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- DAZ 28/1998
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Arzneimittel und Therapie
Neurologie: Interferon beta-1b bei sekundär-progredienter MS
In dieser doppelblind durchgeführten, randomisierten und plazebokontrollierten Studie wurde bei 718 Patienten (360 unter Interferon beta-1b und 358 unter Plazebo) die Wirksamkeit von Interferon beta-1b bei Patienten untersucht, die sich bereits in einem weiter fortgeschrittenen Stadium der MS befinden, also unter der sogenannten sekundär-progredienten MS leiden. Für diese Form der MS gibt es derzeit noch keine zugelassene Therapie. Die Dosierung des Medikaments in dieser Studie (8 Millionen Einheiten Interferon beta-1b, jeden zweiten Tag unter die Haut gespritzt) war identisch mit der Dosierung, die derzeit zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen ist. Nachdem alle Patienten mindestens 24 Monate lang behandelt worden waren, wurde eine bereits vorher eingeplante Zwischenauswertung der Studie durchgeführt. Die Zwischenauswertung zeigte, daß die Behandlung mit der aktiven Substanz im Vergleich zu Plazebo statistisch hochsignifikant überlegen ist. Ein unabhängiges Beratergremium hat deshalb empfohlen, allen Patienten in dieser Studie nun die Behandlung mit Interferon beta-1b anzubieten.
Fortschreiten der Behinderung verzögert Der primäre Endpunkt der Studie war die Zeitdauer, bis ein Fortschreiten der Behinderung auf einer entsprechenden standardisierten Skala (EDSS) bestätigt werden konnte. Die Ergebnisse zeigen, daß eine Behandlung mit Interferon beta-1b das Fortschreiten der Erkrankung schon während des begrenzten Zeitraums der Studie um 9 bis 12 Monate verzögern konnte. In der Gruppe, die mit Interferon beta-1b behandelt wurde, verschlechterte sich die Behinderung bei 38,9% der Patienten, in der Plazebo-Gruppe bei 49,7%, also verschlechterten sich in der Interferon beta-1b-Gruppe 21,7% weniger Patienten. Diese Wirkung war bei Patienten mit und ohne Krankheitsschübe zu beobachten und war unabhängig von dem Grad der Behinderung beim Beginn der Studie. Die Zeit bis zur Rollstuhlpflichtigkeit war ebenfalls verlängert. Der Prozentsatz der Patienten, die während des Zeitraums der Studie erstmals vollständig auf den Rollstuhl angewiesen waren, verringerte sich um 32,1%. Er betrug in der Plazebo-Gruppe 24,6% und in der mit Interferon beta-1b behandelten Gruppe 16,7%.
Krankheitsschübe und Krankenhausaufenthalte Die Anzahl der Krankheitsschübe konnte während der Studiendauer um 31% gesenkt werden. Die Schwere der Schübe wurde ebenfalls verringert, wie aus der statistisch signifikanten Reduktion der mittelschweren und schweren Schübe von 53,1% in der Plazebo-Gruppe auf 43,6% in der Interferon-beta-1b-Gruppe ersichtlich wird. Die Anzahl der duch die MS bedingten Krankenhausaufenthalte konnte gleichfalls gesenkt werden, und zwar um 20,4%: 42,2% der Plazebo-Patienten mußten wegen ihrer MS im Krankenhaus behandelt werden, aber nur 33,6% der mit Interferon beta-1b behandelten Patienten. Der Bedarf an Cortisonpräparaten sank ebenfalls deutlich. Die Wirkung auf Behinderungsgrad und Schubrate blieb über die gesamte Studiendauer erhalten. Die Magnetresonanztomographie bestätigte die klinischen Ergebnisse. In der Plazebo-Gruppe stieg das Volumen der sichtbaren MS-Herde bei jeder der jährlich durchgeführten Untersuchungen an und lag nach 2 Jahren bei etwa 8% Zuwachs, während unter Interferon-beta-1b-Behandlung im gleichen Zeitraum eine Abnahme um durchschnittlich 5% beobachtet werden konnte.
Gute Wirksamkeit belegt Die europäische Studie liefert den Nachweis, daß eine Behandlung mit Interferon beta-1b das Fortschreiten der neurologischen Behinderung bei Patienten mit sekundär-progredienter MS verlangsamt. Dies gilt für alle Behinderungsgrade am Beginn der Studie, für Patienten mit oder ohne Schübe, und spiegelt sich auch darin wider, daß die Zeit bis zur Rollstuhlpflichtigkeit verlängert werden konnte. Die Wirkung erstreckte sich auch auf die Schubfrequenz und die Schwere der Schübe. Die jährlichen magnetresonanztomographischen Untersuchungen (in einer Untergruppe auch öfter) stützen zusätzlich die Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Interferon beta-1b ist derzeit zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen. Mehr als 70000 Patienten wurden bisher mit dem Präparat behandelt.
Verschiedene Formen der Multiplen Sklerose Die Multiple Sklerose kann in verschiedenen Verlaufsformen vorkommen. In 80% der Fälle beginnt die Erkrankung mit akuten Schüben. "Schübe" sind Krankheitsausbrüche, bei denen innerhalb von einigen Tagen bis Wochen, aber auch manchmal buchstäblich über Nacht, zunehmende, vom Zentralnervensystem ausgehende Beschwerden auftreten. Oft bilden sich die Symptome nach den ersten Schüben wieder gänzlich zurück. Die Ärzte sprechen von "Remissionen". Daher wird diese häufigste Form der MS auch "schubförmig-remittierend" genannt. Relativ häufig geht ein zunächst schubförmiger Verlauf nach längerer Zeit in einen chronisch fortschreitenden Verlauf der Krankheit über. Auch zwischen den Schüben verschlechtert sich der Zustand stetig. In diesem Fall spricht man von einer "sekundär-progredienten" Multiplen Sklerose. Bei einem Teil der Patienten verschwinden die Schübe im Lauf der Zeit vollständig, so daß nur noch eine stetige Verschlechterung des Krankheitsbildes zu beobachten ist. Deutlich seltener als der "schubförmige" ist der chronisch fortschreitende (primär chronisch-progrediente) Verlauf. Die Krankheit beginnt schleichend; der Zustand des Patienten verschlechtert sich allmählich, aber stetig. Patienten mit dieser relativ seltenen Form der Erkrankung haben keine Schübe.
Quelle Prof. Dr. Ludwig Kappos, Basel, auf dem 8. Kongreß der European Neurological Society, Nizza, 8. Juni 1998.
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