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Arzneimittel und Therapie
Arteriosklerose: Aktive Schäden durch passives Rauchen gefährden das Herz
Passivrauchen steht nach aktivem Rauchen und Alkohol an dritter Stelle der vermeidbaren Todesursachen und erhöht das Risiko für Lungenkrebs und kardiovaskuläre Erkrankungen. Der Einfluß von passivem im Vergleich zu aktivem Rauchen ist in den USA erstmals in einer 1987 begonnenen Studie untersucht worden, deren Ergebnisse jetzt vorliegen.
Drei-Jahres-Studie mit 10914 Probanden In der ARIC-Studie wurde bei 10914 Probanden im Alter von 45 bis 64 Jahren der Einfluß des aktiven und passiven Rauchens auf die Progression der Arteriosklerose innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren untersucht. Als Maß dafür diente die per Ultraschall bestimmte Veränderung der Dicke der Tunica intima und der Tunica media der beiden Karotiden. Die Probanden wurden anhand ihrer Rauchervorgeschichte in die Gruppen aktueller Raucher, ehemaliger Raucher (bei mehr als 100 gerauchten Zigaretten in der Vergangenheit) und Nichtraucher klassifiziert. Zur Bewertung des Passivrauchens wurde zwischen ehemaligen Rauchern, Nichtrauchern, Passivrauchern (mehr als eine Stunde Rauch pro Woche) und nicht exponierten Personen unterschieden.
Passivrauchen steigert koronare Arteriosklerose Nach Anpassung der Arterioskleroseprogression an demographische Faktoren, kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck und Cholesterin sowie sogenannte Lifestyle-Faktoren war ein Ergebnis nicht überraschend: Während bei Nichtrauchern nur ein mittlere Zunahme der Karotisdicke von 28,7 mm in drei Jahren festgestellt wurde, waren es bei Rauchern im Mittel 43 mm.
Unerwartet war jedoch die Höhe des Einflusses von Passivrauchen bei Nichtrauchern und ehemaligen Rauchern: Die Progressionsrate erhöhte sich in drei Jahren signifikant um 11% oder 5,9 mm. Der Gesamteinfluß von Passivrauchen auf die Arterioskleroseprogression wurde auf 34% geschätzt und war damit genauso hoch wie der des aktiven Rauchens. Nach bisherigen Analysen soll die Menge des pro Tag aufgenommenen Passivrauches zwar nur der einer Zigarette entsprechen, die höhere Toxizität des Rauches und die Anfälligkeit des kardiovaskulären Systems eines Nichtrauchers könnten die neuen Ergebnisse erklären.
Die Zahl der Zigaretten macht's Der Unterschied der Arterioskleroseprogression von 7,3 mm zwischen aktuellen und ehemaligen Rauchern ist nach Analyse der Packungsjahre (= gerauchte Packungen pro Tag multipliziert mit den Jahren des Rauchens) auf den gesamten Zigarettenkonsum und weniger auf den aktuellen Raucherstatus zurückzuführen. Auch die um 24% höhere Progressionsrate bei ehemaligen Rauchern im Vergleich zu Nichtrauchern läßt sich durch den früheren Zigarettenkonsum erklären. Bisher wurde angenommen, daß die Progressionsraten nach Beendigung des Rauchens abnehmen. Die ARIC-Studie dagegen zeigt, daß die Effekte nicht nur kumulativ und proportional zum Zigarettenkonsum, sondern vielleicht sogar irreversibel sind.
Zigarettenrauch schädigt endotheliales Gewebe Als möglicher Mechanismus der Wirkung von Zigarettenrauch wird vor allem die Schädigung des Endothels der Arterien diskutiert. Akute Effekte auf die Endothelzellen könnten dafür verantwortlich sein, daß Zigarettenrauch die Schwelle für Angina pectoris und kardiale Ischämie herabsetzt. Außerdem erhöht inhalierter Zigarettenrauch die Aggregationsfähigkeit der Blutplättchen, welche sich an freigelegtes subendotheliales Bindegewebe anheften und eine Proliferation der glatten Muskulatur auslösen. Dies führt zur Bildung von arteriosklerotischen Plaques, die im Gegensatz zu Schäden oder Dysfunktionen des Endothels irreversibel sind.
Diabetiker sind besonders gefährdet Eine koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck und Diabetes zählen zu den Risikofaktoren, welche die Progression der Arteriosklerose signifikant negativ beeinflussen. Vor allem bei Diabetikern wirkte sich aktuelles Rauchen außergewöhnlich stark aus. Die Gefäßwanddicke verdoppelte sich im Vergleich zu rauchenden Nichtdiabetikern von 40 mm auf 80 mm.
Ist ein allgemeines Umdenken nötig? Angesichts des erschreckend hohen Einflusses von Passivrauchen auf die Arterioskleroseprogression ist die Frage nach den Konsequenzen für das Gesundheitswesen zu stellen. Bei der Epidemiologie kardiovaskulärer Erkrankungen wurde der Einfluß des Passivrauchens bisher nicht berücksichtigt, obwohl dessen synergistische Wirkung mit anderen Risikofaktoren wie Diabetes und Hypertonie nicht zu unterschätzen ist. In der klinischen Praxis wird es unvermeidlich sein, Angaben zur Passivrauchexposition in die Rauchervorgeschichte mit einzubeziehen, um kardiovaskuläre und onkologische Risiken realistisch bewerten zu können. Außerdem kommt der Vermeidung von Passivrauchen der gleiche Stellenwert zu wie dem Nichtrauchen. Dies gilt vor allem bei Risikogruppen.
Literatur Howard, G., et al.: Cigarette smoking and progression of atherosclerosis; The Artherosclerosis Risk in Communities (ARIC) Study. J. Am. Med. Assoc. 279, 199-124 (1998). Pearson, T. A., R. M. Werner: What's so passive about passive smoking? J. Am. Med. Assoc. 279, 199-124 (1998). Barbara Engels, Karlsruhe
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