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- DAZ 37/1998
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In memoriam Hermann Schelenz
Dr.Ingrid Kraus, Kassel, berichtete über die Lage der Hof-Apotheke im Schloß, die 1568 auf Veranlassung von Sabina, Gemahlin WilhelmsIV. (des Weisen), einer Prinzessin von Württemberg, gegründet worden war, und über die Apotheken, die bis ins 19.Jahrhundert innerhalb der Stadt entstanden. In der Karlsaue war ebenfalls 1568 ein botanischer Garten angelegt worden, in dem später auch Kartoffeln angebaut wurden. Ein weiterer Garten entstand bei der Gründung des Collegium Carolinum (1709) unter Landgraf Carl. Der Pflanzenbestand dieses Gartens wurde übrigens 1786 bei der Auflösung des Kollegiums von Conrad Moench nach Marburg verbracht.
Leben als Apotheker...
Nach einer Führung durch das Stadtmuseum referierte Frau Dr.Kraus über Hermann Schelenz, der 1904 das Standardwerk "Geschichte der Pharmazie" publizierte.
Schelenz war am 9.April 1848 in der Provinz Posen geboren worden. Ein Glück war für ihn, daß er 1870 eine Stelle in der Altstädter Apotheke in Rendsburg erhielt. Dort fand er alle Bedingungen vor, die seine praktischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten förderten: ein gut ausgestattetes Labor, eine reichhaltige Bibliothek und einen verständnisvollen Chef, Johannes Lehmann (1823-1899), der die Talente seines jungen Kollegen anerkannte. Da Lehmann unverheiratet war und keinen Nachfolger fand, bot er Schelenz, der Rendsburg wegen Militärdienst (1870/71), Studium in Greifswald (1872/73) und anschließender Assistententätigkeit in Hannover verlassen hatte, die Altstädter Apotheke ohne Anzahlung an. Mit 27 Jahren übernahm Schelenz diese Apotheke. Neben seinen wissenschaftlichen Fähigkeiten entwickelte er auch kaufmännischen Sinn und verstand es, den Gewinn der Apotheke erheblich zu erhöhen.
Schelenz genoß hohes Ansehen: Er war Vorsitzender des Apothekervereins Schleswig-Holstein und der Prüfungskommission für Apotheker, betätigte sich ehrenamtlich im städtischen und kirchlichen Bereich und war darüber hinaus Vertrauensmann des Germanischen Museums in Nürnberg. 1893 verkaufte er die Apotheke und die anhängenden Betriebe.
...und als Historiker
Erwin Bockhorn-Vonderbank, Heidelberg, ein Urenkel von Hermann Schelenz, berichtete über dessen schriftstellerisches Werk. Schelenz hat an Kehlkopfkatarrh gelitten. Seine Reisen nach St.Peter-Ording, die literarisch einen Nachklang fanden, lassen sich so erklären. Nach Verkauf der Altstädter Apotheke in Rendsburg 1893 auf Anraten der Ärzte und dem Scheitern von Plänen, als Industrieapotheker in Hannover tätig zu werden oder in Göttingen die Promotion nachzuholen, wählte Schelenz 1895 Kassel als Wohnsitz. Über die Gründe, in Kassel zu leben, können nur Vermutungen angestellt werden. Beziehungen zur Stadt lassen sich nicht erschließen. Da seine Frau nierenkrank war, könnte die Nähe von Bad Wildungen als Kurort mit ausschlaggebend gewesen sein.
In den 27 Jahren, die Schelenz in Kassel verlebte, entfaltete er eine reiche literarische Tätigkeit. Hatte er sich vorher mehr mit Themen aus der pharmazeutischen Praxis befaßt, so waren es nun solche pharmazie- und kulturhistorischer Art. Er pflegte täglich stehend in der Murhardschen Bibliothek zu arbeiten. Nachträglich sind mehr als 1500 Einzelveröffentlichungen ausfindig gemacht worden. Da er Pseudonyme wie zum Beispiel den Mädchennamen seiner Mutter "Ahllgreen" oder Abkürzungen "H.S., Sch., S. oder E(mil)" benutzte, sind noch weitere Entdeckungen zu erwarten. Vermerkt sei noch, daß er sprachbegabt war und neben Latein und Polnisch auch Französisch, Englisch, Holländisch und Dänisch beherrschte und in diesen Sprachen auch publizierte und korrespondierte. So verwendete er für sein Werk "Shakespeare und sein Wissen auf den Gebieten der Arznei- und Volkskunde" (1914) das Original und nicht die Schlegel-Tiecksche Übersetzung.
Schelenz war gesellig und musikalisch, er spielte Cello und lud zu Hausmusikabenden ein. Er führte eine umfangreiche Korrespondenz, vermutlich auch mit Theodor Fontane, wie sein Urenkel vermerkte. In der ersten Zeit in Kassel hielt er Vorträge, zog sich aber später zurück, um sich ganz seinen schriftstellerischen Vorhaben zu widmen. Anerkennung und Ehrungen erhielt er mehr im Ausland als in Deutschland. Zwei Jahre vor seinem Tode verlieh ihm die Universität Freiburg i.Br. den Dr. med. h.c.
Die Tagungsteilnehmer besuchten die Umgebung des früheren Wohnhauses (zerstört 1943) von Schelenz in der Goethestraße (früher Kaiserstraße) im Hohenzollernviertel und sein Grab auf dem Wehlheider Friedhof. Eine Eule (Sinnbild der Weisheit), umgeben von Ginkgoblättern (Zeichen der Liebe), schmückt den Grabstein. Das Gedicht "Gingo biloba" aus Goethes "Westöstlichem Diwan" schätzte Schelenz sehr und hat es wohl auch als Symbol der Liebe zu seiner Frau gedacht.
Dr.Barbara Rumpf-Lehmann, Marburg
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