Notfallreform

Länder gegen Parallelstrukturen und Dispensierrecht für Notärzte

Berlin - 17.09.2024, 15:15 Uhr

Die allermeisten Länder halten die bestehenden Notdienststrukturen der Apotheken für ausreichend. (Foto: IMAGO / Michael Schick)

Die allermeisten Länder halten die bestehenden Notdienststrukturen der Apotheken für ausreichend. (Foto: IMAGO / Michael Schick)


Die Pläne der Bundesregierung für „notdienstpraxisversorgende Apotheken“ mit speziellen Verträgen stoßen in den Ländern auf Kritik. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates hat nun zahlreiche Änderungsvorschläge formuliert, über die das Plenum Ende September abstimmen wird.

Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat sich in der vergangenen Woche mit dem Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung befasst. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat hier bekanntlich einiges vor. Insbesondere will er die drei Versorgungsbereiche – vertragsärztlicher Notdienst, Notaufnahmen der Krankenhäuser und Rettungsdienste – besser vernetzen und aufeinander abstimmen. Integrierte Notfallzentren (IVZ) sollen geschaffen werden. Auch die Steuerung der Notfallpatienten soll besser laufen. Und nicht zuletzt hat der Minister auch die Versorgung mit Arzneimitteln im Blick: Um die IVZ mit den benötigten Arzneimitteln zu beliefern, sollen die zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen mit den beteiligten Krankenhäusern und Apotheken Versorgungsverträge schließen. Ein neuer § 12b im Apothekengesetz soll diese neue Vertragsart regeln. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass die notdienstpraxisversorgenden Apotheken in unmittelbarer Nähe zur Notdienstpraxis liegen sollen – ist das nicht möglich, ist eine zweite Offizin mit Lagerräumen am Standort der Notdienstpraxis zu betreiben. Für den Fall, dass kein Versorgungsvertrag geschlossen ist, sollen die Notarztpraxen ein begrenztes Dispensierrecht erhalten.

In der Apothekerschaft kommen diese Pläne nicht gut an – schließlich gibt es bereits funktionierende Strukturen für die Arzneimittelversorgung in Notfällen. In den Ländern hat man zugehört. Und so haben sie für den Gesundheitsausschuss und letztlich das Bundesratsplenum eine Reihe von Nachbesserungsvorschlägen formuliert. 

Bayern will keinen neuen Versorgungsvertrag

Am radikalsten ist ein Antrag aus Bayern, der alle geplanten Neuregelungen, die Apotheken betreffen, streichen will: keine Verträge, keine Zweitoffizin, kein Notfall-Dispensierrecht. Zur Begründung heißt es unter anderem, dass für die Einführung einer „notdienstpraxisversorgenden Apotheke“ gemäß § 12b ApoG keine Notwendigkeit bestehe. „Vielmehr würde eine Parallelstruktur zu den nacht- und notdiensthabenden Apotheken geschaffen. Die vollumfassende Arzneimittelversorgung ist durch das bestehende Netz an öffentlichen Apotheken – auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten durch die nacht- und notdiensthabenden Apotheken – rund um die Uhr sichergestellt. Die bisherige wohnortnahe Organisation des Apotheken-Nacht- und Notdienstes hat sich bewährt und soll erhalten bleiben.“

Zahlreiche Hilfsempfehlungen 

Allerdings haben die Bayern nur sechs andere Länder auf ihrer Seite, sechs weitere sind dagegen und drei enthalten sich. Für den Fall, dass der von Bayern initiierte Antrag im Plenum keine Mehrheit findet, haben Länder, die ihn ablehnen „Hilfsempfehlungen“ abgegeben. So kommt aus Brandenburg und Nordrhein-Westfalen ein moderaterer Vorschlag, der die neuen Versorgungsverträge nicht gänzlich ablehnt, wohl aber, dass in Notdienstpraxen Arzneimittel zur Überbrückung abgegeben werden können, sofern ein solcher Vertrag nicht abgeschlossen wird. Zur Begründung verweist der Antrag nicht nur auf das etablierte Notdienstsystem der Apotheken. Er gibt auch zu bedenken, welcher Aufwand es wäre, Vorräte und Lagerräumlichkeiten in den Notdienstpraxen zu schaffen. Wirtschaftlich wäre derartiges aus Ländersicht gar nicht möglich – es müsse schließlich praktisch das gesamte Apothekensortiment vorrätig gehalten werden. Zu dieser Empfehlung gibt es lediglich zwei Enthaltungen, sonst nur Zustimmung. 

Weiterhin empfehlen Brandenburg und NRW Präzisierungen an der geplanten Regelung zum Versorgungsvertrag sowie zur Vergütung.  Brandenburg stellt überdies einen Antrag, wonach klargestellt werden soll, dass in den Räumlichkeiten der zweiten Offizin mit Lagerräumen keine Herstellungstätigkeiten durchgeführt werden dürfen.

Die nächste Plenumssitzung des Bundesrates findet am 27. September statt. Dann wird sich zeigen, welche Empfehlungen in die Stellungnahme der Länderkammer zum Notfallreformgesetz fließen werden. Zu diesen Empfehlungen wird sich die Bundesregierung dann in einer Gegenäußerung positionieren. Umsetzen muss sie diese allerdings nicht, denn es handelt sich nicht um ein zustimmungspflichtiges Gesetz. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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