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Arzneimittel und Therapie
Opioide: Neue Möglichkeiten der Schmerztherapie
Einen entscheidenden Schritt für die Schmerztherapie stellten die ab Anfang der 80er Jahre verfügbaren retardierten Morphinpräparate dar, die bei zweimal täglicher Anwendung im allgemeinen eine gut wirksame Therapie starker Schmerzen ermöglichen. Aufgrund der verzögerten Freisetzung ergeben sich bei diesem Dosierungsschema nur geringe Schwankungen des Wirkstoffspiegels.
Große interindividuelle Unterschiede bei der Opiatverträglichkeit Manche Schmerzpatienten sind nicht dauerhaft befriedigend mit Morphin zu therapieren. Bei einigen Patienten ist die Wirksamkeit auch bei hohen Dosierungen unzureichend, in anderen Fällen fallen einzelne opiatspezifische Nebenwirkungen bei Morphin unzumutbar stark aus. Es kann zu Übelkeit, Erbrechen, Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen und Myoklonus kommen. Für solche Patienten bietet sich ein Wechsel zu einem anderen Opiat an, denn die individuelle Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Opioidanalgetika kann zwischen verschiedenen Patienten erheblich variieren. Als Ursache wird angenommen, daß bei den individuell unterschiedlichen Metabolisierungen verschiedene Abbauprodukte kumulieren, die für unerwünschte Wirkungen verantwortlich sind.
Alternative Hydromorphon Hydromorphon hat sich in vielen Fällen als Alternative bewährt. Bei vielen Patienten bietet die Substanz eine bessere Schmerzkontrolle ohne erhöhte Nebenwirkungsrate. Die Substanz wirkt etwa 7,5mal stärker analgetisch als Morphin und weist im Vergleich zu Morphin erheblich geringere interindividuelle Schwankungen der Bioverfügbarkeit auf, so daß die Therapie gut steuerbar ist. Bis jetzt wurde Hydromorphon parenteral eingesetzt. Ab April 1998 ist Hydromorphon auch in einer oralen retardierten Form erhältlich (Palladon®). Die Bioverfügbarkeit liegt bei 40%. Die gastrointestinale Resorption erfolgt pH-unabhängig, zentralnervöse Nebenwirkungen sind vergleichsweise selten.
Oxycodon auch bei Osteoarthritis bewährt Weitere Alternativen für die Morphintherapie sind Oxycodon, Methadon und Fentanyl. Oxycodon gilt als besser steuerbar als Morphin und weist eine hohe orale Bioverfügbarkeit von etwa 70% auf. Die Resorption erfolgt unabhängig vom pH-Wert und von der Nahrungsaufnahme. Auch eine rektale Applikation ist möglich. Oxycodon wirkt etwa zweimal stärker als Morphin, wobei jedoch die interindividuellen Unterschiede beträchtlich sind. Die Wirkung tritt innerhalb von einer Stunde ein. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit wird der Steady state schon nach 24 Stunden erreicht, und eine Kumulation ist nicht zu befürchten. Bei schwerer Nieren- oder Leberinsuffizienz ist allerdings eine Dosisreduktion erforderlich. Klinisch relevante Metaboliten entstehen nicht, und das Nebenwirkungsspektrum gilt als vorteilhaft. Aufgrund seiner guten Verträglichkeit und Steuerbarkeit wird Oxycodon nicht nur zur Therapie von Tumorschmerzen, sondern auch bei anderen schweren Schmerzzuständen, die eine langandauernde Therapie erfordern, z.B. in der Rheumatologie, verwendet. So wird Oxycodon in den USA erfolgreich in der Langzeittherapie der Osteoarthritis eingesetzt. Im Vergleich zur Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika werden Opioide von manchen Experten als deutlich sicherer und verträglicher eingestuft. In Finnland ist die Anwendung von Oxycodon seit Jahrzehnten etabliert. Es kommt dort auch bei Tumorschmerzen zum Einsatz und wird häufiger als Morphin verwendet. Für ein Fertigarzneimittel mit Oxycodon wird die Zulassung noch in diesem Jahr erwartet, es soll unter dem Namen Oxygesic® in den Handel kommen.
Einsatzgebiete für Opiodianalgetika In den USA haben sich folgende Einsatzgebiete für Opiodianalgetika etabliert: Morphin gilt als Mittel der ersten Wahl bei schweren Schmerzen, insbesondere Tumorschmerzen. Hydromorphon ist reserviert als Reservemittel für Non-Responder und bei ungewöhnlich starken Nebenwirkungen der Morphintherapie. Oxycodon wird sowohl postoperativ als auch bei chronischer Anwendung eingesetzt und auch von rheumatologischen Patienten gut akzeptiert.
Quelle Prof. C. Richard Chapman, Seattle/USA, Dr. Wolfgang Fleischer, Limburg/Lahn, Priv.-Doz. Dr. Dr. Gerd Geisslinger, Erlangen, Prof. Eija Anneli Kalso, Helsinki/Finnland, Dr. Earle Lockhart, Norwalk/USA, Dr. Jörn Lötsch, Erlangen, Dr. Tony OBrian, Cork/Irland, Dr. Sanford H. Roth, Phoenix/USA, Prof. Dr. Michael Zenz, Bochum, Syposium "Differenzierte Opiat-Therapie bei chronischen Schmerzen", Hamburg, 13. März 1998, veranstaltet von der Mundipharma GmbH, Limburg/Lahn. Thomas Müller-Bohn, Süsel
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