Schutz vor Überdosierungen

Frankreich schränkt Werbung für Ibuprofen deutlich ein

Lissabon - 18.07.2024, 10:45 Uhr

Solche Werbespots für Ibuprofen 400 mg sind künftig in Frankreich verboten. (Screenshot: DAZ/youtube)

Solche Werbespots für Ibuprofen 400 mg sind künftig in Frankreich verboten. (Screenshot: DAZ/youtube)


Frankreich hat Werbespots und Anzeigen für Ibuprofen teilweise verboten: Nicht mehr beworben werden dürfen Präparate, die 400 mg des Wirkstoffs enthalten, die höchste rezeptfrei erhältliche Dosis. Die französische Arzneimittelagentur ANSM will damit Überdosierungen vorbeugen. Werbung für Arzneimittel, die 200 mg Ibuprofen enthalten, bleibt weiterhin erlaubt.

Fast jeder in Frankreich kennt die Werbespots für das Präparat Nurofenflash 400 mg, eine Kombination aus 400 mg Ibuprofen und Lysin. Das Präparat wird darin bei Zahnschmerzen, schmerzhaften Regelblutungen und Kopfweh empfohlen. In einem Spot werden die verschiedenen Schmerzformen durch riesige Plüschfiguren verkörpert, die einen Zahn, ein von Blitzen traktiertes Gehirn und einen Uterus darstellen und Menschen quälen. Nurofenflash 400 mg befreie „schnell und effizient“ von diesen Monstern, so verspricht es die Werbung, die man sich bei Youtube weiterhin anschauen kann. Doch der Hersteller darf diesen und andere Spots für Präparate mit 400 mg Ibuprofen je Darreichungsform nicht mehr im Fernsehen zeigen. Jede Form der Werbung in Zeitungen, im TV, auf Internetseiten oder in anderen Publikumsmedien ist nun grundsätzlich verboten.

Die französische Arzneimittelagentur ANSM hatte das bereits im Februar beschlossen, im April trat das Verbot in Kraft. Offenbar vermutet die ANSM, dass die Werbung für die Zunahme von Gesundheitsproblemen nach der Einnahme von Ibuprofen verantwortlich ist. Die Berichte über schwere, unerwünschte Nebenwirkungen wie gastrointestinale Blutungen und Nierenschäden, seien parallel zum Umfang der Werbung für Ibuprofen 400 mg und dem Verkauf der hochdosierten Präparate angestiegen, heißt es in einer Erklärung.

Nutzen-Risiko-Bewertung bleibt positiv

Laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen können Blutungen des Magen-Darm-Trakts, aber auch Durchbrüche der Magen- oder Darmwand und Darmverschlüsse von allen nicht steroidalen Antiphlogistika ausgelöst werden. Unter der Einnahme von Ibuprofen (Tagesdosis 2400 mg) treten demnach innerhalb eines Jahres bei 6 bis 16 von 1000 Menschen Komplikationen des Magen-Darm-Trakts auf.

Die französische ANSM betont, trotz des Werbeverbots falle die Nutzen-Risiko-Bewertung des Arzneimittels weiterhin positiv aus. Empfehlungen sähen jedoch vor, zuerst eine Behandlung mit Ibuprofen 200 mg zu versuchen – wobei die empfohlene Einzeldosis für Erwachsene in der Selbstmedikation bei 200 bis 400 mg und pro Tag bei maximal 1200 mg liegt. Die 400 mg Tabletten ließen sich aber nicht sauber teilen. Und obwohl die Werbung einen Warnhinweis enthalten habe, nämlich: „Nutzen Sie eine so geringe Dosis wie möglich, Ibuprofen gibt es auch zu 200 mg”, habe sie nicht wirklich dazu angeregt, mit der niedrigsten Dosis, also 200 mg, zu beginnen.

Behörde will korrekten OTC-Gebrauch fördern

Das Verbot sei eine von mehreren Maßnahmen, um den korrekten Gebrauch von verschreibungsfreien Medikamenten zu fördern, teilte die ANSM mit. Seit dem Jahr 2019 dürfen Ibuprofen, Paracetamol und ASS in französischen Apotheken nur noch als OTC verkauft werden. Vorher waren sie zwar apothekenpflichtig, konnten aber im Verkaufsbereich frei angeboten werden. Außerdem waren den Packungsbeilagen Warnhinweise hinzugefügt worden, dass die Einnahme nicht steroidaler Antiphlogistika die Symptome bakterieller Infektionen überdecken und so die Diagnose und Behandlung verzögern kann. 

Philippe Vella, der medizinische Direktor der ANSM, nannte gegenüber der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) weitere Regeln für einen verantwortungsvollen Gebrauch von Ibuprofen: „Wichtig ist, es so kurz wie nötig zu nehmen, nicht länger als drei Tage bei Fieber und fünf Tage bei Schmerzen und ein Intervall von sechs Stunden zwischen zwei Dosen einzuhalten”, so Vella. Fieber oder Schmerzen solle man zudem zunächst versuchen, mit Paracetamol zu behandeln.

Franzosen bevorzugen Paracetamol statt Ibuprofen

Paracetamol ist in Frankreich deutlich beliebter als Ibuprofen, Frankreich hat europaweit mit den höchsten Paracetamol-Verbrauch. Im Jahr 2022 wurden dort mehr als 420 Millionen Schachteln Paracetamol verkauft. Im selben Jahre kauften die Franzosen nur etwa 34 Millionen Schachteln Ibuprofen, davon etwa 30 Millionen Schachteln Ibuprofen 400 mg und vier Millionen Schachteln Ibuprofen 200 mg.

Auch bei Paracetamol hat die ANSM Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr von Nebenwirkungen einzudämmen. In Frankreich verkaufte Packungen müssen außen mit dem rot gerahmten Warnhinweis „Surdosage – Danger” (Überdosierung – Gefahr) versehen werden, und dem Hinweis, dass eine Überdosierung die Leber zerstören kann. Von einem Werbeverbot sind die Paracetamol-Hersteller bisher nicht betroffen. In einem Spot für das Paracetamol-Präparat Doliprane Liqzuiz, der Vater und Sohn bei einer Kanutour zeigt, wird auch tatsächlich aktiv die geringere Dosis beworben. Als Kopfschmerzen den Sohn plagen, hat der Vater „Doliprane Liqzuiz 500 mg“ parat. Erst ganz am Ende des Spots wird neben der 500 mg Packung auch eine Packung von „Doliprane Liquiz 1000 mg“ eingeblendet.

Apothekergewerkschaft begrüßt Werbeverbot

Pierre-Olivier Variot, Präsident der französischen Apothekergewerkschaft Union des syndicats de pharmaciens d’officine (USPO), begrüßte das Werbeverbot für Ibuprofen 400 mg. „Werbung für Medikamente sollte nicht existieren. Auch nicht in der Selbstmedikation. Das sind keine Konsumprodukte wie alle anderen”, wird Variot vom Verbrauchermagazin „60 millions de comsommateurs” zitiert.  Das Magazin weist darauf hin, dass durch den Verkauf der Schmerzmittel im Handverkauf ohnehin keine Impulskäufe von Kunden zu befürchten seien, die durch die Werbung „hypnotisiert“ würden. Schließlich werde ja das Apothekenpersonal Empfehlungen für Dosis und Anwendung geben.

Das Magazin hatte dazu allerdings auch selbst einen Test unternommen, und in einer Pariser Apotheke nach „Nurofenflash“ verlangt, ohne eine Dosierung zu nennen. Daraufhin hatte die Apothekerin ohne nachzufragen eine 400 mg Dosierung ausgewählt – und dies damit begründet, dass das schließlich die Dosis für Erwachsene sei.


Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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