Gröhe kommt zum Apothekertag

Der Wahlkampf ist eröffnet

18.07.2016, 15:40 Uhr - Ein Blog-Beitrag von DAZ.online-Mitglied Christiane Patzelt


Vergangenes Jahr lag ein Schleier der Trauer über dem Deutschen Apothekertag, denn kein politisches Schwergewicht wollte sich zeigen. Was macht die politische Ignoranz mit der Apothekerseele? Sie ist gekränkt und fühlt sich vernachlässigt. So kann man reagieren, klar.

Ich persönlich war erleichtert, wirklich erleichtert. Denn wir haben uns jede Menge heiße Luft erspart. Ehrlich, ich habe sie alle gesehen, den Bahr, den Rösler, den Lauterbach – was haben sie uns gedroht! Mit Ketten, mit OTC-Liberalisierung, mit Apothekenbussen, mit Beschneidung der „Logistikpauschale“, jetzt mit Deckelung der 3 Prozent auf Hochpreiser.

In den letzten Jahren gab es kaum Statements „pro Apotheke“ seitens der Politik. Vielleicht mal von einer Politikerin, deren Freundin auch Apothekerin ist... Das hat aber alles nichts mit der Förderung und Erhaltung der Infrastruktur „niedrigschwellige Gesundheitsversorgung und -vorsorge vor Ort“ zu tun.

Seit Jahren wird die Apotheke vor Ort kaputtgespart! Während Pflegedienste wie Pilze aus dem Boden schießen, die Ärzte jährlich ihren Obulus neu verhandeln und steigern dürfen, die Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben, um Yogakurse anbieten zu können, laufen wir seit Jahren zum Thema Vergütung gegen eine Mauer aus Stein! Und nein, die Erhöhung der Rezepturvergütung und die der BTM-Gebühr sind peinlicherweise längst überfällig, das ist Almosen, aber kein fairer Preis für beide.

Seit geraumer Zeit wird der Landarzt in Deutschland gesucht und gefördert. Braucht ein kleiner Ort nicht eher eine funktionierende Apotheke? Wäre es nicht Zeit, in die Flächenversorgung der Apotheken zu investieren?

Diese Infrastruktur in der Fläche realisiert aber mit Sicherheit nicht die Apothekenkette, die ist auf maximalen Profit aus, da werden Standorte geschlossen, die einem Kleinunternehmer rentabel erscheinen, einer Kette aber nicht die erforderliche Marge bringt (sonst sinken die Aktienwerte). Schweden gibt hier ein schönes Beispiel ab. Was können wir in den Ring schmeißen, dass die Politik die Apotheke vor Ort fördert, anstatt sie kaputt zu sparen?

Niedrigschwellige Gesundheitsdienstleistung von Fachleuten zu Öffnungszeiten, die weit über die der Arztpraxis hinausgehen. Wie sind Compliance-Botschafter, die Adhärenz-Yogis, jedes nicht eingenommene Medikament, das die Krankenkasse bezahlt, ist rausgeschmissenes Geld. Wir sind Gesundheitslotsen, wir sparen den Kassen jede Menge Geld. Nicht nur durch die Erfüllung der Rabattverträge, sondern auch durch jeden nicht gegangenen Weg ins Krankenhaus oder zum Arzt, weil sich oft genug Bagatellen als Bagatellen herausstellen.

Und! Wir beraten produktneutral und stehen nicht auf der Gehaltsliste von Bayer, Novartis consumer oder Johnson&Johnson – wir haben keine Verkaufsquote und ich persönlich rate auch oft genug von unsinnigen Medikamenten ab. Nicht kaufmännisch, aber ethisch! Jeder von uns zahlt seine Steuern in Deutschland, große ausländische Versender und Kettenbetreiber wie Boots sparen sich solche unangenehmen Ausgaben.

Wir Apotheken vor Ort geben wohnortnahe, familienfreundliche und fair bezahlte Arbeit. Frau Nahles müsste mal mit nem Blumenstrauß vor meiner Apotheke stehen und „Danke“ sagen, dass wir ihre Frauenquote lachend übertreffen. Von den Grünen erwarte ich ein „gut gemacht“, denn unsere Arzneien kommen zum Patienten ohne Umkarton und Folie und Werbung und Paketzusteller, der schlecht bezahlt ist und die Umwelt mit seinem Transporter verpestet. Wir sind der grüne Weg, auch in der Arbeitsplatzvergabe vor Ort, die KollegInnen kommen alle aus der unmittelbaren Umgebung. Bass erstaunt bin ich, wenn ich höre, dass wir die PTA-Ausbildung jetzt selber finanzieren sollen. Zahlen die Ärzte auch die MTA-Ausbildung? Oder der Anwalt? Der eröffnet jetzt Schulen für RENOs? Das ist Mumpitz, politischer Mumpitz, da ist die Politik schwer auf dem Holzweg und entzieht sich ihrer Aufgabe, für Ausbildung zu sorgen. Genau dafür zahlen wir unter anderem ja Steuern, was soll das?

So geht es also nicht, werter Herr Gröhe, werte Politiker! Fördert die Apothekenstruktur!

Stoppt solchen EuGH-Wahnsinn! Jedes Gerichtsurteil pro Rabatt auf RX bedeutet Apothekensterben, schneller als es jetzt schon der Fall ist!

Hört auf, uns einschüchtern zu wollen, das haben wir nicht verdient! Wir bringen in jeden Ort einen gesundheitlichen Mehrwert, der unbezahlbar ist! Wir erfüllen gerne den Gesellschaftsvertrag, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln und Gesundheitsdienstleistung zu versorgen, wenn ihr uns die finanzielle Ausstattung dafür gebt! 

Es ist so simpel wie einfach – ohne Moos nix los!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion von DAZ.online.


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4 Kommentare

Gewolltes Sterben der Vor-Ort-Versorgung

von Silke Hans am 18.07.2016 um 20:25 Uhr

Wann kapieren es endlich alle, dass das anscheinend politisch so gewollt ist? Ich bin sehr gespannt, was unser Legislatur-Gesundheits-Vorturner so von sich gibt...bestimmt stellt er sich als Freund der Apotheken vor Ort und Ärzte auf dem Land auf. Bei uns gibt es keine Haus-und keine Kinderärzte mehr, die nächsten 2 Aposchliessungen stehen Ende des Jahres vor der Türe. Ein tolles MVZ 30 km entfernt kann das ja alles übernehmen, die Notärztlichen Ambulanzen im Krankenhaus bedanken sich jetzt schon, weil jeder Hampelmann mit Erkältung zum Wochenende dort aufschlägt- weil er keinen Arzttermin bekommen hat. Leider wurde ja auch das Ausleseverfahren mit den 10€ wieder abgeschafft....die Welt wird sich noch wundern, was in 10 Jahren in Deutschland mit unserem Gesundheitssystem passiert ist: Total vor die Wand gefahren!!!

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AW: Geheimcode

von Bernd Jas am 20.07.2016 um 9:57 Uhr

Der "Legislatur-Gesundheits-Vorturner"! Super.
Und genau das ist eines unserer gesellschaftlichen Probleme, aber auch ein Vorteil. Ist etwa nach vier Jahren der Karren im Dreck, habe ich als "Legislatur-Vorturner" nichts mehr damit zu tun. Aber der Nachfolger hat die Möglichkeit ihn wieder rauszuziehen. Siehe Energiewendengewurschtel.
Wo sind aber die Pläne zur Reduzierung unserer Apotheken?
Wo ist der Geheimcode?
Ich denke es ist die "Aldiisierung", die "Choppingcenterisierung" und nicht zu letzt die "MVZ-isierung" unserer Konsundenke, die uns und vor allem den Entscheidern Scheuklappen vor die volkswirtschaftlich sinnvollen Strukturen und Aufgaben aufsetzt.
Der Fahrplan (Geheimcode) wird durch Pläne mit geheimen Inhalten wie TTIP noch zusätzlich schwer getacktet.
Wir sehen zu und meinen nichts daran ändern zu können, außer als Sockenschuß AfD zu wählen.
Es muß den Gesetzgebern endlich klar gemacht werden, das Krankenkassen immer mehr zu Wirtschaftsunternehmen streben, was sie niemals sein dürfen. Denn das wiederspricht meiner Meinung nach, wie das Wasser und Brot Predigen aber Kaviar mit Champagner runterspülen, klar dem SGB.

Wunderbar ge- und beschrieben!

von Kerstin Kemmritz am 18.07.2016 um 18:04 Uhr

Die Betreffzeile ersetzt hier die Like-Funktion ;-)

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....nicht notwendigerweise....

von Andreas Flöter am 18.07.2016 um 17:50 Uhr

..... aber offensichtlich im Großen und Ganzen schon.

"Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion der DAZ.online"
Jedenfalls aber auch meine!
Danke!

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