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Arzneimittel und Therapie
Vitaminwirkungen: Carotinoide: heterogene Gruppe mit diffenzierten Wirkungen
Eine Vielzahl von Beobachtungen und Studien weist auf protektive Effekte antioxidativ wirkender Carotinoide hin. Demnach ist ein erhöhter Carotinoid-Verzehr korreliert mit einem verminderten Risiko für Vitamin-A-Mangelerscheinungen, Degeneration der Macula lutea und verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gegen Photosensibilität kommen hochdosierte Carotinoide sogar therapeutisch zum Einsatz.
Schutz vor Krebs?
Weiterhin werden protektive Effekte auf alle wesentlichen Phasen der Krebsentwicklung bei einigen Krebsarten diskutiert. In der Initiationsphase dürften Carotinoide durch ihre antioxidative Wirkung freie Radikale abfangen und damit den oxidativen Streß vermindern. Als Effekt in der Promotionsphase wird angenommen, daß Carotinoide die Ausbildung von Kanälen zwischen Zellen vermitteln, über die gesunde Zellen das Wachstum von präkanzerösen Zellen kontrollieren können. Darüber hinaus werden auch günstige Effekte auf Krebszellen in der Progressionsphase diskutiert, da das Wachstum von Brustkrebszellen in vitro mit Carotinoiden gebremst werden konnte.
Die Nahrung enthält 40 Carotinoide
Doch leiden alle Beobachtungen über präventive Wirkungen von Nahrungsbestandteilen unter dem grundsätzlichen Problem, aus den nachträglich nur schwer erfaßbaren Zufuhrmengen einzelner Stoffe auf mögliche Folgen zu schließen und geeignete "Plazebogruppen" festzulegen. Gezielte Interventionsstudien würden diese Probleme umgehen, sind aber zumeist unpraktikabel und kaum genehmigungsfähig.
Ein spezielles Problem bei der Beurteilung von Carotinoiden liegt in der Auswahl der untersuchten Vertreter dieser Gruppe. Wegen der guten Verfügbarkeit für eine gezielte Nahrungsergänzung beziehen sich die meisten Arbeiten und die gängigen Ernährungsempfehlungen auf Alpha-Carotin und Betacaroten.
Doch kommen von den etwa 600 bekannten Carotinoiden etwa 40 Substanzen in einer abwechslungsreichen Ernährung vor. Hierzu zählen beispielsweise auch Kryptoxanthin, Zeaxanthin, Lycopin und Lutein, die sich in ihren biochemischen Effekten unterscheiden, beispielsweise in ihrer Fähigkeit zur Desaktivierung verschiedener Radikale. So liegt die Geschwindigkeitskonstante für die Desaktivierung von Singulettsauerstoff bei Lycopin höher als bei Betacaroten und deutlich höher als bei Vitamin E.
Studien zeigen protektive Effekte von Lycopin
Außerdem mehren sich die Hinweise auf unterschiedliche protektive Effekte einzelner Carotinoide. So zeigt sich in einer 1995 veröffentlichten Studie an fast 50000 Männern bei lycopinreicher Ernährung ein signifikant um 21% vermindertes Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken. Eine Korrelation mit anderen Carotionoiden konnte dagegen nicht gefunden werden. Verschiedene Fall-Kontroll-Studien aus Norditalien, die 1994 zusammengefaßt wurden, zeigen ähnliche Ergebnisse für Krebsformen des Verdauungstraktes. Dabei wurden Senkungen der Krebshäufigkeit um 30 bis 60% ermittelt.
Zudem konnte bei Blutspenderinnen, die später an Brustkrebs erkrankten, eine retrospektive Untersuchung der Blutproben vorgenommen werden. Hier zeigte sich ebenfalls eine Beziehung zwischen hohen Lycopinwerten und niedrigem Krebsrisiko. In einer anderen Studie wurde das Fettgewebe von Herzinfarktpatienten untersucht, um die Lycopinversorgung zu ermitteln. Auch hier war eine gute Lycopinversorgung mit einem verminderten Risiko korreliert. Allerdings liegen keine prospektiven Untersuchungen vor. Zudem bleibt offen, welche speziellen protektiven Effekte von anderen, weniger bekannten Carotinoiden ausgehen.
Ausgewogene Mischung erscheint optimal
Daher erscheint eine großzügige und ausgewogene Zufuhr eines breiten Gemischs an Carotinoiden empfehlenswert. Je nach persönlichen Ernährungsgewohnheiten kann der empfohlene Verzehr von fünf täglichen Mahlzeiten mit Obst oder Gemüse problematisch zu realisieren sein. Erschwerend kommt hinzu, daß die einzelnen Carotinoide keineswegs gleichmäßig in verschiedenen Fruchtsorten vertreten sind.
So ist Lycopin, das kein Provitamin A darstellt, nur in rosa Grapefruit, Guaven, Wassermelonen, Hagebutten und Tomaten in relevanten Mengen zu finden. In den Industrienationen liefern Tomaten 90% des Lycopins aus der Nahrung. Die Bioverfügbarkeit von Lycopin wird durch die Anwesenheit von Fetten erheblich gesteigert. So ist es aus Tomatenpaste und Ketchup deutlicher besser als aus frischen Tomaten aufzunehmen, während es aus Tomatensaft ohne fetthaltige Nahrung praktisch nicht resorbiert wird. Diese relativ stark eingeschränkten Möglichkeiten für die Lycopinversorgung aus der Nahrung können als Argumente für eine Nahrungsergänzung angesehen werden, zumal die Substanz offenbar kaum gespeichert wird und die Lycopinblutspiegel bei einer zweimonatigen carotinarmen Diät auf etwa ein Zehntel fallen.
Ist eine Nahrungsergänzung sinnvoll?
Ein weiteres Argument für eine breite Nahrungsergänzung ergibt sich aus einem Vergleich der heutigen Ernährung und der Nahrung der Menschen und ihrer Urahnen aus der Steinzeit und früheren Epochen. Damals dominierten Früchte gegenüber tierischer Nahrung und pflanzlichen Speichermedien, die heute durch Ackerbau gewonnen werden.
Demnach wurde die Physiologie des menschlichen Körpers über lange Zeit unter einem reichlichen Angebot typischer Inhaltsstoffe von Früchten optimiert, während für die Anpassung an eine andere Ernährung erst eine nach den Maßstäben der Evolution kurze Zeitspanne zur Verfügung steht. Dies spricht für eine Ergänzung der Nahrung um solche Mikronährstoffe, die vorzugsweise in Früchten vorkommen.
Bei der Dosierung ist zu beachten, daß die meisten gängigen Empfehlungen Mangelzustände verhindern sollen, wofür sich zumeist recht präzise Bedarfsmengen ermitteln lassen. Damit bleibt jedoch offen, welche zusätzlichen Mengen eine optimale Körperfunktion und die bestmögliche Prävention gegen die verschiedensten Erkrankungen gewährleisten, da diese Aussagen ungleich schwieriger zu gewinnen sind. Angesichts dieser Erkenntnisdefizite sollte aber auch vor einer extrem überhöhten und insbesondere vor der unausgewogenen Zufuhr einzelner Substanzen gewarnt werden.
Quelle: Priv.-Doz. Dr. Wilhelm Stahl, Düsseldorf, Prof. Dr. Jürgen Vormann, Berlin, Vorträge beim Pressegespräch "Mit der Kraft der Tomate: Effektiver Zellschutz durch Lycopin" am 21. April 1998 in Hamburg, veranstaltet von der Firma Klopfer Nährmittel GmbH, Ismaning.
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