Voxzogo®

Vosoritid

01.10.2021


Modifiziertes natriuretisches Peptid vom Typ C
Bei Patienten mit Achondroplasie ist das Knochenwachstum gestört und es kommt zu disproportioniertem Kleinwuchs mit verkürzten Extremitäten. Das Analogon des C-natriuretischen Peptids Vosoritid (Voxzogo®) kann bei Betroffenen ab zwei Jahren mit noch nicht geschlossenen Epiphysen eingesetzt werden. Es kommt zu einer signifikanten Steigerung der Wachstumsgeschwindigkeit.

Vosoritid 

ATC-Code

M: Muskel- und Skelettsystem


M05: Mittel zur Behandlung von Knochenerkrankungen


M05B: Mittel mit Einfluss auf die Knochenstruktur und die Mineralisation


M05BX: Andere Mittel mit Einfluss auf die Knochenstruktur und die Mineralisation


M05BX07: Vosoritid


Wirkungsmechanismus

Während des Wachstums verlängern sich die Knochen besonders an den Enden des Oberschenkels und des Schienbeins. In den Epiphysenfugen teilen sich die Stammzellen und verknöchern im Verlauf. Bei der endochondralen Ossifikation handelt es sich um die Bildung von Knochengewebe über eine Zwischenstufe aus Knorpel. Auf der Oberfläche von Chondrozyten wird die Rezeptor-Tyrosinkinase Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor 3 (FGFR3) exprimiert. Körpereigene Wachstumsfaktoren binden an FGFR3 und lösen ein inhibitorisches Signal aus, sodass es zu einer Hemmung der Chondrozyten-Proliferation und -Differenzierung kommt. Bei Patienten mit Achondroplasie ist das für FGFR3 kodierende Gen meist aufgrund einer Gain-of-Function-Mutation hochreguliert. Als Folge werden die enchondrale Ossifikation und damit das Knochenwachstum, insbesondere das der Röhrenknochen, beeinträchtigt. Der neue Wirkstoff Vosoritid ist ein rekombinant hergestelltes Analogon des humanen C-natriuretischen Peptids (CNP). Wie die endogene Substanz bindet es an den Rezeptor B für natriuretische Peptide (NPRB) und inhibiert das mutationsbedingt hochregulierte hemmende FGFR3-Signal. Als Folge kommt es zu einer verbesserten Proliferation und Differenzierung von Chondrozyten und somit zu einer Zunahme des Längenwachstums. Im Vergleich zur körpereigenen CNP-Aminosäuresequenz ist die Proteinkette von Vosoritid geringfügig modifiziert, was zu einer höheren Beständigkeit gegenüber dem abbauenden Enzym, einer neutralen Endopeptidase, führt. Hieraus resultiert eine verlängerte Eliminationshalbwertszeit, die eine einmal tägliche Anwendung des Wirkstoffs möglich macht.

Pharmakokinetik

Resorption: Nach subkutaner Applikation von Vosoritid werden innerhalb von 15 Minuten maximale Plasmaspiegel erreicht. Die Bioverfügbarkeit wurde noch nicht ermittelt.


Proteinbindung, Verteilung: Das Verteilungsvolumen liegt bei 2,9 l/kg. Bis auf die Bindung an den Rezeptor B für natriuretische Peptide findet keine Proteinbindung statt.


Metabolismus: Vosoritid unterliegt dem physiologischen Protein-Katabolismus zu kleineren Peptiden und einzelnen Aminosäuren, die in den Nährstoffpool übergehen.


Exkretion: Die Eliminationshalbwertszeit wird mit etwa 28 Minuten angegeben.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Vosoritid wird üblicherweise in einer Tagesdosis von 15 μg/kg Körpergewicht subkutan verabreicht. Die Anwendung sollte jeweils etwa zur gleichen Tageszeit innerhalb von drei Stunden nach Rekonstitution der Zubereitung erfolgen. Als Applikationsstellen kommen die zentralen Bereiche auf der Vorderseite der Oberschenkel, der untere Teil des Bauchs, mit Ausnahme von einem Bereich von fünf Zentimeter direkt um den Bauchnabel, der obere Teil des Gesäßes und die Rückseite der Oberarme infrage, wobei die Region stets zu wechseln ist. Gerötete, geschwollene oder verhärtete Hautareale sind zu vermeiden. Die Injektion kann auch von den Patienten selbst oder Pflegepersonen durchgeführt werden, allerdings muss zuvor eine Unterweisung hinsichtlich der Injektionstechnik sowie des Erkennens und Behandelns von Applikations-assoziierten Blutdruckabfällen erfolgen. Ausgelassene Dosen können innerhalb von zwölf Stunden nachgeholt werden, bei längeren Pausen sollte erst am Folgetag mit der nächsten planmäßigen Anwendung fortgefahren werden. Die Behandlung kann so lange fortgesetzt werden, bis beim Patienten kein weiteres Wachstumspotenzial mehr besteht. Als Indikatoren gelten eine Wachstumsgeschwindigkeit von weniger als 1,5 cm/Jahr und das Schließen der Epiphysenfugen. Sicherheit und Wirksamkeit von Vosoritid bei Patienten mit Nieren- oder Leberinsuffizienz sind bislang nicht erwiesen. Auch für die Behandlung von Kindern unter zwei Jahren liegen noch keine ausreichenden Daten vor.

Kontraindikationen

Bei Überempfindlichkeit gegen Vosoritid besteht eine Kontraindikation.

Unerwünschte Wirkungen

Während der Anwendung des CNP-Analogons kommt es sehr häufig zu Hypotonie, Erbrechen und Reaktion an der Injektionsstelle. Häufig wird über Präsynkopen und Synkopen, Schwindelgefühle, Übelkeit, Ermüdung sowie über erhöhte alkalische-Phosphatase-Werte berichtet.

Wechselwirkungen

CYP450-Isoenzyme und Effluxpumpen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an der Clearance des Peptids Vosoritid beteiligt, ebenso bindet der Wirkstoff nicht relevant an Plasmaproteine. Daher wird die Wahrscheinlichkeit für Interaktionen als gering eingeschätzt. In-vitro-Studien ergaben keine Hinweise zur Induktion oder Inhibition von Biotransformationsenzymen oder Transportern.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Zum Injektionszeitpunkt sollten die Patienten ausreichend Flüssigkeit aufgenommen haben. Ebenso ist etwa 30 Minuten vor der Applikation die Einnahme einer kleinen Mahlzeit empfohlen. Auf diese Weise kann das Risiko für Vosoritid-assoziierte Blutdruckabfälle mit Symptomen wie Schwindel, Ermüdung, Übelkeit oder Synkopen reduziert werden. Zur Sicherheit empfiehlt es sich, im Zeitraum von einer Stunde nach der Anwendung auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr oder das Bedienen von Maschinen zu verzichten. Die Patienten müssen während der Vosoritid-Therapie in Abständen von drei bis sechs Monaten hinsichtlich des Körpergewichts, des Wachstums und der körperlichen Entwicklung untersucht werden, u. a. um die Dosis stets optimal an das Körpergewicht anpassen zu können. Zur Anwendung von Vosoritid bei Patienten mit einer signifikanten Herz- oder Gefäßerkrankung sowie unter Anwendung von Antihypertensiva liegen keine Erfahrungen vor.

Schwangerschaft und Stillzeit

Wegen bislang nur sehr begrenzter klinischer Daten sollte die Anwendung von Vosoritid während der Schwangerschaft vermieden werden. Tierexperimentelle Studien ergaben allerdings keine Hinweise auf Reproduktionstoxizität. Der Wirkstoff geht zumindest im Tierversuch in die Muttermilch über. Da somit ein Risiko für den Säugling nicht ausgeschlossen werden kann, wird von einer Vosoritid-Behandlung während der Stillzeit abgeraten.

Handelspräparat Voxzogo® 

Hersteller

Biomarin International Ltd., Dublin

Einführungsdatum

01. Oktober 2021

Zusammensetzung

0,4 mg; 0,56 mg; 1,2 mg Vosoritid-Behandlung

Sonstige Bestandteile

Citronensäure (E 330), Natriumcitrat (E 331), Trehalose-Dihydrat (Ph. Eur.), Mannitol (Ph. Eur.) (E 421), Methionin, Polysorbat 80 (E 433)

Packungsgrößen, Preise, PZN

10 Durchstechflaschen à 0,4 mg, 9445,57 Euro, PZN 17525971;
10 Durchstechflaschen à 0,56 mg, 9445,57 Euro, PZN 17525994;
10 Durchstechflaschen à 1,2 mg, 9445,57 Euro, PZN 17526019

Indikation

Behandlung von Achondroplasie bei Patienten ab zwei Jahren, bei denen die Epiphysen noch nicht geschlossen sind. Die Diagnose Achondroplasie sollte durch entsprechende Gentests bestätigt werden.

Dosierung

Die übliche Dosis beträgt einmal täglich 15 μg/kg Körpergewicht subkutan.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Vosoritid

Unerwünschte Wirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen in klinischen Studien waren Reaktionen an der Injektionsstelle (85%), Erbrechen (27%) und ein verminderter Blutdruck (13%).

Wechselwirkungen

Die Ergebnisse von In-vitro-Studien lassen den Schluss zu, dass Vosoritid offenbar nicht zu CYP450- oder Transporter-bedingten Arzneimittelwechselwirkungen führt.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Um das Risiko einer möglichen Blutdrucksenkung und der damit assoziierten Symptome wie Schwindelgefühl, Ermüdung und/oder Übelkeit zu verringern, sollten Patienten zum Injektionszeitpunkt ausreichend getrunken haben.

Literatur

[1] Fachinformation zu Voxzogo®, Stand Oktober 2021


[2] Savarirayan R, Tofts L, Irving M, Wilcox WR et al. Once-daily, subcutaneous vosoritide therapy in children with achondroplasia: a randomised, double-blind, phase 3, placebo-controlled, multicentre trial. Lancet 2020;396(10252):684-692


[3] Savarirayan R, Tofts L, Irving M, Wilcox WR et al. Safe and persistent growth-promoting effects of vosoritide in children with achondroplasia: 2-year results from an open-label, phase 3 extension study. Genet Med 2021;2:1-5


[4] EPAR summary for the public. Voxzogo® Vosoritide. EMA/373903/2021; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Copyright

©2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

01/2022

Apothekerin Dr. Monika Neubeck