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- So negativ wie noch nie
Rund zwei Drittel der deutschen Apothekerinnen und Apotheker gehen von einer schlechteren Entwicklung ihrer eigenen Apotheke in den nächsten zwei bis drei Jahren aus, so eine repräsentative Umfrage, die von der ABDA in Auftrag gegeben wurde. Auf der Pressekonferenz zum Deutschen Apothekertag forderte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening die Bundesregierung erneut auf, die immer rasantere Ausdünnung der Apothekenlandschaft und die Lieferengpass-Krise zu stoppen. Und sie wiederholte ihr Nein zur geplanten Apotheke ohne Apotheker, „koste es was es wolle“.
Erneut machte Overwiening vor der Presse deutlich, dass die ABDA im Namen aller Apothekenteams das in der geplanten Apothekenreform enthaltene Konzept von „Apotheken ohne Apotheker „grundsätzlich und in aller Schärfe ablehnt“. Overwiening wörtlich: „Wenn in Apotheken keine Apothekerinnen und Apotheker mehr arbeiten, kommt es für die Patienten zu deutlichen Leistungskürzungen sowie Sicherheits- und Qualitätseinbußen.“ Und sie fügte hinzu: „Die ununterbrochene Präsenz eines Apothekers oder einer Apothekerin in der Apotheke ist genauso wichtig wie die Anwesenheit eines ausgebildeten Piloten oder einer Pilotin im Cockpit eines Flugzeuges.“
Darüber hinaus fehle im Entwurf des Apothekenreformgesetzes ein wirksamer Honorarteil. „Die Apotheken brauchen endlich eine Anpassung ihres Honorars an die Kostenentwicklungen der vergangenen elf Jahre“, so die ABDA-Präsidentin. Ihr Fazit zur geplanten Reform von Lauterbach ist eindeutig: „Das sogenannte Apothekenreformgesetz, wie es vom Bundesgesundheitsministerium geplant und ausgearbeitet wurde, ist kein Versorgungsstärkungsgesetz, sondern ein Apothekenzerstörungsgesetz. Das Gesetz hat das Potenzial, weitere Apotheken zu zerstören und den Apothekerberuf de facto abzuschaffen. Dadurch würde die Versorgung der Menschen in diesem Land massiv gefährdet.“
Die Stimmung ist am Boden
Wie ABDA-Statistiken zeigen, ging seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode die Zahl der Apotheken von 18.461 um 1.173 (minus 6,4 Prozent) auf mittlerweile nur noch 17.288 Apotheken zurück. Die Zahl der Neugründungen lag im Jahr 2012 noch bei 184 Apotheken, ist aber im Jahr 2023 auf bloße 62 geschrumpft. Auch das steuerliche Betriebsergebnis einer durchschnittlichen Apotheke ist zuletzt von 160.000 Euro im Jahr 2022 auf 148.000 Euro im Jahr 2023 gesunken. Overwiening: „Das sind 7,5 Prozent weniger Betriebsergebnis – und das ist der nominale Wert, also ohne die Inflationsrate von 2023 einzuberechnen!“ Allein die Personalkosten seien um 7,3 Prozent gestiegen.
Hinzu kommt: Das Lieferengpassgesetz (ALBVVG) habe sein Ziel verfehlt, es habe die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nicht verbessert: „Jeden Tag müssen wir in den Apotheken weiterhin Kunden vertrösten oder Alternativlösungen suchen“, klagte Overwiening. In der Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte stehen mittlerweile über 500 rezeptpflichtige Arzneimittel.
Dass sich Reformvorhaben, Lieferengpässe und Schließungswelle der Apotheken auf die Stimmung der Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland auswirken, ist kein Wunder. Die von der ABDA in Auftrag gegebene, repräsentative Umfrage unter Inhaberinnen und Inhabern von öffentlichen Apotheken (Apothekenklima-Index) belegt die schlechte Stimmung. Die Erwartungen an die Entwicklung der Branche in den nächsten zwei bis drei Jahren sind so negativ wie nie zuvor. Vier von fünf (83,4 Prozent) Befragten gehen von einer schlechter werdenden Entwicklung aus – darunter 60,2 Prozent von einer „deutlich schlechter“ werdenden Entwicklung. Mit Blick auf die Entwicklung der eigenen Apotheke ist das Gesamtbild zwar leicht besser, hat sich aber dennoch massiv verschlechtert. Die Investitionsbereitschaft ist stark gesunken, so planen zum Beispiel mehr als die Hälfte (58,0 Prozent) überhaupt keine Investitionen mehr.
Zu den Ärgernissen des Apothekenalltags gehören natürlich auch die zunehmende Zahl von Lieferengpässen und die unzureichende Honorierung. Besorgniserregend: Mehr als die Hälfte der Befragten (52,6 Prozent) gibt an, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren keine Einstellungen geplant sind. Im Jahr 2021 war es nur ein Drittel (32,0 Prozent) der Inhaberinnen und Inhaber, die ohne Neueinstellungen auskommen wollten. Overwiening dazu: „Wer plant schon Einstellungen, wenn er oder sie weiß, dass sich weder Fachkräfte bewerben, noch dass sie ausreichend bezahlbar sind?“ Wenig bis keine Zuversicht zeigt sich unter den Inhaberinnen und Inhabern auch bei der Nachfolgesuche. Ein Drittel der Befragten glaubt, keinen einzigen Interessenten oder keine einzige Interessentin im Falle eines Verkaufes zu finden.
Und wie geht’s weiter?
Apothekenschließungen, Lieferengpässe, viele Ärgernisse im Apothekenalltag, schlechte Stimmung in der Apothekerschaft, ein geplantes Reformgesetz, das eher ein Apothekenschwächungsgesetz ist – wie kann es da weitergehen? Overwiening sähe es als sinnvoll an, „wenn das Bundesgesundheitsministerium einen echten Dialog mit uns aufnimmt, um die Versorgung wieder zu stabilisieren.“ Die Präsidentin sieht insbesondere drei zentrale Handlungsbereiche, in denen die Bundesregierung aktiv werden müsste: Sie müsse die Apotheken finanziell stärken, sie müsse mit Blick auf die Engpass-Krise den Apothekerinnen und Apotheker mehr Freiheiten zugestehen, um Patientinnen und Patienten eine höhere Versorgungsqualität anbieten zu können. Und: Die Apotheken müssen echte Apotheken bleiben – und dürfen nicht als Scheinapotheken oder Abgabestellen die Verbraucherinnen und Verbraucher täuschen.
Overwienings deutlicher Appell: „Dieses Vorhaben darf so keinesfalls vom Bundestag verabschiedet werden, koste es was es wolle.“ In Richtung Bundesgesundheitsministerium und Lauterbach sandte sie erneut ihr Gesprächsangebot: „Die ABDA und die gesamte Apothekerschaft stehen für konstruktive Gespräche über eine Weiterentwicklung des Apothekensystems bei einer gleichzeitigen Stärkung der Apotheken vor Ort jederzeit bereit.“
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