Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

04.08.2024, 07:30 Uhr

Was wäre, wenn alle Apotheken die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker, die Abgeordneten ihres Wahlkreises zu einem Apothekenbesuch einladen würden...? (Foto: Alex Schelbert) 

Was wäre, wenn alle Apotheken die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker, die Abgeordneten ihres Wahlkreises zu einem Apothekenbesuch einladen würden...? (Foto: Alex Schelbert) 


Die große Gesundheitspolitik hat zwar Sommerpause, aber hinter den Kulissen ist Arbeit angesagt. Guerillataktik. Graswurzelbewegungen. Die Politik an der Basis. Damit erreicht man oft mehr als mit großen lauten Auseinandersetzungen. Abgeordnete, Landesgesundheitsminister und -ministerinnen besuchen Apotheken und machen sich selbst ein Bild von der Lage. Und alle, auch die von der SPD, kommen zu dem Schluss: Die Apotheke braucht eine Honoraranpassung, die Apotheke ist unverzichtbar, die Apotheke geht nur mit Apotheker, mit Apothekerin. Da fragt man sich, wer unterstützt da überhaupt noch die Lauterbachsche Apothekenreform? Lasst uns selbst die Reform überarbeiten und dem Ministerium einen neuen Vorschlag unterbreiten: Eine Apothekenreform, mit der wir leben können. Eine Reform, von der Basis her gedacht. 

29. Juli 2024

Es war abzusehen: Immer mehr Apotheken produzieren Elektronikschrott, sie verabschieden sich von ihren lokalen Konnektoren. Dieses kleine Elektronikkästchen ist das Bindeglied, mit dessen Hilfe der Apothekencomputer einen sicheren Zugang zur Welt der Telematik-Infrastruktur (TI) hat. Nun ja, eigentlich war er eine Todgeburt: Zum einen war für Elektronik-Insider von Anfang an klar, dass über kurz oder lang diese Hardware in dieser Form nicht lange benötigt wird, Stichwort ist die TI 2.0, die ohne Konnektoren auskommen wird. Zum andern zeigte es der Anbieter RedMedical – nicht zur Freude der Apotheken-IT-Häuser –, dass so ein Konnektor gar nicht physisch in der Apotheke stehen muss, sondern sein Dasein auch in einer Konnektorfarm, sprich in einem Rechenzentrum fristen kann, mit einigen Vorteilen. Mittlerweile ist es klar, das dies schon bald die Regel sein wird, er wird nicht mehr gebraucht. Seit dem vergangenen Jahr hat das Unternehmen CGM die Version „CGM Managed TI“ im Portfolio, wo die Verbindung zur TI über das CGM-Rechenzentrum erfolgt. Nun bietet ein weiterer Player im Markt den „TI-as-a-Service“ (TIaaS) an: Noventi hat dieses Angebot unter dem Label „Noventi Connect TIaaS“ im Programm. Das bedeutet, dass Apotheken mit einem Warenwirtschaftssystem von Noventi den Service über das TIaaS-Rechenzentrum nutzen können (wo dann die Konnektoren stehen). Was natürlich viele Vorteile hat: Backup-Konnektoren, redundante Infrastruktur, permanente Überwachung der TI-Infrastruktur. Mein liebes Tagebuch, die Tage des Konnektors in der Apotheke sind angezählt. Man darf davon ausgehen, dass demnächst weitere Anbieter ihre TI-as-a-Service-Lösungen in den Apothekenmarkt bringen werden. Und schon in wenigen Monaten soll dann die TI 2.0 alles ablösen: weg mit den Konnektoren, Heilberufsausweisen und Institutionskarten. Die Gematik spricht bereits von der „Arena für digitale Medizin“. Mein liebes Tagebuch, ob das ein digitaler Befreiungsschlag wird, werden wir sehen.

 

30. Juli 2024

Während in einigen europäischen Ländern die männlichen Erektionshelfer, die Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5-Inhibitoren), bereits rezeptfrei in Apotheken erhältlich sind, tun sich die deutschen Behörden noch schwer damit, die Präparate aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Seit über zehn Jahren laufen die Vorstöße der Hersteller für einen Switch von Rx zu OTC ins Leere. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht lehnte einen Switch im Sommer 2023 zum wiederholten Mal ab. Der Hersteller Sanofi versuchte erneut, einen Sinneswandel deutscher Behörden in Gang zu setzen und lud ein Expertengremium zu einem evidenzbasierten Konsensgespräch ein mit dem Ziel einer strukturierten Nutzen-Risiko-Analyse zur Neueinstufung von Tadalafil: Vorteile, Nachteile. Man schaute dabei auch nach Großbritannien, wo Apothekerinnen und Apotheker schon seit 2017 Erfahrungen mit der rezeptfreien Abgabe von Viagra haben. Die Apotheken beraten dort anhand einer Checkliste, die ein strukturiertes Beratungsgespräch ermöglicht. So kann entschieden werden, ob man den Patienten an einen Arzt verweist oder ob er ein Fall für die Selbstmedikation ist. Das aktuelle Expertengespräch kam letztlich zu dem Schluss, das die Vorteile der Neueinstufung von Tadalafil als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel höher seien als die Risiken. Mein liebes Tagebuch, vielleicht sieht vor diesem Hintergrund eine neue Bewertung in Deutschland anders aus. Eine sorgfältige apothekengestützte Beratung im Rahmen der Selbstmedikation ist allemal besser als ein risikobehafteter Bezug und Kauf solcher Präparate im Internet, wobei hier auch die Gefahr von Fälschungen miteinhergeht. Bisherige Switches, bei denen die Apotheken in eine intensivere Beratungspflicht genommen werden (z. B. Triptane, Pille danach), haben bisher gute Ergebnisse gezeigt. Gut möglich, dass auch die Zeit in Deutschland reif ist für Erektionshelfer in der Selbstmedikation – mit Apothekenberatung.

 

Übrigens, nicht nur aus heilberuflicher Sicht, auch mit betriebswirtschaftlicher Brille betrachtet spricht einiges für eine Aufhebung der Verschreibungspflicht von PDE-5-Inhibitoren. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Anteil der Patienten, die von dieser Behandlung profitieren, in etwa verdoppeln würde. Die Vor-Ort-Apotheken-Apotheken würden im Falle des rezeptfreien Status von PDE-5-Inhibitoren als erste Anlaufstelle für viele Männer mit erektiler Dysfunktion eine wichtige Lotsenrolle über­nehmen, so die Studie sinngemäß. Klar, es gibt einen zusätzlichen Beratungsaufwand, vielleicht kommt auch mal ein Kunde im Nachtdienst vorbei. Aber ist es nicht allemal besser, wenn diese Präparate in der Vor-Ort-Apotheke bleiben, statt dass die Kunden ins Internet abwandern, zumal ein Bedarf in vielen Fällen spontan entsteht. Die Studie zeigt jedenfalls, dass Apotheken nach einem Switch einen erheblichen Zuwachs an Verkäufen bei den PDE-5-Hemmern verzeichnen werden.

 

31. Juli 2024

Der Großhändler AEP will seinem Ruf als Großhändler mit guten Konditionen immer wieder gerecht werden. Klappt nicht immer. so auch beim jüngsten Versuch, seinen Kunden eine kleine Alternative zum verbotenen Skonti-Aus zu bieten: AEP gewährte seinen Kunden eine bis zu 0,45-prozentige Vergütung, wenn diese ihren Rechnungsausgleich per Lastschrift zuließen. Die Wettbewerbszentrale sah darin eine Umgehung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Pfeiler für die Großhandelsvergütung und mahnte AEP ab. Der Großhändler wollte allerdings nicht auf diese neue Rabattierung verzichten – die Angelegenheit landete beim Landgericht Aschaffenburg, das dem Großhändler die Zusatzvergütung untersagte. AEP will dies allerdings nicht akzeptieren und weiter kämpfen: Attraktive Konditionen seien auch in Zukunft „ein wichtiger Baustein für unser Geschäftsmodell…“.

 

1. August 2024

Es zeigt sich immer wieder: Vor Ort, in den Niederungen des Gesundheitswesen, auch bei der Apotheke vor Ort beurteilen selbst Gesundheitspolitikerinnen und -politiker der sozialdemokratischen Partei Deutschlands (deren Bundesgesundheitsminister gerade dabei ist, die bewährte Apothekenstruktur abzuschaffen) die Bedeutung der Apotheke anders als der Bundesminister. Jüngstes Beispiel ist der Apothekenbesuch von Stefanie Drese, Gesundheitsministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Ihre klare Ansage: „Eine Apotheke kann nur mit hochqualifizierten Fachpersonal geführt werden. Das Prinzip der persönlichen Leitung und Verantwortung des Apothekers bzw. der Apothekerin muss erhalten bleiben.“ Drese sprach sich außerdem gegen die geplante Schaffung von Doppelstrukturen im Nacht- und Notdienst aus, wie es das Gesetz zur Reform der Notfallversorgung vorsieht. Und ja, die Landesgesundheitsministerin unterstützt auch die Forderung der Apothekerschaft nach einer Anpassung der Honorierung. Mein liebes Tagebuch, sieht dies eigentlich Lauterbach, wie sich gerade seine Landesministerinnen und -minister auf die Seite der Apotheken stellen?

 

2. August 2024

Überhaupt, in den Ländern ist wesentlich mehr Verständnis für die Lage und Sorgen der Vor-Ort-Apotheken festzustellen als im Bund. Beispiel Bayern: Hier traf sich Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) mit den Chefs von Apothekerverband (BAV), Hans-Peter Hubmann, und -kammer (BLAK), Thomas Benkert, um sich über die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Apothekenreform auszutauschen. In Bayern zeigt sich die klare Linie: Das angedachte Gesetz würde die Arzneimittelversorgung nicht verbessern, sondern gefährden. Für Gerlach steht fest: „Die Bundesregierung muss diesen Gesetzentwurf in Abstimmung mit den Apothekerinnen und Apothekern und den Ländern dringend überarbeiten.“ Mein liebes Tagebuch, vielleicht sollten wir die Sommerpause nutzen, um mal eine „Formulierungshilfe“ zu erarbeiten, wie wir Apothekers uns eine Apothekenreform vorstellen könnten.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

PDE-5-Inhibitoren Notdienst

von Sonja Kirchner am 05.08.2024 um 9:50 Uhr

Da ich die obligatorischen Belästigunganrufe im Notdienst sehr (ver)störend finde, werde ich als Frau alleine im Notdienst bestimmt nicht zu PDE-5-Inhibitoren beraten!
Für mich stellt dies auch keinen Notfall dar.

p.s.: danke für die angenehme Schreibweise (ohne Doppelpunkte und "innen")

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Was bringt uns eine Totalblockade?

von Ulrich Ströh am 04.08.2024 um 8:36 Uhr

Stimmt , Herr Ditzel,
eine Apothekenreform von der Basis her gedacht…

Gibt es doch schon mehrfach,wird von der ABDA nur nicht aufgegriffen .

Stattdessen nur Totalblockade und Karl Lauterbach demonstrativ in der Öffentlichkeit den Rücken zudrehen.
Was soll das noch bringen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Was bringt uns eine Totalblockade

von Beldowitz am 04.08.2024 um 8:51 Uhr

Karl Lauterbach dreht uns den Rücken zu und alle Argumente perlen an ihm ab.

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