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Jahrestagung der "American Society of Pharmacognosy"

Vom 19. bis zum 24. Juli 1998 fand in Orlando, Florida, das 39. jährliche Treffen der "American Society of Pharmacognosy" (ASP) mit rund 400 Teilnehmern statt. Das reichhaltige Programm der Tagung war thematisch in fünf Symposien gegliedert.

Naturstoffchemie


Der Eröffnungsvortrag "Die Rolle der Naturstoffchemie - Was uns die Vergangenheit über die Zukunft erzählt" begann mit der Beschreibung von "Quantensprüngen" in der Pharmakognosie (Antibiotika, Computer-Techniken, Genetic Engineering). Das zunehmende Verständnis biosynthetischer Zusammenhänge und Wirkungsweisen ("screening targets", z.B. spezielle Rezeptoren) sowie der Zugang zu mehr Pflanzenarten kann heute zu einem gezielten Auffinden neuer Wirkstoffe und potentieller Arzneimittel führen.

Chemische Ökologie als Werkzeug der Wirkstoffentdeckung


Verschiedene Theorien zur Vorhersage der Verteilungsmuster bioaktiver Stoffe ("distribution pattern of bioactive chemicals") werden seit etwa einem Vierteljahrhundert diskutiert und diese Theorien in bezug auf ihre Nützlichkeit überdacht.
Als Beispiel wurde der gegenwärtige Stand des Wissens zu den physiologischen Konsequenzen für marine Organismen, die mit ihrer Nahrung ("prey") Sekundärmetaboliten aufnehmen, präsentiert. Es wurden Fütterungsversuche, Mechanismen zur Erhöhung der Widerstandskraft gegen schädliche Sekundärmetaboliten und Vorschläge zur Datenverarbeitung für die Evaluierung der toxikologischen und pharmakologischen Möglichkeiten mariner Naturstoffe erläutert.

Biodiversity


Die "International Cooperative Biodiversity Group" (ICBG) sieht ihre grundsätzliche Aufgabe in der Erhaltung der Artenvielfalt als Quelle neuer Naturstoffe unter gleichzeitiger Gewährung von Wirtschaftlichkeit für die Erzeugerländer. Zahlreiche Referenten berichteten von laufenden Forschungsvorhaben aus West- und Zentralafrika, Surinam, Peru sowie aus weiteren Ländern Lateinamerikas.

High Throughput Screnning


50% der US-amerikanischen Verordnungen enthalten Naturstoffe oder deren Derivate, bei den zytostatisch wirksamen Stoffen stammen 70% von einer natürlichen Quelle. Naturstoffe bieten eine fast unbegrenzte strukturelle Mannigfaltigkeit und Komplexität. In "Rapid Deconvolution of Complex Extract Matrices" wurden die "Pros" und "Kontras" der Nutzung von Naturstoffen beschrieben:

  • Pro: Sie sind einzigartige Pharmakophoren und haben eine große strukturelle Mannigfaltigkeit.
  • Kontra: Ihre Mannigfaltigkeit ist schwierig zu erfassen, die Entwicklung von Arzneistoffen langsam und kostspielig.


Der Erfolg eines auf Naturprodukten basierenden Programmes zur Wirkstoffentwicklung hängt davon ab, Extrakte mit Hilfe schneller Nachweismethoden zielgerichtet zu testen. Grundsätzlich bieten Naturstoffe ein breites und interessantes Reservoir zur Auffindung neuer Arzneimittel.

Biosynthetische Studien zur Erhöhung der Wirkstoffproduktion


Innovative Techniken in der Spektroskopie zeigen neue Wege zur "kombinatorischen Biologie". Ständige Fortschritte in der Kernresonanzspektroskopie (NMR) wurden als Voraussetzung für biosynthetische Studien beschrieben. Die Möglichkeit, Gene, die mit Biosynthesewegen assoziiert sind, zu isolieren und zu identifizieren, führte zum besseren Verständnis biosynthetischer Vorgänge. Zusammen mit molekularen Studien liefern die NMR-Markierungsexperimente wesentliche Informationen für die kombinatorischen Biologie. Die kombinatorische Biologie ist bestens geeignet

  • zum Erkennen von Resistenzmechanismen und Kontrollmechanismen sowie
  • zur Biosynthese von Genen und von Enzymen.


Anhand von Pseudomonas fluorescens PF-5, einem sog. "Biokontrollbakterium", das eine Anzahl antibiotisch wirksamer Substanzen produziert, u.a. Pyoluteorin, wurden chemische und molekularbiologische Ansätze zur Aufklärung von Biosynthesewegen dargestellt.
Neue Perspektiven zum Wirkmechanismus von Bleomycinen wurden diskutiert. Diese Polypeptid-Antibiotika mit zytostatischer Wirksamkeit wurden Mitte der 60er Jahre isoliert. Sowohl DNA als auch RNA sind therapeutische Zielstrukturen von Bleomycinen. Die Interkalationen sowohl in die DNA als auch in die RNA durch Bleomycine gehen einher mit oxidativen Transformationen und fordern die Anwesenheit eines redoxaktiven Metallions. Wünschenswert wären Bleomycine, die DNA- bzw. RNA-spezifisch agieren, um noch gezielter therapieren zu können.

Biotechnologische Methoden für neue Naturstoffe


Fortschritte zur Zellkultur als Quelle neuer Naturstoffe wurden eindrucksvoll präsentiert. Aufgrund neuer Techniken ist es möglich, mit geringen Substanzmengen aus diesen Kulturen Biosynthesewege, Wirkungsweise und ebenfalls pharmazeutische Applikationen aufzuzeigen. Im Gegensatz zur nativen Pflanze können Zellkulturen auch Substanzen produzieren, die nicht in gleichem Maße "natürlich" vorkommen.
Am Beispiel von natürlich vorkommenden Lignin-Monomeren im Mais wurde über die Vielfältigkeit von Biokatalysatoren berichtet. In einem weiten Bogen wurde ein spezifischer Stamm der Bakteriumgattung Nocardia vorgestellt, der beachtliche Mengen eines Enzyms produziert, das Carboxysäuren zum Aldehyd reduziert und Arginin als Substrat bevorzugt. Dies führte zur Entdeckung eines entsprechenden Enzyms (NOSNOC), das die Bildung von NO aus argininhaltigen Oligopeptiden katalysiert.
Weiterhin wurde über den Einsatz neuer biosynthetischer Enzyme diskutiert. Solche "Engineering-Methoden" führten z.B. zu einer erheblichen Steigerung der Produktion von Makrolidpolyketiden.

"Social (Society) Events"


Das traditionelle Banquett wurde am letzten Tagungstag abgehalten. An diesem Abend erfolgte auch die Würdigung des diesjährigen Preisträgers des "ASP Research Achievement Award", Dr. Sidney M. Hecht (University of Virginia, Charlottesville), und der Gewinner verschiedener weiterer ASP Awards. Die ASP-Ehrenmitgliedschaft wurde Prof. Dr. E. John Staba (University of Minnesota, Minneapolis) verliehen. Höhepunkt war wie in jedem Jahr die feierlich-fröhlich-ehrenvolle Verabschiedung des alten (Dr. Robert P. Borris) und die Amtseinführung des neuen (Dr. Gordon M. Cragg, National Cancer Institute, Frederick, MD) Präsidenten der ASP, das "Passing the Gavel".
Zum Abschluß bereitete Prof. Dr. Robert Verpoorte (Division of Pharmacognosy, Leiden/Amsterdam Center for Drug Research, Leiden) mit einer kurzen und launigen Rede die Teilnehmer auf das nächste gemeinsame Treffen der ASP, der Association Franćaise pour lEnseignement et la Recherche en Pharmacognosie (AFERP), der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA) und der Phytochemical Society of Europe (PSE) vor. Das "Joint Meeting" wird unter dem Motto "2000 Years of Natural Products Research - Past, Present, and Future" vom 26. bis zum 30. Juli 1999 in Amsterdam stattfinden. Dr. Beatrice Gehrmann, Hamburg

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