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KBV: Ärzte möchten Sprechstundenbedarf ändern
Die Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) beschlossen dazu am 18. Mai in Köln ein aktualisiertes Eckpunktepapier, mit dem sie auch auf den gestiegenen Wettbewerb der Krankenkassen reagieren. Im Arzneibereich - obwohl dieser nicht im Vordergrund stehe - bemängeln sie den derzeitigen Sprechstundenbedarf. Den Krankenkassen warfen sie eine Verweigerungsstrategie vor.
Im Eckpunktepapier heißt es, die Verantwortung für die Auswahl notwendiger Arzneimittel trage der behandelnde Arzt, der gegebenenfalls "aut idem" wählen oder im Einzelfall den Apotheker befragen könne. Die Entscheidungskette ärztliche Diagnostik, Indikationsstellung, die Auswahl bis hin zur Verlaufsbeobachtung bei medikamentösen Behandlungen sei nicht teilbar. Da dem Hausarzt die Dokumentation der verwendeten Arzneimittel zukomme, werden Patientenchipkarten dazu abgelehnt, da sie den falschen Eindruck auf Vollständigkeit vermittelten.
Für ausgeschlossene Medikamente aus der Erstattungsfähigkeit sollte keine Werbung zur Selbstmedikation erlaubt werden.
Neben diesen bisher schon bekannten Forderungen gibt es aktualisierte: "Neue Formen der Arzneimittelabgabe durch den behandelnden Arzt" seien nötig, sagt die KBV, welche die rund 110000 niedergelassenen Ärzte in Deutschland vertritt. Dazu zählt sie Präparate zur unmittelbaren Anwendung am Patienten sowie die für Einstellungen notwendigen Arzneimittelmengen, die in den Arztpraxen vorrätig gehalten werden sollten. Wie Hauptgeschäftsführer Dr. Rainer Hess dazu vor Journalisten sagte, sei die Vorlage als Hintergrundpapier der KBV zu verstehen, das keinesfalls zu politischen Aktionen im Arzneibereich führen solle, der Arzneisektor stehe derzeit nicht im Vordergrund. Beide Punkte seien jedoch notwendig, damit der Arzt nicht kleine Arzneimittelpackungen verordne, die etwa bei erfolglos gebliebener Einstellung fast unverbraucht weggeworfen würden. Die derzeitige Regelung des Sprechstundenbedarfs hält die KBV demnach nicht für ausreichend.
Die niedergelassenen Mediziner plädieren darüber hinaus für eine Überprüfung der Erstattungspflicht bei Präparaten mit nicht belegtem therapeutischen Nutzen oder denjenigen, die nach dem Sozialgesetzbuch V unwirtschaftlich seien, sowie bei den Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen.
Generika oberhalb des jeweils unteren Preisdrittels sollten nur noch bei Patientenwunsch verordnet werden, der Versicherte solle die entsprechenden Mehrkosten selbst zahlen. Wenn unwirtschaftliche Arzneimittel weitgehend ausgegrenzt seien, sollte das Morbiditätsrisiko von den Ärzten wieder an die Krankenkassen zurückgehen.
In den Leitsätzen des Eckpunktepapiers wird darüber hinaus der Anspruch des Patienten auf notwendige, ausreichende und wirtschaftliche Versorgung, freie Arztwahl sowie die intakte Arzt-Patientenbeziehung festgehalten. Ein Primärarztsystem mit einem Zwang zum Erstkontakt zum Hausarzt wird abgelehnt. Um allerdings unkoordiniertes "Doktor-hopping" zu verhindern, soll die Chipkarte so geändert werden, daß die Patienten im selben Quartal je einen Haus- und Facharzt ohne Überweisung aufsuchen können. Die Kooperation zwischen den niedergelassenen Medizinern und deren Kollegen im Krankenhaus müsse verbessert werden, ohne jedoch den Kliniken die institutionelle Öffnung für die ambulante Versorgung einzuräumen.
Die Mediziner plädieren zudem für eine stärkere Eigenverantwortung der Versicherten unter anderem durch Wahltarife. Die Finanzierungsengpässe der GKV dürften nicht länger einseitig die ambulante Versorgung belasten. An die Stelle erhöhter Selbstbeteiligungen der Patienten könnte bei bestimmten Leistungen ein flexibler Beitragsanteil der Versicherten treten und so die Lohnnebenkosten entlasten.
Die Kassenärzte befürworteten weiterhin einen einheitlichen Leistungskatalog der Kassen, dieser dürfe jedoch keine unwirksamen, versicherungsfremden oder unwirtschaftlichen Leistungen enthalten.
Nach eigenem Bekunden wollen die Vertragsärzte neue Versorgungsstrukturen mit patientenorientierten Dienstleistungen und Qualitätsmanagement vorantreiben, welche jedoch nicht durch selektive Angebote einzelner Kassen zersplittert werden dürften.
Der erste Vorsitzende der KBV, Dr. Winfried Schorre, warf in diesem Zusammenhang den Krankenkassen mit scharfen Worten eine Verweigerungsstrategie vor. Diese sollten nicht auf die nächste Bundestagswahl schielen und auf eine stärkere Machtposition unter einer SPD-Regierung hoffen, sondern gemeinsam mit den Ärzten die neuen Instrumente wie Modelle und Strukturvorhaben jetzt umsetzen. Ansonsten drohe der Vorwurf der Untätigkeit an die Selbstverwaltung durch die Politik. Er habe jedoch den Eindruck, den Kassen gehe es vorrangig um die Darstellung des eigenen Kassenprofils, sagte Schorre. Die Kassen im Wettbewerb seien mit einer Diffamierungskampagne mehr an der Demontage des ärztlichen Images interessiert als an einer Kooperation. Notwendig für neue Versorgungsformen sei im übrigen die schnelle Datenlieferung durch die Kassen, die immer noch fehle.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen nannte Schorre eine notwendige Schutzfunktion gegenüber den Krankenkassen, die im Wettbewerb häufig die Patienten vergäßen und mehr an ihre gesunden Versicherten dächten.
An die Adresse der eigenen Kollegen richtete der Arzt den Appell, die Probleme innerärztlich zu lösen und sich nicht auseinanderdividieren zu lassen. Die Auseinandersetzung der Ärzte untereinander - von Fehlinformation bis zur Denunziation - habe nicht mehr tolerable Formen angenommen, sagte der KBV-Vorsitzende.
Die Stimmung in der Ärzteschaft ist seit längerem wegen sinkender Punktwerte - und damit Einkommen - bei zugleich gestiegener Arztzahl gereizt.
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