Arzneimittel ohne N-Kennzeichen sind nicht immer erstattungsfähig

Vorsicht bei Jumbopackung

22.08.2024, 09:15 Uhr

Wird eine Jumbopackung zulasten der GKV abgerechnet, folgt in der Regel ein Retax. (Foto: DAZ / Sket)

Wird eine Jumbopackung zulasten der GKV abgerechnet, folgt in der Regel ein Retax. (Foto: DAZ / Sket)


Die meisten Arzneimittel sind auf Basis der enthaltenen Menge in der Packungsgrößenverordnung einem definierten N-Bereich zugeordnet. Fällt die Menge nicht in einen Normbereich, so wird auch kein N-Kennzeichen vergeben. Werden Arzneimittel ohne N-Kennzeichen für Versicherte zulasten einer GKV verordnet, so sollte in der Apotheke erhöhte Aufmerksamkeit herrschen.

Solange die Menge zwischen zwei N-Bereichen oder unterhalb des N1-Bereichs liegt, ergibt sich kein Problem und die nach Stückzahl verordnete Menge ist abgabefähig. Wurde jedoch eine Packung verordnet, deren Menge oberhalb des Nmax-Bereichs liegt, handelt es sich um eine Jumbopackung. Wird diese zulasten der GKV abgerechnet, folgt in der Regel ein Retax. Dies musste auch eine Apotheke erfahren, die auf eine Verordnung über „GinoRing 0,120 mg/0,015 mg pro 24 h vaginales WFS 6 St.“ das aut-idem-konforme Präparat „Cyclelle 120 µg/15 µg pro 24 Stunden Vaginalring 6 St.“ abgab. Diese Packungsgröße trägt keine Normierung, als N3-Packung ist eine Packung mit drei Stück im Handel. Nach der Einordnung in die Packungsgrößenverordnung ist die 6er-Packung eine Jumbopackung. 

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Es folgte ein Retax mit Verweis auf § 31 Abs. 4 SGB V, der die Abgabe von Jumbopackungen auf Kosten der GKV ausschließt:

„[…] Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.“

Das Verbot zur Abgabe von Jumbo­packungen ist zusätzlich auch in § 8 Abs. 2 des Rahmenvertrags verankert:

„Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach § 31 Absatz 4 Satz 1 SGB V bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach § 31 Absatz 1 SGB V und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Kranken­versicherung abgegeben werden.“

Somit ist diese Retaxation leider berechtigt, aber die Apotheke fragt sich, wie zukünftig mit ähnlichen Verordnungen umzugehen ist.

Eine Verordnung über ein Arzneimittel ohne N-Kennzeichen ist in diesem Fall nicht erstattungsfähig.

Regelfall: neue Verordnung erforderlich

Im Regelfall ist eine neue Verordnung erforderlich. Ein Stückeln mit mehreren kleineren Packungen oder das Kürzen auf die Menge des Nmax-Bereichs (im vorliegenden Fall auf eine N3) sowie eine Rezeptänderung durch die Apotheke nach ärztlicher Rücksprache sind vertraglich nicht vorgesehen, wenn eine Jumbopackung verordnet wurde. Anders sieht es allerdings im Akutfall oder Notdienst aus: Wenn keine ärztliche Rück­sprache möglich ist, sieht der Rahmenvertrag in § 17 weitergehende Handlungsmöglichkeiten vor:

„Macht ein dringender Fall die unverzügliche Abgabe eines Fertigarznei­mittels erforderlich und ist eine Rück­sprache mit dem verordnenden Arzt nicht möglich, gilt: […]

7. Überschreitet die nach Stückzahl verordnete Menge die größte für das Fertigarzneimittel festgelegte Messzahl, ist nur die nach der geltenden PackungsV aufgrund der Messzahl bestimmte größte Packung, ein Vielfaches dieser Packung, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge abzugeben oder die der verordneten Menge nächstliegende kleinere vorrätige Packungs­größe. § 8 Absatz 1 gilt.“

Ist im dringenden Fall also eine Jumbo­packung zulasten einer GKV verordnet, darf eine Packung, die dem größten definierten Normbereich entspricht, oder ein Vielfaches dieser Packung abgegeben werden, jedoch nicht mehr als die verordnete Menge. Alternativ kann die der verordneten Menge nächstliegende kleinere vorrätige Packungsgröße abgegeben werden.

Teilweise können in Regionallieferverträgen weitergehende Regelungen dazu vereinbart sein, dies sollten Apotheken jeweils prüfen.

Um Retaxationen zu vermeiden, sollten Individualverordnungen über Jumbopackungen nicht auf GKV-Kosten abgerechnet werden.

Ausnahme: Jumbopackungen im Sprechstundenbedarf

Eine Ausnahme stellt der Sprechstundenbedarf (SSB) dar: Im SSB gilt nicht der Rahmenvertrag, es muss das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V beachtet werden. Daher können im SSB auch Jumbopackungen verordnet und von der Apotheke abgegeben werden, wenn es die wirtschaftlichste Variante ist. Denn werden die Jumbopackungen von der Apotheke im SSB nicht beachtet, kann dies wiederum zu Retaxationen führen. In allen anderen Fällen – also vor allem bei Individualverordnungen auf Muster-16- oder E-Rezepten – stellt die Abgabe und Abrechnung einer Jumbopackung einen Retaxgrund dar.

Bei der Rezeptbelieferung sind unzählige Vorschriften zu beachten, sonst droht eine Retaxation. Das DeutscheApothekenPortal (DAP) bietet rund um Arzneimittelabgabe und Retaxprobleme Rat und Hilfe an: www.deutschesapothekenportal.de

Sind Sie von einer Retaxation betroffen oder haben Sie Fragen zur Rezeptbelieferung? Schicken Sie Ihren Fall an abgabeprobleme@deutschesapothekenportal.de


Christina Dunkel, DAP


Corinna Lammert


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