regulator der Nahrungsaufnahme identifiziert – sowohl im Tierversuch als auch in menschlichen Sequenzierdaten. Das könnte einmal als pharmakologischer Ansatzpunkt zur Therapie der Adipositas dienen.

Was beeinflusst das menschliche Essverhalten? Sicherlich denken Sie bei dieser Frage zunächst an die Hormone Ghrelin und Leptin, die am Hunger- und Sättigungsgefühl beteiligt sind. Der Neurorezeptor Latrophilin-1 wurde bisher mit dem Aufbau von Synapsen in Verbindung gebracht. 

Woher hat Latrophilin-1 seinen Namen?

Der G-Protein-gekoppelten Rezeptor Latrophilin-1 heißt so, da er bindungsaffin zum Nervengift alpha-Latrotoxin ist, das unter anderem von Spinnen der Gattung Echte Witwen produziert wird. Die Zielstruktur des Toxins ist Latrophilin-1. Das Toxin führt dazu, dass in der präsynaptischen Nervenzelle zusätzliche Calcium-Kanäle geöffnet werden. Dadurch strömen Calcium-Ionen in die Nervenzelle, es werden fortwährend Neurotransmitter abgegeben und es entstehen hohe Aktionspotenzialfrequenzen. Es kommt zu Krämpfen, auch bei der Atemmuskulatur, was schließlich zum Tod führt.

Eine Forschungsarbeit der Universität Leipzig und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf fand nun heraus, dass Mäuse, die Latrophilin-1 aufgrund eines knock-outs nicht exprimieren, mit der Zeit übergewichtig wurden und die Insulinsensitivität abnahm. Die Arbeit wurde im Nature-Journal „Signal Transduction and Targeted Therapy“ veröffentlicht.

Knock-out im Tierversuch verursacht Übergewicht

Mäuse, die in der Studie den Rezeptor aufgrund eines knock-outs des entsprechenden Gens nicht exprimierten, waren zunächst normalgewichtig. Nach 7 bis 12 Wochen zeigte sich eine erhöhte Nahrungsaufnahme, verminderte körperliche Aktivität und daraus folglich eine Gewichtszunahme gegenüber den Wildtyp-Mäusen, die Latrophilin-1 exprimierten. Außerdem zeigten die knock-out-Tiere eine verminderte Insulinsensitivität und Glucosetoleranz.

Latrophilin-1-Mutationen bei adipösen Kindern

Im Fettgewebe von adipösen Kindern fanden die Forschenden zwei Rezeptorvarianten von Latrophilin-1. Weitere Untersuchungen in einer Zellkultur zeigten, dass die Rezeptorvarianten nicht die vollständige oder keine Funktion aufwiesen. Die Daten stammten aus RNA-Sequenzierungen im Rahmen von Untersuchungen der Leipziger „Childhood Adipose Tissue Cohort“.

Die linke übergewichtige knock-out-Maus exprimierte kein Latrophilin-1, die schlanke Wildtyp-Maus rechts schon. (Nguyen Dietzsch A. 2024) 

Das Forschungsteam konkludiert, dass Latrophilin-1 die Energiehomöostase wahrscheinlich durch Nahrungsaufnahme kontrolliert, auch wenn groß angelegte klinische Daten fehlen.

Ob und wie der Rezeptor als potenzieller pharmakologischer Ansatzpunkt dienen kann, um die Nahrungsaufnahme bei Übergewicht zu regulieren, müssen weitere Studien zeigen. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren seien ein günstiges Target für die Entwicklung von Arzneimitteln, da sie einzigartige Strukturen besitzen, an denen sich gut angreifen ließe. Daher zeigten sich die Forschenden zuversichtlich für weitere Arbeiten.


Juliane Russ, M.Sc., DAZ-Redakteurin
jruss@dav-medien.de


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1 Kommentar

yRXPujqpEYwZ

von uYkKOlNUQejvxr am 19.06.2024 um 21:28 Uhr

buIOCgPrEHmKZl

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