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Arzneimittel und Therapie
Bakterielle Tonsillitis bei Kindern: Mit Penicillin V schnell, sicher und preisg
In der kinderärztlichen Praxis ist die Tonsillitis eine häufige Erkrankung: Vor allem Kinder zwischen dem vierten und siebten Lebensjahr sind betroffen. Zwar stehen virale Infektionen im Vordergrund, doch in 20 bis 25 Prozent aller Krankheitsfälle sind Streptokokken der Gruppe A die verantwortlichen Erreger. Klinische Zeichen der Streptokokken-Tonsillitis sind der plötzliche Beginn der Erkrankung mit Fieber über 38,5 Grad Celsius, das Auftreten von Schüttelfrost, Kopf- und Bauchschmerzen, Brechreiz und Erbrechen sowie schmerzhaften Kieferwinkellymphknoten. Die Tonsillen sind häufig glasig geschwollen, hochrot ohne Beläge, seltener mit gelblichen Belägen.
Schnelle Genesung ebenso wichtig wie Vermeidung von Komplikationen Behandlungsziel ist zunächst die Linderung der akuten Beschwerden und "schnelles Gesundwerden" - eine Forderung, die sich zunehmend aus den heutigen Sozialstrukturen (berufstätige, oft auch alleinerziehende Mutter) ergibt. Kranke Kinder sollen innerhalb kurzer Zeit wieder fieberfrei, "fit" und kindergarten- bzw. schulfähig werden. Ebenso wichtig wie die rasche Besserung der quälenden Symptome ist es jedoch, mögliche Folgekomplikationen einer ineffektiv behandelten bakteriellen Tonsillitis, beispielsweise rheumatisches Fieber, eine Endokarditis oder eine Glomerulonephritis, zu vermeiden.
Auf nüchternen Magen, alle acht Stunden
Nach wie vor gelten Oralpenicilline als Mittel der ersten Wahl bei der Therapie der Streptokokkenangina. Alternativ werden sowohl von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft als auch von der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie Cephalosporine und Makrolide empfohlen. Resistenzen gegen Penicillin V, die zu Therapieversagen führen, werden aus den USA berichtet, können jedoch hierzulande bisher nicht beobachtet werden bzw. spielen eine höchst untergeordnete Rolle. Ein Problem können die pharmakokinetischen Eigenschaften des Penicillin V darstellen: Die Resorption des Arzneistoffes aus dem Magen-Darm-Trakt liegt nur bei ca. 50 Prozent und ist zudem noch stark vom Füllungsgrad des Magens abhängig. Penicillin V sollte aus diesem Grund stets auf nüchternen Magen eingenommen werden.
Außerdem wichtig für die erfolgreiche Behandlung:
• Ausreichende Tagesdosis. Vom ersten bis zum dritten Lebensjahr 100000 IE pro Kilogramm Körpergewicht, vom vierten bis zum siebten Lebensjahr dann 75000 IE, danach 50000 IE pro Kilogramm Körpergewicht.
• Verabreichung des Arzneimittels in achtstündlichen Intervallen. Die übliche Empfehlung "dreimal täglich" ist ungenügend. Wird das Arzneimittel beispielsweise um 7, 13 und 18 Uhr eingenommen, kann wegen der relativ kurzen Halbwertszeit von Oralpenicillinen während der Nacht ein Zeitraum entstehen, der aufgrund nicht ausreichender Wirkstoffspiegel die Krankheitskeime wieder anwachsen läßt.
• Behandlungsdauer über zehn Tage.
Nach 24 Stunden fieberfrei - jetzt ist Compliance gefragt Werden diese Regeln eingehalten, ist eine klinische und mikrobiologische Erfolgsquote von 96 bis 99 Prozent zu erwarten. Im Normalfall geht es den Patienten innerhalb der ersten zwölf Stunden nach Therapiebeginn erkennbar besser, nach 24 Stunden sind die Betroffenen fieberfrei. Um so wichtiger ist der Hinweis an den Patienten bzw. die betreuenden Personen, die Therapie nach Abklingen der Krankheitszeichen über die vorgeschriebene Zeitdauer unbedingt fortzusetzen! Für die Gabe von Penicillin V spricht auch, daß dieser Arzneistoff zu den Antibiotika gehört, die den geringsten Einfluß auf die Darmbakterien haben. Die gute Verträglichkeit erlaubt unter Umständen nötige Dosiserhöhungen, ohne daß unerwünschte Wirkungen zu befürchten sind - auch bei Kindern und Schwangeren. Außerdem ist Penicillin V preisgünstig.
Cephalosporine - die "Alternative der Wahl" Sollte es unter Penicillin V innerhalb der ersten zwei Tage zu keiner Verbesserung der Symptomatik kommen, ist ein Therapiewechsel angezeigt. Bevorzugt sollte jetzt ein Cephalosporin der ersten Generation wie Cefadroxil eingesetzt werden. Cefadroxil ist gut wirksam gegenüber A-Streptokokken und erhöht die Compliance vieler Patienten, da es nur einmal täglich gegeben wird und die flüssigen Darreichungsformen angenehm schmecken. Gegenüber Makroliden scheinen A-Streptokokken Resistenzen zu entwickeln, Tetrazykline und Cotrimoxazol werden von keiner Fachgesellschaft zur Therapie der Tonsillitis empfohlen. Insofern kann Cefadroxil als die "Alternative der Wahl" angesehen werden, wenn bei der bakteriellen Tonsillitis kein Penicillin V zum Einsatz kommen kann. Metaanalysen belegen sogar um bis zu zehn Prozent höhere Therapieerfolge mit Cephalosporinen im Vergleich zu Penicillin V. Ein Grund dafür könnte die bessere Compliance sein, wie sie bei dem nur einmal täglich einzunehmenden Cefadroxil gegeben ist.
Reinhild Berger, Stuttgart Nach Vorträgen von Prof. Dr. Wolfgang Elies, HNO-Klinik der Städtischen Klinik Bielefeld, Prof. Dr. Josef-Peter Guggenbichler, Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen/Nürnberg, Prof. Dr. Dr. Wolfgang Graninger, Universitätsklinik für Innere Medizin in Wien, anläßlich eines Presseworkshop "Tonsillitis" der Firma Grünenthal, Aachen, am 4. April in Wien.
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