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- Ein Beruf schafft sich ab...
Apotheken blicken auf eine rund 770 jährige Geschichte zurück. Eigentlich eine beachtliche Zeit, meint Christian Geringhaus - allerdings: Die Apotheken in Deutschland konnten dies nicht nutzen, ihre Bedeutung für das Gemeinwohl einer breiten Öffentlichkeit und der Politik zu vermitteln - wie das Beispiel Medikationsplan zeigt.
Zwischen 1231 und 1243 entstand unter Friedrich II ein Gesetz, das es Ärzten verbot, Apotheken zu besitzen oder an Apotheken beteiligt zu sein. Gleichzeitig wurden die Arzneimittelpreise festgeschrieben, um Preistreiberei zu verhindern. Heute wird das als Geburtsstunde der Apotheke gesehen. Apotheken blicken also auf eine rund 770 jährige Geschichte zurück. 770 Jahre, die die Apotheken in Deutschland nicht nutzen konnten, ihre Bedeutung für das Gemeinwohl einer breiten Öffentlichkeit und der Politik zu vermitteln. 770 Jahre, die nicht gereicht haben, klar zu machen: wir sind unverzichtbar!
In den ersten Jahrhunderten ist es für den Berufsstand des Apothekers noch gut gelaufen: Apotheker waren durchaus angesehen und geachtet. Ob als Kenner von Arzneipflanzen und Hersteller von Salben, Tees und Pillen bis zum 19. Jahrhundert oder danach, mit Entwicklung der modernen Chemie, als Pioniere bei der Entdeckung und Entwicklung von Arzneistoffen, haben sich Apotheker als hervorragende Wissenschaftler dargestellt.
Haben Apotheker eine Perspektive?
Die Isolierung des Morphins durch Sertürner 1804 und die erste nebenproduktfreie Synthese von o-Acetylsalicylsäure im Bayer-Stammwerk in Elberfeld im Jahre 1897 seien als Meilensteine genannt. Leider ist es in der Neuzeit – als solche, aus pharmazeutischer Sicht, möchte ich die Zeit seit dem 2. Weltkrieg bezeichnen – nicht gelungen, an die alten Erfolge anzuknüpfen. Dabei wären die Rahmenbedingungen ideal gewesen: zu keiner Zeit haben sich Möglichkeiten und Notwendigkeiten moderner Pharmakotherapie derart rasant entwickelt. Für die Apotheker hat sich diese Entwicklung in immer umfangreicheren Studieninhalten niedergeschlagen. Die aktuell 14632 Pharmaziestudenten (WS 2013/2014, Quelle: ABDA) haben sich auf einen der arbeitsintensivsten Studiengänge eingelassen und haben es mehr als verdient, zu wissen mit welcher Perspektive. Haben wir denn eine? Perspektive meine ich.
In ihrem Positionspapier Apotheke 2030 hat unsere Berufsvertretung das Medikationsmanagement als zukünftige Kernkompetenz und Heilsbringer für den gesamten Berufsstand formuliert. Und jetzt sehen wir regungslos zu, wie die Ärzteschaft uns überrollt. Ärzte wollen jetzt die Daten der Rechenzentren, um auf Basis dessen, was wir durch unsere Abrechnung erhoben haben, unseren Job zu machen.
Spätestens an dieser Stelle sollte ein Aufschrei durch die Republik hallen. Stattdessen: Stille! Die Ärzte haben es erkannt, war aber auch nicht schwer. Medikationsmanagement geht nur mit Daten. Daten, die wir haben, aber glauben nicht haben zu dürfen. Weil uns seit Jahren von unseren Verbänden vermittelt wird: Medikationsdaten sind besondere personenbezogene Daten, für deren Erhebung, Speicherung und Verarbeitung es unabdingbar einer Einverständniserklärung bedarf. Ohne Einverständniserklärung kein Medikationsmanagement? Brauchen Ärzte eigentlich auch eine Einverständniserklärung ihrer Patienten?
Daten besser nutzen!
Den Umgang mit Daten regelt das Bundesdatenschutzgesetz. Dieses Gesetz basiert auf einem Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt. Das Gesetz selbst nennt Ausnahmen vom strikten Verbot der Datenverarbeitung. Darunter fallen nach §28, Abs. 7 insbesondere diejenigen Berufe aus dem Gesundheitswesen, die der Schweigepflicht nach § 203 StGB unterliegen und die Daten für eigene Geschäftszwecke nutzen, also auch wir Apotheker.
Wo könnten wir heute schon stehen, wenn wir in der Vergangenheit unsere Daten genutzt hätten? Wo könnten wir heute schon stehen, wenn wir für jeden Kunden seine Medikationshistorie bei jedem neuen Einkauf, bei jedem neuen Rezept, zu Grunde legen könnten. Wir brauchen kein ARMIN oder ATHINA. Wir brauchen Medikationsmanagement bei jedem einzelnen Vorgang. Wir brauchen eine Sammelstelle für alle Medikationsauffälligkeiten, die wir der Politik als Beleg für die Qualität und Unverzichtbarkeit unserer täglichen Arbeit darlegen. Wir brauchen ein Miteinander aller Beteiligten im Gesundheitswesen, aber wir werden nur ernst genommen, wenn wir selbstbewusst auftreten. Dieses Selbstbewusstsein fehlt uns! Dabei laufen bei uns alle Daten zusammen. Die Verordnungen der Hausärzte, genau wie die Rezepte der Fachärzte, besondere Therapierichtungen und Selbstmedikation.
Wir müssen uns klar machen, welche Möglichkeiten in diesen Daten stecken. Die Ärzte haben das erkannt und wollen diese Daten von den Rechenzentren, übrigens unverschlüsselt und kostenlos. Und wir sagen nichts dazu? Wer sich immer nur bückt, muss sich nicht wundern, wenn er in den H….. getreten wird. Wir schaffen uns gerade selbst ab!
6 Kommentare
Apotheke in der Öffentlichkeit
von Dr Markus Junker am 12.12.2016 um 22:35 Uhr
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Medi-Plan nur gegen Honorar
von Dr. Christian Gerninghaus am 17.09.2016 um 16:56 Uhr
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AW: Das BDSG ist nicht das Problem...
von Andreas P. Schenkel am 22.09.2016 um 11:59 Uhr
Medikationsplan nur gegen Honorar
von Andreas P. Schenkel am 17.09.2016 um 13:15 Uhr
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nur wer?
von Christiane Patzelt am 13.09.2016 um 10:45 Uhr
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AW: nur wer?
von Dr. Christian Gerninghaus am 17.09.2016 um 11:42 Uhr
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