Glaeske selektiert

Bemerkungen zu einem, der vorgibt, die Apotheke zu fördern

20.07.2016, 15:17 Uhr - Ein Blog-Beitrag von DAZ.online-Mitglied Reinhard Rodiger

(Foto: DAZ/Schelbert)

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Glaeske hat es nur kurze Zeit in der Apotheke ausgehalten. Dann begann er, das zu werden, was ihn heute zum bekanntesten Scharfrichter arzneimittelbezogener Fragen macht. Er füllt das Vakuum, das ihm eine defensive, arrogante, nicht nach außen gerichtete Standesvertretung lässt.

Glaeske wurde zum Vertreter der reinen Lehre. Der Kontakt zur banalen Wirklichkeit verkäuferischen Überlebens ging dabei verloren. Unverständnis der Marktbedingungen und gekonntes Ausklammern alles Störenden, führen zu gefährlich einseitiger Sichtweise, die sich in den politischen Handlungen spiegelt.

Glaeske findet immer, was er sucht, denn keiner ist perfekt. Er sucht schwache Leistungen, um sie einerseits zu Recht auf zu spießen und andererseits den Spielraum zur Abwertung zu haben. Das Herausarbeiten von Schwächen ist dann kontraproduktiv, wenn dadurch systemisches Strangulieren entstehen kann. Es ist auch eine Methode, die Verantwortung zu delegieren.  Es geht nicht wirklich um die Eliminierung von Defiziten, sondern um die Erzeugung von Druck. Es handelt sich um das gleiche Geschäftsmodell wie bei den Kammern. Die Botschaft ist: Die Klientel ist bemüht, aber schafft es (ohne uns) nicht. 

Es wird völlig ausgeblendet, dass es Voraussetzungen gibt, die geschaffen werden müssen. Erst dann kann Verantwortung delegiert werden. Doch hier geschieht das vorher. Positive Botschaften schaffen keine Lust zur Veränderung, negative schon. Aber eben auf der falschen Seite. Das ergibt Schwächung, nicht Stärkung.

Selektives Tuning der Politik

Dass das Verhältnis zur Standesvertretung und die Erfahrung einer fundierten Unwilligkeit, sich neuen Entwicklungen zu stellen, maßgeblichen Einfluss auf sein Denken hat, ist nachvollziehbar. Dass der Apotheke als integraler Bestandteil des Gesundheitswesens in seinen Gutachten kaum Raum gegeben wird, ist vor diesem Hintergrund verständlich. Die Folge ist, dass die Politik dies im Verbund mit seiner öffentlichen Negativ-PR als Signal der funktionalen Bedeutungslosigkeit bewertet und danach handelt.

Der wichtigste Mechanismus ist die konsequente Machtstärkung der Krankenkassen unter völligem Verzicht auf Kritik an deren offensichtlichem Machtmissbrauch. Dem Nutzen der Krankenkassen wird alles untergeordnet.

Hier wird sorgfältig differenziert. Gefördert wird nur der Gedanke der integrierten Versorgung, entsprechende Selektivverträge werden als Lösung angeboten. Nicht erwähnt wird, dass Selektivverträge primär als Druckmittel dienen und die Macht der KK stärken. Bislang lassen die KK nicht erkennen, dass sie ein Interesse an fairem Umgang haben. 

Richtig ist allerdings, dass sie sich als Partner verhalten sollten, um als Partner gesehen werden zu können. Bisher führt so ungeniert ausgeübte Marktmacht  zu Erpressung statt Partnerschaft. Zu den Folgen zB Lieferengpässe, Retax , Inko, Hyperrabatt etc ist nichts zu hören. Es gehört eben dazu, das alles auszublenden.

Rentabilität von Kassengnaden?

Das Funktionieren des Versorgungs-Alltags hängt von der Lebensfähigkeit der Betriebe und ihrer Verteilung ab. Jedenfalls gilt dies, solange die „Post“ nicht ausreicht. Die Grundlage unabhängiger Beratung ist finanzielle Unabhängigkeit und regionale Verteilung. Sie basiert auf der Anerkennung des Auftrags, dessen Prozessende Ertrag braucht. Dieser Ertrag wurde systematisch geschleift. Widerstand durch Mobilisierung wird jedoch als Grund für politisches Frostwetter verortet. 

Dabei wird die Unehrlichkeit der Finanzierung übergangen. Wer die heute geleistete soziale, arztentlastende und Verbraucher schützende Funktion nicht berücksichtigt, fördert bewusst die  falsche Gewichtung des Nutzens. Denn nur durch Kleinreden des Alltags-Nutzens steigt die Bedeutung  von Spezialtätigkeiten. Weder der wahre Nutzen noch dessen ehrliche Kosten und Einsparungen werden einbezogen. Das ist schon geschickt. Die  Entwertung der Grundlagenversorgung  als Motivation! Das taugt nur für wenige. 

Vor diesem Hintergrund zu argumentieren, weniger Apotheken lösen das Problem, ist irreführend. Es kommt auf die Lage an. Es bedeutet bisher nur eine weitere Konzentrierung und höhere Arbeitsdichte bei weniger Leistungsnotwendigkeit. Wenn dann noch empfohlen wird, sich am Umsatz zu orientieren, also den OTC-Bereich zugunsten des Rx-Marktes zu vernachlässigen, zeigt sich das Unverständnis der Marktgegebenheiten oder eben die bedingungslose KK-Orientierung. Denn Volumen mässig sind beide Bereiche in der gleichen Größenordnung. 

Angesichts dieser Gewichtung bedeutet Konzentration auf Rx Vernachlässigung einer Hauptaufgabe und noch größere Abhängigkeit von der ungleichen Machtverteilung. Das hat mit Stärkung der Position der Apotheken nichts zu tun, sondern es geht um Stärkung der KK-Position. Die Förderung des Versands ist der Preis. Auch das schwächt die Apotheken, besonders, weil Kritik an Versandpraktiken und Verbraucherrisiken ausgeblendet wurde.

Zukunftsfähigkeit durch Differenzierung?

Solange die Systemüberlegenheit der gesetzlichen Krankenkassen und deren rüde Umgangsform  substantiell unwidersprochen bleibt, ist Differenzierung ein Mittel zum Zweck der Machtausweitung. Eine Stärkung der Apothekenposition ergibt sich nicht durch Aberkennung des Alltagsnutzens und das Erwecken von Zukunftshoffnung, die nur in verstärkte Abhängigkeit mündet. Dabei ist es wohl richtig gesehen, dass der Widerstand ausbleibt, wenn er nicht erzwungen wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion von DAZ.online.


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3 Kommentare

Rodiger übersieht ?

von Reinhard Rodiger am 22.07.2016 um 16:16 Uhr

Wenn Zuspitzung zu einer Antwort führt, hat sie doch ihren Zweck erfüllt. Es ist der Mangel an offenem Diskurs, der dies herausfordert. Wenn Herr Glaeske sagt, ich würde diese für meine Analyse eher unwichtigen Dinge übersehen, so mag das zutreffen. Die fehlende Kritik zu den anderen erwähnten Verhaltensweisen weist auf die Richtigkeit meiner Einschätzung.Oder, warum geht Herr Glaeske darauf nicht ein?
Gegenstand meiner Überlegung ist hier nicht der konzeptionelle Teil, sondern die Betrachtung des Weges von Herrn Glaeske. Da ist keine Brücke in die Zukunft. Der Weg führt zu einer unkoordinierten Ausdünnung des Netzes, das die Voraussetzung für sozial angemessene Versorgung ist.Das liegt an der Eigendynamik unwidersprochenen Machtmissbrauchs. Hier ist der wichtigste Ansatz.Hierzu sagt Herr Glaeske nichts.
Der Hinweis auf die Konzeptionellen Überlegungen von 2009
ist ohne Debatte der veränderten Situation heute wenig zielführend. Nach wie vor orientiert sich die Politik unverändert an der dort vorgeschlagenen Senkung der Basisfinanzierung.
(bzw Einfrieren).In keinem der "Vorbildländer" haben sich
Zusatzaktivitäten als finanziell tragender Bestandteil etabliert. Margenrestriktion bleibt Stilmittel bei gleichzeitiger Deckelung der Zusatzaktivitäten.Die Position von Apotheken in Primärarztmangelländern (wie UK Holland Australien) ist eine andere als hier. Die Zeitdauer bis zum Effizienznachweis integrierter Versorgung ist nicht berücksichtigt.Die Besitzverhältnisse sind keineswegs ohne Einfluss.Arbeitsdruck und dadurch bewirkte Fehler sind bei Ketten häufiger.
Nur ein paar Hinweise auf unerfüllten Diskussionsbedarf.

Herr Glaeske hat sicher recht, dass Zuwenige sich mit konzeptionellen Fragen bzw ihrer Fundierung befassen. Es fehlt eine aktualisierende Diskussion.Ohne sie bleiben eben nur Thesen hängen, deren Beweis offen ist. Das ist das Problem.Das zu lösen würde sich lohnen....

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Glaeske selektiert

von Gerd Glaeske am 22.07.2016 um 13:08 Uhr

Ich will Herrn Rodiger seine Meinun nicht nehmen, er hat aber das eine oder andere übersehen: Meine Zeit in der Apotheke war in der Tat begrenzt (insgesamt 6 Jahre plus Vertretungen während meiner gesamten Studienzeit), da meine Frau jedoch ab 1976 bis Ende 2015 Pächterin bzw. Inhaberin einer Apotheke war, hatte ich immer "intime" Einblicke in die Rahmenbedingungen und auch Probleme, mit denen Apotheken konfrontiert waren. Alles in allem hat diese familiäre Apotheke vieles von dem umsetzen und beherzigen können, was ich als "reine Lehre" im Bezug auf die "banale Wirklichkeit" gefordert habe - und es ging ihr trotzdem recht gut!
Daneben übersieht Herr Rodiger meine konzeptionellen Überlegungen zur Zukunft der Apotheken, die ich im Sachverständigenratsgutachten 2009 formuliert habe und die aus meiner Sicht noch immer aktuell genug sind, um sie in die derzeitigen Überlegungen einzubeziehen (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/137/1613770.pdf, Kapitel 6.3, Ziffer 757 ff bzw. zusammenfassen Ziffer 916 ff). Und da stehen keineswegs die Kassen, sondern die Apotheken und deren Zukunft im Mittelpunkt. Leider weden Sachverständigenratsgutachten weniger gelesen als Blogs oder sonstige "selektiert" zugespitzte Beiträge zu meiner Person. Dabei würde es sich lohnen....

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AW: Re

von Peter Lahr am 22.07.2016 um 18:01 Uhr

Sehr geehrter Prof. Glaeske,

Nutzen sie doch einfach mal ihre Position als von den Medien auserkorener Oberapotheker um, genauso wie ihre oftmals berechtigte Kritik, auch mal die Nöte, Sorgen und vor allem berechtigte Forderungen der Apotheker publikumswirksam in den Focus der Öffentlichkeit zu rücken.

Denn, wenn es um Apotheken geht werden SIE von den Medien angesprochen und nicht unsere eigentlichen Stammesfürsten.

Die mediale Präsenz sieht doch so aus, dass, wenn es um Ärzte geht, Montgomery DER Arzt ist und wenn es um Apotheken geht SIE der Apotheker sind.

Der Unterschied ist nur, dass Montgomery bei jeder sich bietenden, öffentlichkeitswirksamen Möglichkeit mehr Ärzte und mehr FÜR die Ärzte fordert, sie eigentlich aber immer mehr VON den Apothekern und durch die Blume weniger Apotheken.

Dadurch ist es doch schon so, dass das Volk und die Medien durch die montomeryschen Mantras mittlerweile glauben, wir hätten einen Ärztemangel mit Ärzten die alle zu wenig verdienen obwohl wir heute so viele Ärzte wie nie haben die zudem durch jährliche Honorarverhandlungen mit der GKV jedes Jahr ein Einkommensplus haben. Das sei jedem gegönnt, ist in der Wirtschaft ja auch so.

Das gleiche Volk aber glaubt durch ihre glaeskschen Mantras, wir hätten zu viele Apotheken die zu viel verdienen obwohl wir so wenige wie noch nie sind und deren Einkommen seit Seehofer nur noch eine Richtung kennt.

In das gleiche Horn stossen dann auch noch die Krankenkassen und die Politik. Denn für Honorarerhöhungen durch die GKV sind jedes Jahr für die Ärzte so 500 Mio mehr drin, bei den Apothekern aber kann man sich das ja sparen, das Geld wäre zwar auch da und es wäre auch deutlich weniger nötig um die Apotheker mit dem gleichen prozentualen Betrag beim Honorar zu beglücken wie die Ärzte, aber wozu wenn man es sich sooo einfach auch sparen kann. Schneller kann man kein Geld verdienen, dann noch die Mondpreise der Pharmaindustrie für neue Medikamente den Apothekern angehängt, weil Arzneimittelkosten=Apothekenkosten und alle sind glücklich.

Überlegen sie sich einfach mal, wen das Volk als Apotheker kennt und wahrnimmt. Schmidt, Kiefer, oder sie.

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