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- DAZ 35/1998
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Fachliteratur
Stereochemie & Arzneistoffe
Wer die Wirkung von Arzneimitteln verstehen will, muß sich mit dem räumlichen Aufbau von Molekülen beschäftigen - also mit Stereochemie.
Zum Einstieg in dieses (nicht von jedermann geliebte) Wissensgebiet empfiehlt es sich, mit speziellen Kapiteln guter Lehrbücher der organischen Chemie anzufangen (z.B. Morrison/Boyd, Vollhardt, Christen/Vögtle o.ä.), dann das Gelernte mit etwas umfangreicheren Monographien (wie Testa, Bassindale, Hauptmann/Mann oder Hopf/Mulzer, dem kleinen Eliel) zu vertiefen und in Zweifelsfällen auf den 1267 Seiten dicken Standardwälzer Eliel/Wilen/Mander (1994) zurückzugreifen. Die genannten Autoren bemühen sich, ihren Lesern mehr oder weniger verständlich und ausführlich die Grundlagen der organischen Stereochemie beizubringen, haben aber zu Beziehungen zwischen der Wirkung von Arzneistoffen und ihrer räumlichen Struktur wenig zu sagen. Diese Lücke soll nun durch den Roth/Müller/Folkers geschlossen werden.
Das Inhaltsverzeichnis verspricht eine Menge: Nach einleitenden Definitionen, historischen Betrachtungen und einem kurzen Abschnitt über -Die Entstehung der homochiralen Welt folgen die für Pharmazeuten besonders wichtigen Kapitel mit den Überschriften -Stereochemie der Arzneistoffe (eingeteilt nach viralen Verbindungen, E/Z-Isomeren, Ringsystemen und Konformeren), -Gewinnung enantiomerenreiner Arzneistoffe und -Stereochemische Aspekte des Arzneistoff-Schicksals. Dazwischen sind Abschnitte über die -Stereochemische Charakterisierung von Verbindungen, über die -Stereochemie pharmazeutisch interessanter Zucker, Nucleinsäuren, Proteine und ihrer Bauelemente zu finden. Zum Schluß gibt es eine Zusammenstellung kurz gefaßter Definitonen und eine Reihe von Bildern, die das Vergnügen an der ästhetischen Seite der Stereochemie fördern sollen.
Was an diesem Buch erst einmal auffällt, ist eine ansprechende Aufmachung: zahlreiche Abbildungen, viele, meist gut gezeichneten Formeln (die Fliegentreppchen sind nicht keilförmig - bravo!), der Text wird durch -Anekdoten, -Intermezzi, -apropos‚ und Zitate aufgelockert, Definitionen und besondere Hinweise werden drucktechnisch hervorgehoben.
Von H. Roth stammt eine Reihe künstlerischer Beiträge, die oft hübsch anzusehen und auch amüsant sind, deren pädagogischer Wert aber nicht immer von vornherein einleuchtet (warum nur klammert sich der Hirschkäfer auf S.51 und 293 an eine Dihydroxyadipinsäure, wenn er Verständnis für die meso-Weinsäure offerieren soll? - oder: können die Matrosen auf S.93 und 296 durch Schwingen von Signalflaggen den Zugang zur Stereochemie der Ascorbinsäure merklich erleichtern?). Das Buchformat (25x28 cm) ist ein wenig unhandlich, was dadurch bedingt ist, daß der Verlag bei den meisten Seiten ein Drittel unbedruckt gelassen hat. Alles in allem aber macht die erste Durchsicht des Buches neugierig und animiert zum Weiterlesen.
In den pharmazeutisch relevanten Kapiteln wird an zahlreichen Beispielen der Zusammenhng der Raumstruktur von Arzneistoffen mit ihren Wirkungen (oder fehlenden Wirkungen) erläutert. Kein Leser wird daraufhin noch leugnen können, daß die Stereochemie oft eine entscheidende Rolle bei biochemischen Reaktionen spielt. Man kann also sagen, daß die Autoren ihr Ziel im wesentlichen erreicht haben.
Für den, der sich für die Stereochemie von Arzneimitteln interessiert, ist das Buch empfehlenswert.
Fritz Eiden, München
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