Prisma

Säuglinge entwickeln ihre Motorik nicht nach biologischem Plan

Neue motorische Fähigkeiten entwickeln sich bei Säuglingen spontan im Wechselspiel mit der Umwelt. Es handelt sich also nicht um die Entfaltung eines biologisch verankerten Entwicklungsmusters.


Zu dieser Erkenntnis kamen Verhaltensforscher der Freien Universität Amsterdam.
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens wurde untersucht, wie sich bei einem Säugling der Übergang vom Anfassen ohne Greifen zum Greifhandeln im einzelnen vollzieht. Bei rund einem Dutzend Säuglingen wurde während der ersten acht Lebensmonate sorgfältig registriert, wie oft sie in einem bestimmten Alter Anfassen ohne Greifen bzw. gezielt nach Gegenständen greifen. Alle beobachteten Säuglinge wechselten in nur einer Woche ihr Verhalten und gingen vom Anfassen ohne Greifen zu visuell gesteuertem Greifen über. In der Umstellungsphase verringerte sich vorübergehend deutlich die Greifsicherheit und -genauigkeit. Eine solche plötzliche und von verringerter Stabilität des bisherigen Verhaltens begleitete Verhaltensänderung nennt man in der Sprache der Wissenschaft eine "Katastrophe". Aus der Untersuchung einer großen Anzahl von Säuglingen unterschiedlichen Alters nach Anfassen ohne Greifen bzw. gezieltem Greifhandeln leiteten die Wissenschaftler auch ab, daß bei dieser Verhaltensänderung Armgewicht und Armumfang des Säuglings die wichtigsten Parameter darstellen.
Die Untersuchung zeigt, daß motorische Fähigkeiten das Ergebnis der Selbstorganisation eines Lebewesens bei der Interaktion mit seiner jeweiligen Umwelt sind. Dadurch erklärt sich, weshalb die Säuglingsentwicklung so unterschiedlich verläuft.
Aus der Erkenntnis, ergeben sich auch Anhaltspunkte für die Behandlung von Kindern mit motorischen Entwicklungsstörungen. Die Verhaltensstabilität läßt sich nämlich durch Manipulation von Parametern wie der Armdicke verbessern oder verringern, und Übergänge zu den neuen Verhaltensweisen können künstlich ausgelöst werden. nwo

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