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Gemeinsam waren die großen Apothekengewerkschaften in Frankreich Ende Mai auf die Straße gegangen. Die Nationale Krankenkasse ist seither auf einige ihrer Forderungen eingegangen, u. a. will sie eine Milliarde Euro zusätzlich ins System stecken. Aber die Gewerkschaften haben unterschiedlich auf das Angebot reagiert.
Erst vor wenigen Tagen waren Frankreichs Pharmazeuten auf die Straße gegangen: Am 30. Mai blieben fast 90 Prozent der französischen Apotheken geschlossen. Stattdessen hatten sich Apothekeninhaber und -Angestellte mit Pharmaziestudenten zu Protestmärschen versammelt, höhere Honorare und Subventionen für Apotheken in Not gefordert. Inzwischen hat sich eine der beiden großen Apothekengewerkschaften, die Fédération des Syndicats pharmaceutiques de France (FSPF), mit der Nationalen Krankenkasse in Frankreich geeinigt. Die zweite hingegen, die Union syndicale des pharmacies d'officine (USPO), weigert sich, einem Kompromiss zuzustimmen.
Die Proteste waren nur der Höhepunkt einer Auseinandersetzung mit der Nationalen Krankenkasse (CNAM) gewesen, mit der die Gewerkschaften bereits seit sechs Monaten verhandelt hatten. Eine Woche nach den Demonstrationen hatte die FSPF dann auf einer Generalversammlung über das aktuelle Angebot der CNAM abstimmen lassen – und 82 Prozent ihrer Stimmberechtigten hatten dafür gestimmt. Am 10. Juni unterzeichneten die Gewerkschaft und die CNAM daraufhin eine Einigung. Diese besagt, dass die Krankenkasse bis 2027 insgesamt mehr als eine Milliarde Euros (im Vergleich zu 2019) in die Apotheken investieren soll.
Eine Milliarde Euro zusätzlich
So will die Nationale Krankenkasse unter anderem 116 Millionen Euro für die Erhöhung des Apothekenzuschlags im Arzneimittelverkauf bereitstellen, 60 Millionen Euro mehr für die Vergütung von Impfungen, je zehn Millionen mehr für Bereitschaftsdienste und das Durchführen diagnostischer Schnelltests bei Mandel- und Blasenentzündungen, sowie vier Millionen Euro mehr für Beratungsgespräche. Apotheken in finanzieller Not sollen pro Jahr mit bis zu 20.0000 Euro subventioniert werden können und zwar bis zu drei Jahre lang, wie die Plattform Univadis berichtet. Vor allem auf dem Land hatten in den vergangenen Jahren in Frankreich viele Apotheken wegen wirtschaftlicher Probleme geschlossen, weitere Schließungen sollen so verhindert werden.
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Der französische Gesundheitsminister Frédéric Valletoux hat laut Univadis außerdem zugesagt, dass für Biosimilars und Hybridarzneimittel künftig die gleichen Margen gewährt werden sollen, wie für Referenzarzneimittel. Der FSPF schätzte den Mehrgewinn pro Apotheke dadurch auf durchschnittlich 50.000 Euro. Außerdem sollen die Apotheken künftig mit den Pharmaunternehmen über die Preise dieser Arzneimittel verhandeln dürfen, bei Generika ist das jetzt schon der Fall.
Die neuen Regeln würden die wirtschaftliche Lage deutlich ändern und es den Apotheken ermöglichen, sich „voll und ganz für die Substitution einzusetzen und der Krankenversicherung Einsparungen zu bringen", sagte Philippe Besset, Präsident der FSPF, gegenüber der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP). In der Vergangenheit hatten die Apotheken nach eigenen Angaben Verluste gemacht, wenn sie biologische Arzneimittel durch Biosimilars ersetzten.
Politikwechseln nach Europawahl
Besset sagte in seiner wöchentlichen Videoschalte, er habe die letzte Gelegenheit einer Einigung wahrnehmen wollen, bevor es durch die Europawahlen zu einem Politikwechsel kommen würde. Die Position der Apotheken sei nun durch die Honorarerhöhungen und die Nothilfen gestärkt worden. Bei Nichtunterzeichnung hätte man hingegen „wieder bei Null anfangen” müssen. Auf einem Kongress der FSPF erklärte Besset, durch die Einigung hätten „alle Apotheken gewonnen.“
USPO: Angebot deutlich unter Bedürfnissen
Anders sah das offenbar die USPO. Deren Präsident, Pierre-Olivier Variot, erklärte in einer Stellungnahme, warum seine Gewerkschaft das Angebot abgelehnt hatte: „Sechs Monate nach Beginn der Verhandlungen mit der Krankenkasse im Dezember 2023, lag das letzte auf den Tisch gelegte Angebot immer noch sehr deutlich unter den Bedürfnissen und Erwartungen des Berufsstandes”, erklärte er.
Man habe der CNAM Gegenvorschläge unterbreitet, die leider nicht berücksichtigt worden seien. Konkret ging es der USPO um weitere Neuerungen zur Abgabe von Biosimilars und Hybridarzneimitteln. Sie fordert, dass diese auch Teil des ROSP (La rémunération sur objectifs de santé publique) werden sollen – eines komplizierten staatlichen Prämien-Programms zur Senkung der Kosten im französischen Gesundheitssystem, das Apotheken zusätzliche Einnahmen verschaffen kann. Dies habe in der Kürze der Zeit von der Krankenkasse nicht garantiert werden können, doch man hätte gerne weiterverhandelt, erklärte Variot: „Die Gespräche hätten fortgesetzt werden können und in einigen Monaten zu einem positiven Ergebnis für das gesamte Apothekennetz führen können”.
Kritik an FSPF
Aus diesem Grund kritisierte er das Vorgehen der FSPF: „Die andere repräsentative Gewerkschaft des Berufsstandes hat beschlossen, die wirtschaftliche Zusatzvereinbarung allein zu unterzeichnen, obwohl sie unsere Position und die Gründe kannte, aus denen wir uns geweigert haben, dieses Dokument zu unterzeichnen. Dies ist umso bedauerlicher, als wir während des großen Mobilisierungstages am 30. Mai ein schönes Bild der Einheit und Solidarität gezeigt hatten”, heißt es in der Stellungnahme des USPO-Präsidenten.
Obwohl man „mehr oder weniger freundlich" unter Druck gesetzt worden sei, wolle er versichern, so Variot, dass man „nicht unterzeichnen, nicht nachgeben und nicht lockerlassen werde.“ Dies sei „eine Frage der Ehre, der Werte, der Konsequenz und der Glaubwürdigkeit.”
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