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Arzneimittel und Therapie
Hamburger Studie: Pharmazeutische Betreuung von Asthmapatienten
Pharmazeutische Betreuung des Patienten ist ein wichtiges Betätigungsfeld für Apotheker. Im Mittelpunkt der Bemühungen steht der Patient. Das Ergebnis seiner Arzneimitteltherapie soll verbessert und seine Lebensqualität soll gesteigert werden. Will man den Nutzen der Pharmazeutischen Betreuung belegen, sollte man sowohl den Einfluß auf das Therapieergebnis als auch die Veränderung der Behandlungskosten untersuchen. Seit 1995 gibt es in mehreren deutschen Kammerbezirken Modellprojekte zur Pharmazeutischen Betreuung. In diesen Projekten führen die beteiligten Apotheker Pharmazeutische Betreuung bestimmter Patienten durch und dokumentieren diese.
Pharmazeutische Betreuung von Asthmapatienten
Eine seit Frühjahr 1997 in Hamburg laufende Studie hat die Pharmazeutische Betreuung von Asthmapatienten zum Thema. Asthmapatienten sind aus mehreren Gründen ideale Kandidaten für die Pharmazeutische Betreuung:
• Asthma bronchiale ist eine chronische Erkrankung.
• Die Prävalenz ist hoch; 5 bis 6% aller Erwachsenen leiden an Bronchialasthma.
• Die Asthmatherapie birgt viele Anwendungsprobleme.
• Es gibt hilfreiche Monitoring-Instrumente für das Selbstmanagement der Patienten: Peak-flow-Meter und Patiententagebuch.
• Compliance-Probleme sind häufig.
• Die Asthmasterblichkeit ist hoch.
• Es gibt Hinweise und Richtlinien zum Krankheits-Management.
• Es gibt validierte Schulungsprogramme.
Die Hamburger Studie wurde auch durch die Zusammenarbeit im "Pharmaceutical Care Network in Europe" ermöglicht. Im europäischen Ausland gibt es bereits ähnliche Projekte zur Pharmazeutischen Betreuung von Asthmapatienten.
50 Apotheken, 127 Ärzte und 255 Patienten 26 Studien- und 24 Kontrollapotheken nehmen an der Hamburger Studie teil. Sie betreuen 161 Studien- und 94 Kontrollpatienten in Zusammenarbeit mit 127 Ärzten (Allgemeinärzten, Internisten und Pulmologen). Der Apotheker schult den Patienten im Umgang mit den Antiasthmatika, den Inhalationshilfen und dem Peak-flow-Meter. Alle sechs Wochen führt der Apotheker ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten, das dokumentiert wird. Er bespricht arzneimittelbezogene Probleme mit dem Patienten und trägt zu deren Lösung bei.
Optimale Anwendung von Arzneimitteln
Die Pharmazeutische Betreuung des Asthmapatienten verfolgt mehrere Ziele. Sie soll
• die Lebensqualität des Patienten steigern,
• sein Wissen über die Erkrankung und die Arzneimittel verbessern,
• zu einer optimalen Anwendung der Arzneimittel führen,
• die Fertigkeit im Umgang mit den technischen Hilfsmitteln verbessern und
• den Gesundheitszustand des Patienten verbessern.
In mehreren Fragebogen dokumentieren Patient, Apotheker bzw. Arzt zu Beginn und nach sechs und zwölf Monaten Pharmazeutischer Betreuung folgende Parameter:
• klinische Parameter, wie Asthma- und Atemnot-Schweregrad, Peak-flow-Wert, Krankheitstage und Krankenhausaufenthalte,
• psychosoziale Parameter, wie allgemeine und asthmaspezifische Lebensqualität, Kenntnisse zum Asthma, Umgang mit der Krankheit und Zufriedenheit mit der Pharmazeutischen Betreuung,
• arzneimittelbezogene Parameter, wie Inhalationstechnik, Beta2-Sympathomimetika-Verbrauch und unerwünschte Arzneimittelwirkungen,
• Behandlungskosten.
Viele Fehler in der Therapie können vermieden werden Die Ergebnisse der Basiserhebung liegen vor. Ein Großteil der Patienten war in der allgemeinen bzw. asthmaspezifischen Lebensqualität erheblich eingeschränkt: 50% gaben an, aufgrund mangelnder körperlicher Gesundheit weniger zu schaffen, als sie wollten. 38% gaben an, aufgrund seelischer Probleme weniger zu schaffen, als sie wollten. 42% berichteten, sie hätten von Zeit zu Zeit Schwierigkeiten, sich zu Hause zu bewegen. 62% wachten in den meisten Nächten auf und benötigten ihr Dosieraerosol oder Inhalationsgerät. Einige Patienten hatten unzureichende Kenntnisse über die Erkrankung: 20% wußten nicht, daß Asthma eine Entzündung der Atemwege ist. Nicht alle Patienten hatten ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt: 25% gaben an, es fiele ihnen nicht leicht, Bedenken oder Zweifel bezüglich der Asthmatherapie gegenüber dem Arzt zu äußern. Jeder dritte Patient setzte sein vorbeugendes Medikament nach eigenem Gutdünken ein: 35% gaben an, ihr vorbeugendes Medikament so anzuwenden, wie sie es für richtig hielten, und nicht so, wie es der Arzt verordnet hatte. 55% gaben an, daß sie einen drohenden Asthmaanfall nicht verhindern könnten.
Was kann Pharmazeutische Betreuung bewirken? - ein Fallbeispiel
Ein Fallbeispiel aus der Hamburger Studie verdeutlicht, was pharmazeutische Betreuung bewirken kann:
Käthe K. (Name geändert), 49 Jahre alt, Ex-Raucherin, leidet seit elf Jahren an Bronchialasthma. Der Arzt hat einen Asthma- und Atemnotschweregrad 1 angegeben. Die Patientin reagiert allergisch auf Gräserpollen. Dem Apotheker schildert sie Symptome des Mundsoors und eine starke saisonale Peak-flow-Schwankung.
Als Asthmamedikamente bekommt sie:
• das lang wirkende Beta2-Sympathomimetikum Salmeterol (Serevent®, morgens und abends zwei Hübe = Maximaldosis),
• das Glucocorticoid Fluticason (Flutide® forte, morgens und abends drei Hübe),
• das kurz wirkende Beta2-Sympathomimetikum Fenoterol (Berotec®, bei Bedarf),
• die Theophyllinpräparate Bronchoretard® forte (abends eine) und Solosin® retard (morgens und mittags eine) und
• seit vier Jahren 5 mg Prednison oral (morgens eine).
Der Peak-flow-Wert zu Beginn liegt bei 250 l/min am Morgen und 310 l/min am Abend. Ihr persönlicher Bestwert beträgt etwa 450 l/min.
Was ergibt die Pharmazeutische Betreuung über sechs Wochen? Der Apotheker empfiehlt einen Spacer zur Inhalation des Glucocorticoids. Seit der Anwendung heilt der Mundsoor ab. Die Patientin führt jetzt in der Zeit der starken allergischen Reaktion auf Gräser eine Selbstmedikation mit Fenistil® durch. Das Asthma hat sich deutlich gebessert; die Patientin hat gute, stabile Peak-flow-Werte und kein nächtliches Erwachen mehr. Die Theophyllingabe wird auf ein einziges Präparat reduziert, das nur noch einmal abends gegeben wird. Das orale Glucocorticoid soll langsam abgesetzt werden.
Jetzt hält die Patientin es nicht mehr für nötig, das Glucocorticoid zu inhalieren. Hier muß die Pharmazeutische Betreuung unbedingt weitergehen: Der Patientin muß verdeutlicht werden, daß die Entzündung immer vorhanden ist und daher weiterbehandelt werden muß. Der Apotheker sollte verfolgen, wie sich die Symptome und die Lungenfunktion unter der reduzierten medikamentösen Therapie entwickeln. Er sollte überlegen, was man tun kann, um der saisonalen Verschlimmerung im nächsten Jahr vorzubeugen (z.B. Cromoglicinsäure inhalieren).
Der Bedarf ist vorhanden Auch wenn die Daten nach sechs und zwölf Monaten noch ausstehen, können bereits erste Schlußfolgerungen aus der Hamburger Studie gezogen werden: Es gibt einen enormen Bedarf für Pharmazeutische Betreuung. Pharmazeutische Betreuung läßt sich in der Apotheke durchführen und wird von den Patienten dankbar angenommen. Das Vertrauen der Patienten in den Apotheker wächst, und die Zusammenarbeit mit den Ärzten gestaltet sich oft problemlos.
Die Hamburger Studie soll auch dazu beitragen, Qualitätsmaßstäbe für die Betreuung von Asthmapatienten in der Apotheke zu entwickeln. Hierzu erarbeitet die ABDA ein Manual, das für Fort- und Weiterbildungen der Apotheker verwendet werden soll.
Quelle Dr. Martin Schulz, Leiter der Arzneimittelinformationsstelle der ABDA, Eschborn, "Der Asthmapatient", Wissenschaftliche Vortrags- und Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Münster, 25. April 1998. Susanne Wasielewski, Münster
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