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Kleinlabor zur Wirkstoffüberprüfung: Arzneimittelfälschungen gefährden die G
Beispiele von Arzneimittelfälschungen Von Arzneimittelfälschungen, die nicht selten zur Ursache von Siechtum oder Tod werden, sind vor allem die Entwicklungsländer betroffen: - Nigeria 1990: Ein Hustensaft wird mit giftigem Lösungsmittel "gestreckt". Über 100 Kinder sterben. - Mexiko 1991: Tausende Brandsalben enthalten Sägemehl. - Türkei 1993: Ein Apotheker wird verhaftet, der Medikamente nach Afrika exportieren will. Der Wirkstoff seiner "Medikamente" besteht ausschließlich aus Backpulver. - Haiti 1996: Mindestens 59 Kinder sterben nach der Einnahme eines mit giftigem Frostschutzmittel verfälschten Fiebersirup. - China 1997: Im Rahmen von Untersuchungen erweisen sich zehn Prozent der getesteten Arzneimittel als minderwertig oder gefälscht. Für die Jahre zwischen 1982 und 1997 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit ca. 750 Arzneimittelfälschungen dokumentiert. Über 50Prozent der Fälle betrafen allein die Jahre seit 1993 - Tendenz steigend. Nahezu 70Prozent der Fälschungen wurden in den Entwicklungsländern entdeckt, vor allem in den Staaten Afrikas. Ein Drittel aller Fälle waren Fälschungen von Antibiotika, die Medikamentengruppe, die am häufigsten von Fälschungen betroffen ist. Jede zweite der von der WHO beschriebenen Fälschungen enthielt keinen Wirkstoff, 20Prozent falsche Wirkstoffe und zehn Prozent eine falsche Wirkstoffmenge. Nur ca. fünf Prozent der Fälschungen enthielten die korrekte Qualität und Quantität der Inhaltsstoffe wie vergleichbare Originalpräparate.
Vier Typen von Arzneimittelfälschungen Grundsätzlich gilt, gefälscht wird alles: Wirkstoffe, Dosierungen, Beipackzettel, Verpackungen, Herstellernamen, Chargennummern, Verfallsdaten und Dokumente über angebliche Qualitätskontrollen. Dabei lassen sich vier Gruppen von Fälschungen unterscheiden: 1.Die perfekte Imitation eines Präparates mit denselben Wirkstoffen und identischer Verpackung. Unter medizinischen Gesichtspunkten besteht ein geringes Risiko, vorausgesetzt die Präparate sind qualitativ einwandfrei. 2.Fälschungen in der identischen Verpackung eines Markenzeichenproduktes. Der angegebene Wirkstoff ist meist auch hierin noch enthalten, oft aber weder in ausreichender Quantität noch Qualität. Die Folgen: mangelnde Wirkung und - im Falle von Antibiotika - Resistenzbildung bei Krankheitserregern. 3.Ein Produkt sieht wie ein Arzneimittel aus, enthält aber keinen Wirkstoff. Auch wenn die Fälschung "nur" Traubenzucker enthält, die Krankheit wird weder geheilt, noch werden die Schmerzen gelindert. 4.Das gefälschte Arzneimittel enthält gesundheitsschädliche oder giftige Stoffe und führt zu körperlichen Schäden oder zum Tod.
Nur ein Problem der Entwicklungsländer? Während in den Industrienationen aufgrund des dichten Informationsnetzes und der engen Zusammenarbeit von Herstellern, pharmazeutischem Großhandel, Apotheken und Behörden ein hohes Maß an Arzneimittelsicherheit herrscht, fehlen in Entwicklungsländern oft die Voraussetzungen für eine wirksame Arzneimittelkontrolle: - Mängel bei der Registrierung der vertriebenen Medikamente - Defizite bei der Überwachung der Produktion - Schwierigkeiten bei der Importkontrolle - fehlende Laboratorien und fehlendes Personal, um Kontrollen durchzuführen. Viele Grenzen sind zudem kaum zu überwachen, so daß Arzneimittel vielerorts gänzlich ohne Qualitätskontrolle auf die Märkte gelangen können. Arzneimittelfälschungen sind aber nicht nur ein Problem der Entwicklungsländer. Auch in Europa und Nordamerika mehren sich die Anzeichen für ein Vordringen gefälschter Medikamente. Die WHO nennt mehr als 100 Fälle in den vergangenen Jahren. Auch für Deutschland ist eine Gefährdung durch Arzneimittelfälschungen nicht grundsätzlich auszuschließen, zumal auch über deutsche Freihäfen bereits unterdosierte Medikamente verschifft und in deutschen Apotheken gefälschte Arzneimittel entdeckt wurden. Alle national und international Verantwortlichen sind daher aufgerufen, die strenge Arzneimittelkontrolle in den Industrienationen fortzuentwickeln und die Entwicklungsländer beim Aufbau einer wirksamen Basiskontrolle zu unterstützen. Unabhängig davon gilt für den Konsumenten im In- und Ausland, Arzneimittel grundsätzlich nur in der Apotheke und keinesfalls bei fliegenden Händlern, auf Märkten oder bei sonstigen "Gelegenheiten" einzukaufen.
Aufspüren von Fälschungen mit dem GPHF-Minilab Vor diesem Hintergrund hat der German Pharma Health Fund (GPHF), eine Initiative der forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland, in Zusammenarbeit mit Professor Peter Pachaly, Pharmazeutisches Institut der Universität Bonn, und Professor Klaus Fleischer, Missionsärztliches Institut Würzburg, seit 1996 einfache Testmethoden entwickelt, die die Menschen in den Entwicklungsländern vor den nicht selten tödlichen Konsequenzen der Einnahme gefälschter oder qualitativ minderwertiger Arzneimittel schützen sollen. Zielsetzung des Projekts unter Leitung von Dr.Richard Jähnke (GPHF) war die Bereitstellung einfacher Testverfahren, die es ermöglichen, minderwertige oder gefälschte Fertigarzneimittel unter den besonderen Bedingungen von Entwicklungsländern zu identifizieren. Dabei sollten die Verfahren nicht nur preiswert, transportabel und vielseitig einsetzbar, sondern auch für weniger intensiv ausgebildetes Personal zuverlässig durchführbar sein. In den vergangenen zwölf Monaten wurde das GPHF-Minilab jeweils mehrere Wochen auf den Philippinen, in Kenia, Ghana und Tansania getestet. Es hat sich dabei als wirksames Instrument zur Identitäts- und Qualitätsprüfung von Arzneimitteln erwiesen. Die Erprobungen haben bestätigt, daß die Tests problemlos in Krankenhäusern, ländlichen Gesundheitsstationen und Apotheken durchzuführen sind. Als Einsatzorte bieten sich aber auch Flugplätze, Häfen oder Zollbehörden an.
Prüfung der Arzneimittel in vier Schritten Die Prüfung der Qualität von Fertigarzneimitteln durch das GPHF-Minilab erfolgt im Rahmen eines vierstufigen Prüfschemas, das sich sehr einfacher physikalischer und chemischer Analysetechniken bedient: 1.Sichtung der Arzneimittel auf äußerliche Auffälligkeiten an den Tabletten- und Kapselzubereitungen sowie deren Verpackungsbestandteilen. 2.Einfache Tabletten- und Kapselzerfallsprüfung zur ersten Abschätzung von Mängeln hinsichtlich der Löslichkeit. 3.Schneller Identitätsnachweis direkt an der Arzneizubereitung anhand einfacher Farbreaktionen. 4.Gehaltsbestimmung von kritischen Proben sowie zusätzliche Bestätigung der Identität anhand einer semiquantitativen dünnschichtchromatographischen Untersuchung. Auf Basis der Essential Drug List der Weltgesundheitsorganisation und unter Berücksichtigung der gängigen Verordnungspraxis wurden Testmethoden für zunächst 15 Wirkstoffe entwickelt. In die Auswahl der Wirkstoffe für das GPHF-Minilab wurden insbesondere die Antibiotika und Chemotherapeutika bzw. die schmerz- und entzündungshemmenden Mittel einbezogen, die in der Vergangenheit am häufigsten gefälscht wurden.
Ein komplettes Labor in zwei Koffern Das GPHF-Minilab ist so konzipiert, daß alle für die Prüfungen der Arzneimittel erforderlichen Geräte in zwei transportablen Einheiten in der Größe handelsüblicher Reisekoffer zusammengefaßt sind. Da das Minilab auch ohne externe Energiequelle einsatzfähig ist und nur ca. 20 Kilogramm wiegt, ist es auch problemlos für einen mobilen Einsatz geeignet. Zur Ausstattung des Minilabors zählen neben Referenzsubstanzen der 15 ausgewählten Wirkstoffe aller erforderlichen Laborgeräte wie z.B. Reagenzgläser, Pipetten, DC-Fertigplatten und Kammern sowie batteriebetriebene UV-Lampen mit unterschiedlichen Wellenlängen. Die Anleitungen für die Durchführung der Tests sind in zwei englischsprachigen Manuals zusammengefaßt, die ebenfalls Bestandteil des GPHF-Minilabs sind. Sie enthalten detaillierte und einfach nachvollziehbare Beschreibungen aller Arbeitsschritte, die im Rahmen der Prüfungen durchzuführen sind. Zur Grundausstattung zählen ferner alle nötigen Lösungsmittel und Reagenzien, die gesondert zur Verfügung gestellt werden. Abgerundet wird die Ausstattung durch Prüfkontrolle und Bestandslisten, die jederzeit ein zuverlässiges Labormanagement ermöglichen.
Qualitätsprüfungen von Arzneimitteln zu geringen Kosten Neben der Zuverlässigkeit und den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten waren geringe Anschaffungskosten oberste Prämisse bei der Konzeption des GPHF-Minilabs. Durch intensive Entwicklungsarbeit ist es gelungen, das Minilab zu einem Komplettpreis von US-Dollar 2570 (Euro 2260) zzgl. anfallender Steuern, Versandkosten und Zollgebühren anbieten zu können. Da mit der Erstausstattung an Reagenzien und Lösungsmitteln ca. 3000 Identitätsnachweise mittels Farbreaktionen und 1000 Gehaltsprüfungen mittels Dünnschichtchromatographie durchzuführen sind, betragen die durchschnittlichen Kosten für eine Qualitätsprüfung ca. 2DM. Schulung empfohlen Obwohl das GPHF-Minilab bewußt einfach konzipiert wurde, empfehlen GPHF und das Missionsärztliche Institut Würzburg (MIW) eine einführende Schulung zur Anwendung der Testmethoden. Dies gilt insbesondere für Personen, die vor Ort in den Entwicklungsländern Untersuchungen von Arzneimitteln durchführen sollen. Zu diesem Zweck werden kostengünstige Schulungsmöglichkeiten angeboten. Aus Sicht der Projektverantwortlichen stellt das GPHF-Minilab für alle Organisationen und Einrichtungen, die auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern tätig sind, zukünftig einen wichtigen Baustein zur qualitativen Verbesserung der Arzneimittelversorgung dar. Nähere Informationen zum GPHF-Minilab sind über die GPHF-Geschäftsstelle, Postfach 150123, 60061 Frankfurt am Main, Tel./Fax (069) 63153257, oder über das Internet (http://www.gphf.org) zu beziehen.
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