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Arzneimittel und Therapie
Herzinfarkt: Tödliche Gefahr ohne Vorwarnung
Die PROCAM-Studie
Im Jahr 1979 startete man an der Universität Münster die weltweit größte Prospektivstudie über die Risikofaktoren von Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs. In dieser "Münster Heart Study" (PROCAM) sind derzeit die Daten von über 34000 Teilnehmern (zwei Drittel Männer, ein Drittel Frauen) gespeichert. In die Studie wurden ausschließlich gesunde Mitarbeiter aus Unternehmen und Behörden in Westfalen und dem nördlichen Ruhrgebiet aufgenommen. Um genaue Aussagen über das Herzinfarktrisiko machen zu können, wählte man unter den Teilnehmern der PROCAM-Studie 4849 gesunde Männer aus, die zu Studienbeginn zwischen 40 und 65 Jahre alt waren, und beobachtete sie über einen Zeitraum von acht Jahren. In dieser Zeit traten 258 gesicherte kardiovaskuläre Ereignisse auf: 28 Männer starben einen plötzlichen Tod; 49 erlitten einen tödlichen Herzinfarkt, 181 Männer einen nicht tödlichen Herzinfarkt.
Neun Werte genügen
Nach Auswertung der epidemiologischen Daten mit Hilfe einer Multivarianzanalyse stellte sich heraus, daß von den 55 Einzelwerten, die jeder Teilnehmer ablieferte, lediglich folgende neun Werte unabhängige Risikofaktoren für einen Herzinfarkt darstellen:
- Alter (Jahre)
- Systolischer Blutdruck
- LDL-Cholesterin
- HDL-Cholesterin
- Triglyceride
- Zigarettenrauchen
- Diabetes mellitus
- Herzinfarkt in der Familie
- Angina pectoris
Aufgrund dieser Erkenntnis wurde das Risikoberechnungsprogramm CERCA entwickelt. Nach Eingabe der neun Variablen errechnet CERCA das Herzinfarktrisiko eines Menschen innerhalb der nächsten acht Jahre.
Da CERCA auf den Daten der PROCAM-Studie beruht, stimmt das errechnete Ergebnis gut mit der epidemiologischen Wirklichkeit überein. Die Risikoeinschätzung gilt strenggenommen nur für Männer von 45 bis 60 Jahren, denn in dieser Gruppe wurden die Daten erhoben. Das Programm lässt sich jedoch auch bei postmenopausalen Frauen einzusetzen, da deren Herzinfarktrisiko sich dem gleichaltriger Männer annähert.
Fehler vermeiden
Mit Hilfe des CERCA-Programms lässt sich die Bevölkerung in verschiedene Risikogruppen aufteilen. Überraschendes Ergebnis: In der Hochrisikogruppe findet man zahlreiche Menschen mit normalen Cholesterinwerten, in der Niedrigrisikogruppe hingegen viele mit deutlich erhöhten LDL-Cholesterinwerten. Nimmt man - wie bisher üblich - den Cholesterinspiegel und den LDL-Cholesterinwert als Hauptkriterium für den Beginn einer Präventivtherapie, riskiert man Fehler: Hochrisikopatienten würden wegen ihrer normalen Cholesterinwerte nicht therapiert, Patienten mit geringem Herzinfarktrisiko unnötigerweise behandelt, weil ihr LDL-Cholesterin zu hoch ist. Mit CERCA lassen sich solche Therapiefehler vermeiden. Die Risikoeinschätzung beruht nicht mehr länger auf einzelnen Faktoren, sondern ist das Ergebnis einer komplexen Berechnung, die den Vorteil hat, das Herzinfarktrisiko auf Basis epidemiologisch gesicherter Daten anzugeben.
CERCA fördert zudem die Compliance des Patienten. Der Arzt kann zusammen mit dem Patienten die neun Werte, die sich einfach ermitteln lassen, eingeben; das Risiko wird in Sekundenschnelle errechnet. Ändert der Arzt nun den einen oder den anderen Parameter, so kann er dem Patienten vorrechnen und damit verständlich machen, welchen Nutzen eine bestimmte Maßnahme verspricht.
Das Programm wird an Ärzte verteilt, steht aber auch im Internet (www.chd-taskforce.de) jedermann zur Verfügung.
Quelle: Prof. Dr. Gerd Assmann, Münster, Dr. Helmut Schulte, Münster, Prof. Dr. Gernot Klein, Bernried, Pressekonferenz "Schnelle und effiziente Früherkennung herzinfarktgefährdeter Patienten mit rechnergestützten Verfahren wie CERCA (Coronary Events Risk Calculator)" München, 12. Mai 1998, veranstaltet von Gödecke/Parke-Davis, Freiburg.
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