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EDITORIAL

Ausgegrenzt

Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hat zugeschlagen. Das "Entscheidungsgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung in der vertragsärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung" hat Ende Juni den Entwurf zur Neufassung der Arzneimittel-Richtlinien vorgelegt - und ganze Arbeit geleistet. Mit der Anlage zu den Arzneimittel-Richtlinien sollen Arzneimittelgruppen mit einem GKV-Erstattungsvolumen von rund 3,5 bis 4 Milliarden DM aus der Erstattungsfähigkeit ausgegrenzt werden. Das sind Größenordnungen, die den Krankenkassen gut tun. Das Nachsehen haben die Versicherten, die diese Arzneimittel dann selbst kaufen müssen, wenn sie sie wollen, und die Arzneihersteller und Apotheken, die Umsatzrückgänge verzeichnen werden, wenn die Versicherten diese Arzneien nicht mehr wollen.

Der Bundesausschuß greift mit den Arzneimittel-Richtlinien also massiv in den Arzneimittelmarkt ein. Darf er das? Die jeweils neun Mitglieder der Ärzte und Krankenkassen sowie zusätzlich drei unparteiische Mitglieder erhalten ihre Legitimation u. a. durch das SGB V. Rechtlich gesehen ist der Bundesausschuß eine "Anstalt des öffentlichen Rechts mit begrenzter Rechtsfähigkeit und der Aufgabe zur konkretisierenden Rechtsetzung in der Krankenversicherung", wie es das Bundessozialgericht 1996 formulierte. Zu seinen Aufgaben gehört die Erstellung von Richtlinien, die das Wirtschaftlichkeitsgebot konkretisieren sollen, also eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewähren sollen. Die Arzneimittel-Richtlinien sind daher nicht die einzigen Richtlinien, mit denen die Leistungsveranlassung der Ärzte geregelt wird. So gibt es beispielsweise auch Richtlinien zu Heil- und Hilfsmitteln, zur Krankenhausbehandlung, zur künstlichen Befruchtung oder zur Psychotherapie.

Vor diesem Hintergrund scheint der Bundesausschuß also befugt zu sein, Richtlinien aufzustellen - Richtlinien, die allerdings, wie es im Richtlinientext selbst heißt, Leistungsausschlüsse und -einschränkungen darstellen. Damit kommen sie quasi einem Verordnungsverbot gleich. Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß in Deutschland Arzneimittel auf dem Markt sind, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen hat, die also wirksam, unbedenklich und qualitativ in Ordnung sind, aber nicht zu Lasten der GKV-Patienten verordnet werden dürfen, da sie nicht wirtschaftlich sind. Ein Blick in den Richtlinien-Entwurf, zeigt, daß dazu z. B. auch Lipidsenker gehören (ausgenommen bei hohem kardiovaskulärem Risiko). Mit dem Bundesausschuß hat der Gesetzgeber demnach einen "Untergesetzgeber" eingesetzt, wie es unlängst ein Staatsrechtler formulierte. Ein strittiger Punkt, denn eigentlich hat der Gesetzgeber nur die Möglichkeit über Verordnungen und Satzungen Gesetze zu konkretisieren.

Es ist zu erwarten, daß die Arzneimittelhersteller gegen diese Richtlinien vorgehen werden. So liegt bereits ein Rechtsgutachten vor mit dem Tenor, daß die Arzneimittel-Richtlinien in ihrer gegenwärtigen Form verfassungswidrig sind. Stellungnahmen von Firmen und Verbänden werden folgen. Der Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller rechnet damit, daß die Neufassung der Arzneimittel-Richtlinien erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres in Kraft treten kann. Es besteht also noch Hoffnung, daß die Ausgrenzung moderater ausfällt. Peter Ditzel

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