Xerava®

Eravacyclin

01.08.2022


Tetracyclin-Antibiotikum
Für Erwachsene mit komplizierten intraabdominalen Infektionen steht ab sofort das neue Tetracyclin-Antibiotikum Eravacyclin (Xerava®) zur Verfügung. Die zweimal tägliche intravenöse Therapie erfolgt je nach Schweregrad und Ansprechen über vier bis 14 Tage.

Eravacyclin 

ATC-Code

J: Antiinfektiva zur systemischen Anwendung


J01: Antibiotika zur systemischen Anwendung


J01A: Tetracycline


J01AA: Tetracycline


J01AA13: Eravacyclin


Wirkungsmechanismus

Intraabdominelle Infektionen sind durch das Eindringen von Bakterien in die Wand von Hohlorganen gekennzeichnet. Als Folge kann es zur Bildung von Abszessen und z. B. im Rahmen eines Blinddarmdurchbruchs zu einer potenziell lebensbedrohlichen Entzündung des Bauchfells (Peritonitis) kommen. Bei einer Ausbreitung von Keimen im normalerweise sterilen Abdominalraum erfolgt in der Regel eine chirurgische Herdsanierung in Kombination mit einer antibiotischen Behandlung. Auch das neue vollsynthetisch hergestellte, fluorierte Tetracyclin-Derivat Eravacyclin ist für diese Indikation vorgesehen. Sein Wirkmechanismus beruht auf einer Störung der bakteriellen Proteinbiosynthese durch Bindung an die ribosomale Untereinheit 30S. Hierdurch wird in der Elongationsphase die Aufnahme von Aminosäureresten in Peptidketten verhindert. Das vorwiegend bakteriostatisch wirkende Eravacyclin unterscheidet sich von natürlich vorkommenden oder halbsynthetischen Tetracyclinen durch seine Substituenten an C-7 und C-9. In vitro konnte eine Wirkung gegen grampositive und gramnegative Bakterienstämme gezeigt werden, die Resistenzmechanismen gegen andere Tetracycline, aber auch Carbapeneme, Cephalosporine und Fluorochinolone aufweisen. So ist Eravacyclin beispielsweise kein Substrat für die Efflux-Pumpe MepA in Staphylococcus aureus, die zur Resistenz gegenüber dem strukturell sehr ähnlichen Wirkstoff Tigecyclin führt. Kreuzresistenzen zwischen Eravacyclin und anderen Antibiotika-Klassen wie Chinolonen, Penicillinen, Cephalosporinen und Carbapenemen bestehen nicht.

Pharmakokinetik

Resorption: Eravacyclin wird intravenös angewendet, daher beträgt die Bioverfügbarkeit 100%.


Proteinbindung, Verteilung: Die Plasmaproteinbindung liegt dosisabhängig zwischen 80 und 90%. Das Verteilungsvolumen wird mit 4,6 l/kg angegeben, was auf eine ausgeprägte Gewebeverteilung hindeutet.


Metabolismus: Die Biotransformation von Eravacyclin erfolgt hauptsächlich oxidativ durch CYP3A4 und Flavin-haltige Monooxygenasen sowie durch chemische Epimerisierung und Glucuronidierung. Die entstehenden Metaboliten sind offenbar pharmakologisch inaktiv.


Exkretion: Die Ausscheidung von Eravacyclin findet sowohl renal als auch über die Galle mit den Fäzes statt. Die Eliminationshalbwertszeit nach einer Einzelgabe liegt bei neun Stunden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Eravacyclin wird normalerweise alle zwölf Stunden über etwa 60 Minuten in einer Dosis von 1 mg/kg Körpergewicht intravenös infundiert. Bei schweren Reaktionen an der Infusionsstelle ist eine Verringerung der Infusionsrate und/oder der Wirkstoff-Konzentration in der Zubereitung angeraten. Die Behandlungszeit mit Eravacyclin liegt je nach Schweregrad und Ansprechen auf die Therapie bei vier bis 14 Tagen. Bei älteren Patienten sowie bei bestehender Leber- oder Niereninsuffizienz ist keine Dosisanpassung erforderlich.


Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung sind jedoch hinsichtlich einer möglicherweise verstärkten Toxizität zu überwachen. Sicherheit und Wirksamkeit für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sind nicht erwiesen.

Kontraindikationen

Bei Überempfindlichkeit gegen Eravacyclin oder andere Tetracycline besteht eine Kontraindikation. Aufgrund von möglichen Zahnverfärbungen und -schäden sollte die Anwendung bei Kindern unter acht Jahren unterbleiben.

Unerwünschte Wirkungen

Während der Anwendung von Eravacyclin kommt es häufig zu (Thrombo-)Phlebitis, Übelkeit, Erbrechen sowie zu Reaktionen an der Infusionsstelle. Gelegentlich wird über erhöhte Aspartat- bzw. Alanin-Aminotransferase-Werte, Hyperbilirubinämie, Überempfindlichkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Pankreatitis, Diarrhö, Hautausschläge und Hyperhidrose berichtet.

Wechselwirkungen

Bei gleichzeitiger Anwendung von starken CYP3A-Induktoren wie Phenobarbital, Carbamazepin, Phenytoin und Johanniskraut-Extrakten ist die Biotransformation von Eravacyclin beschleunigt, sodass die Gefahr einer eingeschränkten Wirkung besteht. Dem sollte mit einer etwa 50%igen Steigerung der antibiotischen Dosis begegnet werden. Kombiniert eingesetzte CYP3A-Inhibitoren wie Itraconazol, Clarithromycin oder Grapefruit führen zwar zu einer gesteigerten Bioverfügbarkeit von Eravacyclin, dies wird jedoch nicht als klinisch relevant eingeschätzt, sodass keine Dosisreduktion erforderlich ist. Vorsicht ist allerdings bei Patienten mit zusätzlicher Prädisposition für eine verzögerte Elimination geboten. So sollte z. B. bei stark eingeschränkter Leberfunktion oder Adipositas eine Überwachung hinsichtlich einer potenziell verstärkten Toxizität erfolgen. In vitro zeigte sich Eravacyclin als Substrat des Efflux-Transporters P-Glykoprotein (P-gp) sowie der Organo-Anion-Transporter OATP1B1 und OATP1B3. Bis zur Klärung der klinischen Relevanz dieser Befunde ist bei der gleichzeitigen Anwendung von entsprechenden Substraten sowie von Inhibitoren dieser Transporter wie Atazanavir, Ciclosporin, Lopinavir und Saquinavir Vorsicht geboten.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Falls während oder nach der Applikation von Eravacyclin Anzeichen einer Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten, muss die Therapie sofort abgebrochen werden. Wegen der Gefahr tödlicher Verläufe sind umgehend effektive Notfallmaßnahmen einzuleiten. Wie bei nahezu allen Antibiotika muss auch unter einer Eravacyclin-Behandlung mit Clostridioides-difficile-assoziierten, schweren Diarrhöen bzw. pseudomembranösen Kolitiden gerechnet werden. Gegebenenfalls ist eine unterstützende Behandlung einzuleiten. Der Einsatz Peristaltik-hemmender Pharmaka wie Loperamid sollte allerdings unterbleiben. Insbesondere bei längerfristiger Eravacyclin-Therapie kann es zu einem übermäßigen Wachstum nicht sensibler Mikroorganismen einschließlich Pilzen kommen. Im Falle einer Superinfektion können eine Unterbrechung der Behandlung sowie der Einsatz einer alternativen antimikrobiellen Behandlung erforderlich werden. Unter der Anwendung von Eravacyclin besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer möglicherweise schwerwiegenden Pankreatitis. Bei einem entsprechenden Verdacht sollte die antibiotische Therapie abgebrochen werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Eravacyclin darf nur bei zwingendem Erfordernis während der Schwangerschaft eingesetzt werden, da es bei Exposition des Fötus im zweiten und dritten Trimester zu Verfärbungen und Schmelzdefekten der Zähne kommen kann. Zudem muss mit einer Verzögerung der Knochenbildung gerechnet werden, da Eravacyclin sich in Geweben mit einem hohen Calcium-Umsatz ansammelt und entsprechende Chelatkomplexe bildet. Tierstudien haben Reproduktionstoxizität gezeigt. Es ist nicht bekannt, ob Eravacyclin und seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Im Tierversuch war dies der Fall. Da auch beim gestillten Kind die Gefahr von Zahnverfärbungen und Verzögerungen in der Knochenbildung besteht, sollte das Stillen während einer notwendigen antibiotischen Therapie mit Eravacyclin unterbrochen werden. Falls eine Stillpause erwogen wird, ist zu beachten, dass der Wirkstoff kumuliert und die Eliminationshalbwertszeit nach zehntägiger Therapie im Bereich von etwa 40 Stunden liegt.

Handelspräparat Xerava® 

Hersteller

Paion Deutschland GmbH, Aachen

Einführungsdatum

01. August 2022

Zusammensetzung

100 mg Eravacyclin

Sonstige Bestandteile

Mannitol (Ph.Eur.) (E421), Natriumhydroxid (zur pH-Wert-Einstellung), Salzsäure (zur pH-Wert-Einstellung)

Packungsgrößen, Preise, PZN

10 Durchstechflaschen mit jeweils 50 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Preis noch nicht mitgeteilt (nur krankenhausversorgende Apotheken), PZN 17637776

Indikation

komplizierte intraabdominale Infektionen bei Erwachsenen

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt 1 mg Eravacyclin/kg Körpergewicht alle zwölf Stunden über einen Zeitraum von 4 bis 14 Tagen.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Eravacyclin oder andere Antibiotika der Tetracyclin-Klasse

Unerwünschte Wirkungen

In klinischen Studien wurde am häufigsten über Phlebitis bzw. Thrombophlebitis, Übelkeit, Erbrechen und Reaktionen an der Infusionsstelle berichtet.

Wechselwirkungen

Bei gleichzeitiger Anwendung von Eravacyclin mit Rifampicin oder anderen starken CYP3A-Induktoren wie Phenobarbital, Carbamazepin, Phenytoin und Johanniskraut-Extrakten sollte die Eravacyclin-Dosis um etwa 50% erhöht werden. Beim kombinierten Einsatz starker CYP3A-Inhibitoren wie Azol-Antimykotika ist dagegen keine Dosisanpassung erforderlich.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Bei der Anwendung von Eravacyclin wurde über das Auftreten einer Pankreatitis, die in einigen Fällen schwerwiegend verlaufen ist, berichtet. Ebenso kann es zu schweren Überempfindlichkeitsreaktionen, pseudomembranösen Kolitiden sowie zu einem übermäßigen Wachstum nicht sensibler Mikroorganismen einschließlich Pilzen kommen.

Literatur

[1] Fachinformation zu Xerava®, Stand Juli 2022


[2] Solomkin J, Evans D et al. Assessing the efficacy and safety of eravacycline vs ertapenem in complicated intra-abdominal infections in the investigating gram-negative infections treated with eravacycline (IGNITE 1) trial. JAMA Surg 2017;152(3):224-232


[3] Solomkin JS, Gardovskis J, Lawrence K, Montravers P et al. IGNITE4: results of a phase 3, randomized, multicenter, prospective trial of eravacycline vs meropenem in the treatment of complicated intraabdominal infections. Clin Infect Dis 2019;69(6):921-929


[4] EPAR summary for the public. Xerava® Eravacyclin. EMA/521584/2018; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Copyright

©2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

09/2022

Apothekerin Dr. Monika Neubeck