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DAZ aktuell
Gesundheitsausschuß: Beweislastumkehr im Arzneimittelrecht umstritten
Bei einer öffentlichen Anhörung des Fachausschusses am 22. April lehnten der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) ebenso wie der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) die von den Sozialdemokraten angestrebte Beweislastumkehr ab. Eine Abkehr von dem bisher geltenden Grundsatz, nach dem die Beweislast für die anspruchsbegründeten Tatsachen den Anspruchsteller treffe, sei unangemessen. Der VFA sprach sich in seiner Stellungnahme zudem nachdrücklich gegen eine isolierte Reform des Arzneimittelhaftungsrechts aus. Da insbesondere die Frage der Einführung eines verschuldensunabhängigen Schmerzensgeldes, aber auch Eingriffe in geltende Beweislastregelungen sowie die Schaffung von industriefinanzierten Entschädigungsfonds von grundsätzlicher Bedeutung seien, müßten schon wegen der Präjudizwirkung auf die gesamte Gefährdungshaftung die haftungsrechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen "gravierenden Erweiterung des deutschen Haftungsrechts" in ihrer Gesamtheit bedacht werden. Besser wäre hingegen, so der VFA, einen "gegenseitigen Auskunftsanspruch" festzulegen, der einerseits dem Geschädigten Zugang zu den beim pharmazeutischen Unternehmer und bei der Zulassungsbehörde vorhandenen Nebenwirkungskenntnissen verschaffe, andererseits den potentiell Geschädigten seinerseits verpflichte, die relevanten Krankheitsdaten zur Beurteilung des Schadensfalls offenzulegen. Die ABDA plädiert dafür, die Apotheken vom Entschädigungsfonds, in den alle Hersteller einzahlen sollen, auszunehmen (AZ Nr.18 vom 27.April).
Die Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten plädierte hingegen ebenso wie Vertreter anderer Betroffenenverbände für eine weitreichende Änderung des Arzneimittelhaftungsrechts, um in Zukunft Ansprüche von Personen, die durch Arzneimittel geschädigt werden, abzusichern. So müsse klargestellt werden, daß eine Beweislastumkehr für die Geschädigten zugunsten sämtlicher Schadensersatzansprüche greife. Auch müßten Hersteller und Anwender von Blutprodukten fallbezogen zu Auskünften durch einen Auskunftsanspruch verpflichtet werden. Darüber hinaus sei sicherzustellen, daß bei einem Kreis mehrerer möglicher Verursacher die Schadensersatzansprüche ohne Nachweis der direkten Ursächlichkeit eines der Hersteller durch einen Haftungspool realisiert werden können. Die Haftung nach dem Arzneimittelgesetz müsse auch Schmerzensgeldansprüche für den Ersatz immaterieller Schäden erfassen. Probleme sahen mehrere Sachverständige jedoch bei der Konformität mit EU-Recht. So verstoße eine Beweislastumkehr für Arzneimittelfehler gegen die EG-Produkthaftungsrichtlinie. Professor Ulrich Foerste, Experte für Bürgerliches Recht und Zivilprozeßrecht der Universität Osnabrück, erklärte darüber hinaus in seiner Stellungnahme, an der Erweiterung des Schadensersatzes um Schmerzensgeld bestehe aus Sicht der Geschädigten ein "dringendes Interesse". Das dadurch gesteigerte Haftungsrisiko der pharmazeutischen Unternehmen dürfte auch versicherbar sein. Obschon einiges dafür spreche, daß die Frage "Schmerzensgeld bei Gefährdungshaftung?" ein Querschnittsproblem sei und daß die Einführung von Schmerzensgeldansprüchen in das Arzneimittelrecht präjudizierende Wirkung hätten, würde er die mit einer Sonderregelung verbundene Friktion zu anderem Gefährdungshaftungen noch für vertretbar halten, wenn andernfalls große Verzögerungen drohten. Dennoch müsse daran erinnert werden, daß eine Gefährdungshaftung für Nichtvermögensschäden mit der Tradition des deutschen Privatrechts breche und umstritten sei.
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