Der Faktor Zeit spielt dabei, wie schon erwähnt, eine zentrale Rolle. „Viele Mandanten kommen erst zu uns, wenn ihre Liquiditätskennziffer schon deutlich unter 0,9 liegt“, erläutert Wollring, „wollen aber dennoch eine Restrukturierung machen“. Die meisten seiner auf Insolvenzen spezialisierten Kollegen würden in solchen Fällen üblicherweise aufgeben und den Mandanten klarmachen, dass an einer Insolvenz kein Weg vorbeiführe.
Die bessere von zwei schlechten Optionen
So schnell gibt Wollring nicht auf. Er klärt zunächst mit den Hauptgläubigern, wie viel von den Verbindlichkeiten sie über welchen Zeitraum zu stunden bereit sind. Daraus lässt sich dann der Kapitalbedarf errechnen, der benötigt wird, um zunächst über den alles entscheidenden Schwellenwert einer LKZ von 0,9 zu kommen. An diesem Punkt gilt es, die Banken zu überzeugen, dem Schuldner diesen „Überbrückungsbedarf“ – zusätzlich zu den bereits vorhandenen Verbindlichkeiten – zu finanzieren.
Wer glaubt, die Banken würden hier schnell abblocken, um dem schlechten Geld nicht auch noch gutes hinterherzuwerfen, der verkennt die Lage: Typischerweise fallen die benötigen Überbrückungskredite deutlich niedriger aus als die bestehenden Gesamtverbindlichkeiten. Zudem sind erstere im Insolvenzrecht besonders geschützt und müssen – wenn es zur Restrukturierung kommt – zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Last but not least sind Banken alles andere erpicht darauf, die Sicherheiten eines Schuldners zu verwerten, zumal da mitunter böse Überraschungen lauern.
Am schwersten wiegt aber, dass die im Raum stehende Alternative für die Bank noch deutlich schlechter ist: Denn ohne Restrukturierung geht das betroffene Unternehmen zwangsläufig in die Insolvenz, und damit kann die Bank im Durchschnitt 95 Prozent ihrer unbesicherten Verbindlichkeiten abschreiben. Das liegt daran, dass die Insolvenzquote hierzulande mit durchschnittlich fünf Prozent extrem mager ausfällt.
„Viele Banken machen mit“, weiß Wollring aus langjähriger Erfahrung. Und je mehr unbesicherte Kredite sie „im Feuer stehen haben“, desto schneller unterschreiben sie den Vertrag. „Mittlerweile kommen sogar die Banken auf mich zu“, erklärt der Anwalt, „um bei Apotheken mit schlechter Prognose eine Restrukturierung durchzuführen“.
Vollständige Entschuldung in kurzer Zeit
Ist der Überbrückungskredit gesichert, folgt im nächsten Schnitt der Schuldenschnitt: Dazu wird im Restrukturierungsplan eine Rückzahlungsquote festgesetzt, die üblicherweise etwa doppelt so hoch liegt wie die durchschnittliche Insolvenzquote. Bei den Restrukturierungen, die Wollring bei Apothekern umgesetzt hat, liegt die Rückzahlungsquote typischerweise bei zehn bis 15 Prozent. Damit bekommen die Gläubiger im Durchschnitt mehr als das Doppelte erstattet als bei einer Insolvenz. Und der Unternehmer bekommt die Chance auf eine vollständige Entschuldung in kurzer Zeit – nur der Überbrückungskredit muss vollständig zurückbezahlt werden.
Natürlich muss die finanzielle Sanierung eines Betriebs von einem strukturellen Turnaround des operativen Geschäfts begleitet werden. Aber das ist erst der zweite Schritt – nach erfolgreich abgeschlossener Sanierung.
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