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Es baut sich deutlich Widerstand gegen Lauterbachs Aporeform auf. Die Professoren an Pharmazeutischen Hochschulen machen in einer Stellungnahme auf die Missachtung und Geringschätzung des Apothekerberufs durch die Politik aufmerksam. Apotheken ohne Apotheker seien genauso eine Missachtung wie der Stillstand bei der Novellierung der Approbationsordnung. Deutschlands Boulevardblatt „Bild am Sonntag“ führt seinen Leserinnen und Leser die Gründe für „das große Apothekensterben“ vor Augen. Widerstand kommt auch von der FDP: Zwei FDP-Minister blockieren derzeit die Aporeform. Und die ABDA? Sie startet wieder Mal ihre altbekannte Musterbrief- und Unterschriftenkampagne. Statt ein Konzept auszuarbeiten, wie Apothekers sich eine Aporeform vorstellen könnten. So ein Konzeptvorschlag kommt auch von der FDP – aus Thüringen: Mehr Honorar für Apotheken, stärkere Nutzung der pharmazeutischen Kompetenz. Das sind mal positive Reformideen.
12. August 2024
Ginge es nach dem Bundesrat und nach den Gesundheitsministerien der Bundesländer, dann wäre Lauterbachs Apothekenreform schon längst gecancelt, zumindest in der aktuellen Version: Aus so gut wie keinem Bundesland kommt Zustimmung für das Vorhaben von Lauterbach, Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker zuzulassen. Und viele Landespolitikerinnen und -politiker würden den Apotheken auch eine deutliche Honorarerhöhung zugestehen. Sie verstehen, dass es ein Unding ist, wenn ein Berufsstand über zehn Jahre keine Erhöhung des Honorars erhalten hat. Für die Bundestagsabgeordneten gab es fast jedes Jahr (außer 2020 pandemiebedingt) eine Erhöhung der Diäten. Die politische Stimmung der Länder pro Apothekers, pro Apotheken ist dem Bundesgesundheitsminister und seinem Ministerium allerdings zuwider: Es wäre für ihn ein Rückschlag, wenn der Bundesrat dem Gesetz der Apothekenreform zustimmen müsste. Und so versucht Lauterbach tunlichst alles in diesem Gesetzesvorhaben zu vermeiden, das eine Zustimmungspflicht auslösen könnte. Konkretes Beispiel: Enthielt der erste Entwurf noch Pläne, mit denen Anerkennungsmöglichkeiten für ausländische Fachkräfte mit nicht abgeschlossener Ausbildung geschaffen werden sollten, wurden diese Passagen aus dem aktuellen Gesetzentwurf gestrichen – sie hätten offensichtlich die Belange der Bundesländer berührt und eine Zustimmungspflicht der Länder ausgelöst. Dennoch, mein liebes Tagebuch, die positive Stimmung in den Bundesländern pro Apotheke und gegen Apotheken light, ist nicht zu unterschätzen, sie könnte so manche Abgeordneten zum Nachdenken pro Apotheke bewegen – und auf sie kommt es an, sie beschließen das Gesetz und nicht Lauterbach.
Eine aktuelle Stellungnahme der Professoren an Pharmazeutischen Hochschulen, die Konferenz der Fachbereiche Pharmazie, lässt aufhorchen: Sie sorgen sich über die mangelnde Wertschätzung der Ausbildung zum Apotheker für die öffentliche Apotheke. Das Ansehen dieser Ausbildung werde immer weiter herabgewürdigt. Mein liebes Tagebuch, diese Stellungnahme sollte Alarmglocken im Bundesgesundheitsministerium (BMG) schrillen lassen! Die Professores beziehen sich im Wesentlichen auf drei Punkte: das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG), das zulassen will, dass Apothekerinnen und Apotheker durch PTA ersetzt werden – eine Missachtung und Geringschätzung des Apothekerberufs! Eine Missachtung sehen die Hochschullehrer auch in der kürzlich erfolgten Änderung des Pflichttextes bei der Werbung für OTC-Arzneimittel: Der Text lässt Apothekerinnen und Apotheker unerwähnt. Eine Missachtung stellt letztlich auch der Stillstand bei der Novellierung der Approbationsordnung dar, so die Hochschullehrer-Konferenz. Vollkommen richtig, die derzeit gültige Ausbildung ist 35 Jahre alt, ein Positionspapier der Bundesapothekerkammer zur Novellierung der Ausbildung liegt dem BMG seit über einem Jahr vor, ohne dass sich etwas tut. Zudem kommt Druck von einer neuen EU-Richtlinie, die die Umsetzung von Mindestanforderungen für die Apothekerausbildung bis März 2026 erforderlich macht. Mein liebes Tagebuch, diese Herabwürdigungen des Apothekerberufs sind ein Skandal. Man stelle sich vor, mit den Ärztinnen und Ärzten würde so umgegangen…
„Das große Apothekensterben“ lautet die prominente Überschrift in der „Bild am Sonntag“ (BamS) vom 11. August 2024. Es ist in Deutschlands Boulevard-Blatt Nummer 1 angekommen, dass es den Apotheken hierzulande nicht mehr gut geht. Schon die ersten Zeilen des Artikels zeigen, wo’s lange geht: „Vorbei ist das Klischee des Porsche fahrenden Apothekers, der dreimal im Jahr in den Urlaub fliegt, in einer schicken Villa wohnt und sich die Taschen vollmacht. Die Branche kämpft ums Überleben“. Die BamS hat sich bei Fachleuten kundig gemacht, warum und wo es bei den Apotheken klemmt und brennt. Zu Wort kommt Magdalene Linz, ehemalige Präsidentin der Landesapothekerkammer Niedersachsen und der Bundesapothekerkammer, die den Leserinnen und Lesern deutlich macht, dass von den Millionenumsätzen der Apotheke nicht mal ein Prozent Gewinn übrig bleibt. Merle Looschen, Apothekerin aus Niedersachsen, erklärt die Risiken der Hochpreiser für die Apotheken und Rechtsanwalt Moritz Wollring berichtet, dass er mittlerweile immer mehr Apotheker berät, „die entweder kurz vor oder schon in der Insolvenz sind“. Mein liebes Tagebuch, der BamS-Beitrag sagt alles über die desolate finanzielle Situation der Apotheken und macht deutlich, dass Lauterbachs Aporeform mit der Umverteilung des Honorars der falsche Weg ist.
13. August 2024
Mit ihrer Blockadehaltung, mit ihrem Konfrontationskurs wird die ABDA in Sachen Apothekenreform nichts erreichen – diese Meinung vertritt der Vorstand des Verbands innovativer Apotheken (via) im DAZ-Gespräch. Mit diesem Kurs ernte die Berufsvertretung bei vielen Apothekerinnen und Apotheker keine Zustimmung. Vor allem: Die ABDA habe versäumt, zukunftsweisende Lösungen für die Apotheken zu entwickeln und an die politischen Entscheidungsträger zu vermitteln. Mein liebes Tagebuch, dem kann man nur zustimmen: Wo sind denn eigentlich die Vorschläge der Apothekerschaft für eine Apothekenreform? Und ja, die Lauterbachsche Reform kann man in Gänze nicht ablehnen, so via, es sei die Aufgabe der Verbände aus dem „schlechten Entwurf“ die „guten Dinge“ herauszuarbeiten und „Dinge, die gar nicht gehen, zu verhindern“. Mein liebes Tagebuch, wäre es nicht wirklich sinnvoller gewesen, auf Dialog statt auf Konfrontation zu setzen? Und im Dialog hätte man unsere Vorschläge und Ideen einbringen können, wenn man sie denn ausgearbeitet hätte…
14. August 2024
Kampagne à la ABDA: Musterbrief-Verteilung und Unterschriftenlisten. Unserer Berufsvertretung fällt einfach nichts Besseres ein als den Apothekerinnen und Apothekern Musterbriefe zur Verfügung zu stellen, die diese dann an ihre Abgeordneten schicken können. Außerdem werden den Apotheken noch Unterschriftenlisten angeboten, die in der Offizin ausgelegt werden, damit sich die Patientenschaft dort eintragen kann. Wer glaubt denn heute noch, dass man mit Unterschriftenlisten viel bewegen kann? Und mal ehrlich, wenn man als Abgeordneter mit Textbausteinen und Musterbriefen bombardiert wird – wird das etwas bringen außer einer vollen Ablage P im Abgeordnetenbüro? Wenn bei den Parlamentariern jetzt immer noch nicht angekommen ist, dass es den deutschen Apotheken schlecht geht und die Aporeform es noch schlechter macht, dann helfen auch keine Musterbriefe. Helfen könnten da schon eher persönliche Gespräche, Dialogbereitschaft und ein Aufeinanderzugehen statt Konfrontationskurs. Aber davon ist bei der ABDA noch nichts zu spüren.
15. August 2024
Es wird immer spannender, je näher der 21. August kommt, der Termin, an dem sich das Bundeskabinett mit dem Apotheken-Reformgesetz befassen soll. Nachdem ein erster Termin (17. Juli) nicht gehalten werden konnte, nachdem Lauterbach mit einer fehlenden Rechtsförmlichkeitsprüfung wegen des Urlaubs von Bundesjustizminister Buschmann flunkerte, soll’s nun nächste Woche so weit sein.
Oder doch nicht? Wie zu hören war, hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), ein Veto gegen die geplante Apothekenreform eingelegt. Mein liebes Tagebuch, was tut sich da? Stark-Watzinger hat einen „Leitungsvorbehalt“ eingelegt, es ist ein Weg, um ein Gesetzvorhaben – zumindest temporär – zu blockieren. Der Grund für die Blockade: Es gehe u. a. um die Frage, „ob eine oder mehrere Apothekerinnen und/oder Apotheker in direkter und persönlicher Verantwortung als Filialleitung fungieren sollten“, so das Bildungsministerium. Damit könnte wohl das aus Apothekersicht indiskutable Thema „Apotheke ohne Apotheker“ gemeint sein. Darüber hinaus scheint auch nach wie vor Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Bedenken gegen die Aporeform zu haben: Die Rechtsförmlichkeitsprüfung ist nämlich immer noch nicht abgeschlossen. Fassen wir zusammen: Zwei FDP-geführte Ministerien stellen sich gegen die Apothekenreform – alles andere als Zufall. Wir erinnern uns: Einige FDP-Abgeordnete hatten sich von Anfang an gegen die Apotheke ohne Apotheker ausgesprochen. Hält die FDP also Wort und setzt alle Hebel in Bewegung, um Scheinapotheken in Deutschland zu verhindern? Mein liebes Tagebuch, die kommende Woche wird spannend. Übrigens, sollten sich Stark-Watzinger und Lauterbach nicht einigen, hat Kanzler Olaf Scholz das letzte Wort.
16. August 2024
Honorarerhöhung für Apotheken? Für Lauterbach ein absolutes No-Go. Nicht so für für den Thüringer Gesundheitspolitiker Robert-Martin Montag, der volles Verständnis für den Apothekenprotest zur Honorarfrage zeigt. Bereits im April veröffentlichte er ein Alternativkonzept für die Apothekenhonorierung: Fixzuschlag auf zehn Euro erhöhen und verschiedene weitere Komponenten dynamisieren nach dem Motto: „Leistung muss sich lohnen“. Jetzt legt er nach und zeigt, wie er dieses Motto verstanden haben will und wie konkret die Gegenfinanzierung der Honorarerhöhung aussehen könnte. Mal nur kurz angerissen: Er will die Apotheken und ihr pharmazeutisches Wissen vor allem im ländlichen Raum noch viel stärker in die Versorgung miteinbeziehen. Apotheken sind für ihn keine reine Medikamentenabgabestellen. Montag sieht Bedarf z. B. beim qualifiziertem Medikamentenmanagement, bei der Complianceverbesserung. Daraus ergäben sich Einsparungen für die GKV. Montag schlägt außerdem vor, die pharmazeutischen Dienstleistungen besser zu vergüten – hier sieht er die Möglichkeit zu „signifikanten Kosteneinsparungen durch Qualitätssteigerungen“. Es sei „keine intellektuelle Herausforderung“, so Montag gegenüber der DAZ, die Mehrausgaben durch eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Apotheken zu schultern. Und vor allem brauche man „keine Revolution im Gesundheitssystem, wie Lauterbach es vorhat“. Mein liebes Tagebuch, das hört sich doch unterm Strich erstmal konstruktiv und vernünftig an – in diesen Ideen stecken zumindest sinnvolle Ansätze, das Wissen und die Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker besser zu nutzen. Statt das Apothekensystem auf den Kopf zu stellen und Apotheken ohne Apotheker einzuführen, wie die Lauterbach-Reform es vorhat, will der Vorschlag von Montag die pharmazeutische Kompetenz der Apotheken stärker nutzen. Das sind doch echte positive Reformideen. Und wieder fragen wir uns, warum von unserer Standesführung keine konkreten Vorschläge in diese Richtung gekommen sind, warum hier eine Blockadehaltung verfolgt wird, statt sich konstruktiv und zukunftsgerichtet einzubringen.
Mein liebes Tagebuch, hier kommen heute noch zwei Lesetipps fürs Wochenende aus der Zeitschrift AWA – Apotheke und Wirtschaft, beide Beiträge mit verblüffend anderen Ergebnissen als erwartet. In der AWA-Ausgabe 15/2024 hat Professor Dr. Reinhard Herzog mal nachgerechnet, ob die lieben Wettbewerber aus dem Versandhandel und bei den Drogeriemärkten überhaupt imstande wären, die Arzneimittel-Versorgung günstiger hinzubekommen als die Vor-Ort-Apotheken – mal abgesehen von den besonderen Merkmalen unserer Apothekers wie persönliche Beratung etc. Hier geht’s zum Artikel.
Und die aktuelle AWA-Ausgabe 16/2024 enthält eine modellhafte Rechnung, wie eine Automaten-Apotheke im Vergleich zu einer Präsenzapotheke abschneidet, von der Seite der Kosten (pro Kunde) her betrachtet. Diesen Artikel erreichen Sie hier.
Soviel vorab: Bei beiden Rechnungen fiel das Ergebnis deutlich anders aus, als man auf den ersten Blick vermuten würde: So wäre weder die Arzneimittelversorgung über DocMorris, DM & Co. günstiger als in den Präsenzapotheken, noch würde eine Automatenapotheke nach heutigem Stand der Technik kostenseitig zwangsläufig besser abschneiden. Wir wünschen Ihnen viel Lesevergnügen.
5 Kommentare
Kein Wunder
von Dr. Radman am 18.08.2024 um 12:10 Uhr
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Erfolgskurs?
von Ulrich Ströh am 18.08.2024 um 7:52 Uhr
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AW: Erfolgskurs
von Beldowitz am 18.08.2024 um 8:05 Uhr
AW: Erfolgskurs
von Dr.Diefenbach am 18.08.2024 um 11:20 Uhr
AW: Erfolgskurs
von Beldowitz am 18.08.2024 um 13:53 Uhr
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