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Studie: "Ärzte bei Einschätzung der Patientenerwartung zu unsensibel"

GÖTTINGEN (pid). Niedergelassene Allgemeinmediziner sind in der Einschätzung der Patientenerwartung und der Patientenzufriedenheit offenbar "nicht besonders sensibel". Zu diesem Ergebnis kommt die Medizinerin Elke Lippert-Urbanke in einer an der Abteilung Allgemeinmedizin der Universität Göttingen durchgeführten Untersuchung.

Die Ärzte gehen danach von einer zu hohen Zufriedenheit ihrer Patienten mit dem Arztbesuch aus. Allerdings spielt es - entgegen der ursprünglichen Vermutung - für die Patientenzufriedenheit keine relevante Rolle, ob der Arzt ihnen ihr Wunschmedikament verschreibt oder nicht. In der Frage der Patientenzufriedenheit verschätzten sich die Mediziner auch im Einzelfall häufig, hat Lippert-Urbanke herausgefunden. Gerade Patienten, die wenig zufrieden mit dem Arztbesuch waren, wurden von den Medizinern als "sehr zufrieden" eingeschätzt und umgekehrt. Viele Ärzte scheinen Probleme zu haben, "sich in die Sichtweise ihrer Patienten hineinzudenken", folgert die Medizinerin, die für ihre Doktorarbeit zum Thema "Primärärztliche Arzneimittelverordnung: Wechselseitige Erwartungen von Arzt und Patient" zehn niedergelassene Allgemeinmediziner aus dem Raum Göttingen und 185 Patienten befragte.

Zweifel am "fordernden Patienten" Auch wenn die statistische Basis für repräsentative Ergebnisse und Schlußfolgerungen nicht ausreiche, lasse die Untersuchung Zweifel am Bild des "fordernden Patienten" aufkommen, schreibt Lippert-Urbanke. Vielmehr sei der Schluß naheliegend, daß die Zufriedenheit der Patienten mit dem ärztlichen Handeln in der Allgemeinarztpraxis von anderen Faktoren als der Arzneiverordnung beziehungsweise der Erfüllung eines Medikamentenwunsches abhänge. Die Wertschätzung des Hausarztes hänge jedenfalls "nicht von der vordergründigen Erfüllung einer Patientenerwartung" ab. Die immer wieder geäußerte Sorge, Patienten könnten bei Nichterfüllung ihrer Medikamentenwünsche den Arzt wechseln, "dürfte häufig unbegründet" sein. Mehr als 53 Prozent der befragten Patienten erwarteten vom Arzt vor allem Beratung, 46 Prozent wollten ein Medikament, knapp acht Prozent eine Krankschreibung. Den Wunsch nach Krankschreibung nahmen die Ärzte mit rund 64 Prozent und den Wunsch nach einer Beratung mit rund 63 Prozent noch relativ häufig richtig wahr. Der Wunsch der Patienten, ein Medikament verschrieben zu bekommen, wurde dagegen nur zu 41 Prozent erkannt. Noch viel seltener erkannten die Ärzte Wünsche von Patienten nach Krankengymnastik, Massage oder einer Überweisung.

Zwei Drittel erhalten Rezept Zwei Drittel der befragten Patienten verließen den Arzt mit einem Rezept, wobei fast die Hälfte davon mehrere Medikamente verschrieben bekommen hatte. Dabei hatte auch mehr als die Hälfte der Patienten, die überhaupt keine Verordnung erwarteten, ein Rezept erhalten. Hierbei handelte es sich zumeist um Patienten, die mit der Erwartung einer Beratung oder der Hoffnung auf Aufklärung der gesundheitlichen Beeinträchtigung in die Praxis gekommen waren. Dennoch waren die Ärzte zu 81 Prozent mit dem Verlauf der Konsultation zufrieden oder sehr zufrieden. Lippert-Urbanke vermutet, daß "jahrelange Praxis Undifferenziertheit und eine gewisse Überheblichkeit fördert, so daß Unzufriedenheit eines Patienten undenkbar erscheint". Nur wenige der befragten Ärzte hatten ein Interesse an den Ergebnissen der Patientenbefragung gezeigt, stellt Lippert-Urbanke fest. Dabei wäre dies "eine Möglichkeit gewesen, sich über die tatsächlichen Patientenwünsche zu informieren".

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