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Arzneimittel und Therapie
Alzheimer-Therapie: Länger besser leben!
Der Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit bei Alzheimer-Patienten geht mit einem Untergang von cholinergen Neuronen einher. Die Folge ist ein Defizit des Neurotransmitters Acetylcholin. Diesem Defizit versucht man durch Hemmung der Acetylcholinesterase entgegenzuwirken. Ein neuer Vertreter der Gruppe der Acetylcholinesterase-Hemmer ist Rivastigmin, das unter dem Handelsnamen Exelon® im Mai diesen Jahres von der Europäischen Kommission zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenzen zugelassen wurde und seit 1. Juni in Deutschland erhältlich ist.
Wirkungsweise von Rivastigmin Rivastigmin ist ein sogenannter pseudoirreversibler Acetylcholinesterase-Hemmer. Aufgrund seiner Strukturähnlichkeit mit Acetylcholin lagert sich Rivastigmin wie Acetylcholin an die Acetylcholinesterase im synaptischen Spalt an und bildet einen Komplex mit dem Enzym. Anders als bei Acetylcholin, das rasch hydrolisiert und aus seiner Bindung an die Acetylcholinesterase wieder freigesetzt wird, ist der Komplex Rivastigmin/Acetylcholinesterase jedoch mehrere Stunden stabil (daher der Begriff pseudoirreversibel). Das Enzym steht somit für seine eigentliche Aufgabe nicht zur Verfügung, die Bindung und Hydrolyse von Acetylcholin wird verhindert, und größere Mengen an freiem Acetylcholin stehen zur Verfügung.
Wirkung vor allem im Cortex und Hippocampus Die Plasmahalbwertszeit von Rivastigmin ist entgegen seiner langen Wirkdauer (10 bis 12 h) nur kurz, sie liegt bei 0,6 bis 2 Stunden. Wie sich in verschiedenen In-vitro- und In-vivo-Studien gezeigt hat, gelangt Rivastigmin nach der Aufnahme rasch über die Blut-Hirn-Schranke ins ZNS und entfaltet dort seine Wirkung, besonders im Bereich des Cortex und Hippocampus. Der Abbau erfolgt direkt am Wirkort, der inaktive Metabolit wird anschließend rasch über die Niere ausgeschieden. Die Verstoffwechselung über die Leber unter Einbeziehung des Cytochrom-P450-Systems erfolgt nur in kleinem Umfang.
Zulassung auf der Basis des ADENA-Programms Grundlage für die Zulassung von Rivastigmin waren unter anderem die Ergebnisse des sogenannten ADENA-Programms (Alzheimers Disease ENA 713), einer Phase-III-Studie, die weltweit an 120 Zentren mit über 3000 Alzheimer-Patienten durchgeführt wurde. Bei den Patienten handelte es sich um "praxisrelevante, repräsentative" Patienten, das heißt, es wurde keine obere Altersgrenze festgelegt, 85% der Teilnehmer hatten Begleiterkrankungen, 75% wurden deshalb zusätzlich medikamentös behandelt. Die Teilnehmer des ADENA-Programms nahmen über einen Zeitraum von sechs Monaten Rivastigmin in Dosierungen von 6 bis 12 mg pro Tag (Hochdosisgruppe), 1 bis 4 mg pro Tag (Niedrigdosisgruppe) oder Plazebo ein. Geprüft wurde der Effekt von Rivastigmin auf die Gedächtnisleistung, die Bewältigung des Alltags sowie den klinischen Gesamteindruck anhand von psychometrischen Testsystemen wie ADAS-Cog-Score (Cognitive Subscale of the Alzheimers Disease Assessment Scale), PDS (Progressive Deterioration Scale) und CIBIC-Plus (Clinical Interview-Based Impression of Change plus caregiver information). Ergebnisse: Durch die Gabe von Rivastigmin konnten sowohl die kognitiven Leistungen als auch die Alltagsbewältigung und der klinische Gesamteindruck verbessert werden. Die Effekte waren dosisabhängig - während die Niedrigdosisgruppe nur wenig von Rivastigmin profitierte, konnte bei der Hochdosisgruppe ein deutlicher Nutzen der Rivastigmin-Therapie beobachtet werden.
Neben- und Wechselwirkungen von Rivastigmin Bei den im Studienverlauf beobachteten Nebenwirkungen handelte es sich vor allem um typische cholinerge Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö. Die Nebenwirkungen waren in der Regel nur leicht bis mäßig ausgeprägt und nahmen mit zunehmender Therapiedauer ab. Insbesondere bei weiblichen Patienten trat zu Beginn der Therapie neben den genannten Symptomen häufig auch Appetitlosigkeit auf, weshalb das Körpergewicht unter Gabe von Rivastigmin sorgfältig überprüft werden sollte. Ein Einfluß auf den Blutdruck, die Körpertemperatur oder den Puls wurde dagegen unter der Therapie mit Rivastigmin nicht beobachtet. Gleiches gilt für Interaktionen mit Arzneimitteln wie Digoxin, Warfarin, Diazepam oder Fluoxetin. Auch Wechselwirkungen mit häufig gebrauchten Substanzen wie Antazida, Antiarrhythmika, Antidiabetika, Benzodiazepinen, Antihypertensiva, Analgetika, Östrogenen oder nichtsteroidalen Antirheumatika traten bislang nicht auf.
Dosierung und Verfügbarkeit Rivastigmin wird einschleichend dosiert. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 1,5 mg pro Tag und sollte dann auf zweimal 3 mg bis zweimal 6 mg pro Tag gesteigert werden. Aufgrund der langen Wirkdauer reicht eine zweimal tägliche Gabe von Rivastigmin aus, um den Wirkspiegel aufrechtzuerhalten. Derzeit ist Rivastigmin neben Deutschland auch in Österreich, der Schweiz, Finnland, Schweden und Großbritannien erhältlich, weitere EU-Mitgliedstaaten werden Rivastigmin im Laufe des Jahres einführen. Daneben wird Rivastigmin zur Zeit auch von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA und weiteren Behörden geprüft.
Quelle Prof. Dr. Dr. Helmut Wolf, Nürnberg, Prof. Dr. Markus Gastpar, Essen, Dr. Martin Haupt, Düsseldorf, Dr. Jörg Liebel, Nürnberg, Prof. Dr. Alexander Kurz, München, Dr. Hans-Joachim Dennler, Nürnberg, Dr. Sibylle Bertoli, Basel; Einführungsveranstaltung "Alzheimer-Demenz: Wir tun was", Cap dAil, 6. Juni 1998, veranstaltet von Novartis Pharma GmbH, Nürnberg. Dr. Beatrice Rall
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