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Feuilleton
Ein pharmazeutischer Reisebericht aus dem Oderbruch
Solcherart gestimmt kommt der Fremde nach Letschin und trifft nördlich des Marktplatzes in der Fontanestraße auf die Fontane-Apotheke.
Die Fontane-Apotheke in Letschin
Bereits im August 1838 veräußerte Altmann seine Apotheke an Louis Henri Fontane, den Vater Theodor Fontanes. Im Oktober 1850 verkaufte Fontane senior seine Apotheke an seinen Schwiegersohn Hermann Sommerfeldt, der, wie sein Schwiegervater, zwölf Jahre im Besitz der Apotheke blieb.
Ein Brand zerstörte 1866 die Apotheke bis auf die Grundmauern. Der damalige Besitzer Maire erbaute 1867 das noch heute bestehende Apothekengebäude, das sein Nachfolger, Fritz Hamscher, 1897 durch einen Anbau erweiterte. Der Inhaber Erich Randel gab der Apotheke im Jahre 1930 den Namen Fontane-Apotheke.
Neueste Nachforschungen ergaben, daß sich die nach dem Brand von 1866 wiederaufgebaute Apotheke auf demselben Grundstück wie die ehemalige Fontanesche Apotheke befindet [2].
Louis Henri Fontane
Nachdem ihm das Apothekerexamen II. Klasse eine berufliche Existenz erlaubte, heiratete er 1819 Emilie Labry (1797 - 1869) und kaufte die Löwen-Apotheke in Neuruppin. Doch bereits 1826 mußte er die Apotheke infolge finanzieller Schwierigkeiten verkaufen; die Familie übersiedelte nach Swinemünde, wo Fontane senior ab 1827 die Adler-Apotheke besaß.
Auch dort geriet Louis Henri Fontane in finanzielle Bedrängnis, verkaufte seine Apotheke, machte 1837/38 in
der Adler-Apotheke zu Mühlberg/Elbe Station und erwarb im August 1838 schließlich die Letschiner Apotheke.
Aber der Wein und die Spielleidenschaft ließen nicht nur seine Ehe scheitern - seine Frau trennte sich bereits im Sommer 1847 von ihm und zog nach Neuruppin zurück -, sondern trieben ihn am Ende auch in den finanziellen Ruin.
Hoch verschuldet mußte er im Oktober 1850 seine Apotheke an den Mann seiner Tochter Jenny, Hermann Sommerfeldt, verkaufen.
Beruflich und privat gescheitert, zog er mehrmals um, bis er nach Schiffmühle bei Bad Freienwalde/Oder kam. Dort starb Louis Henri Fontane 1867 vereinsamt. Sein Grab befindet sich auf dem Bergfriedhof Neutornow.
Theodor Fontane
Ostern 1836 begann er auf Wunsch seiner Eltern eine Apothekerlehre in der Apotheke Zum Weißen Schwan bei Wilhelm Rose in Berlin und beendete sie 1840 mit dem Examen zum Apothekergehilfen.
In den Jahren 1840 bis 1842 konditionierte er in Burg bei Magdeburg, Leipzig und Dresden. Außerdem arbeitete er 1843/44 und im Jahre 1845 jeweils mehrere Monate bei seinem Vater in Letschin als Defektar und Rezeptar.
Louis Henri Fontane bestätigte seinem Sohn Theodor in zwei Arbeitszeugnissen die bei ihm verrichtete
Arbeit. Dabei bescheinigte er ihm in beiden Fällen eine längere als die tatsächlich geleistete Zeit [3]. Die beiden Zeugnisse heißen im Wortlaut:
Inhaber dieses Zeugnißes, mein ältester
Sohn Theodor Fontane, in Neu-Ruppin geboren,
hat vom 1ten April 1843 bis dahin 1844,
die Defectur-Stelle in meiner hiesigen
Apotheke mit rühmlichem Eifer und zu
meiner völligen Zufriedenheit verwaltet,
was ich demselben hierdurch gern und
pflichtmäßig bezeuge, - solches auch
noch durch Beidrückung meines stets
führenden Pettschaftes bekräftigt haben
will.
Letschin den 2ten April 1844.
L. Fontane,
Inhaber der hiesigen Apotheke.
Meinem Sohne Theodor Heinrich Fontane,
geboren in Neu-Ruppin, stelle ich hiermit
gern und pflichtgemäß dies Zeugniß darüber
aus: daß er während des Zeitraumes vom
1ten Januar bis 1ten July 1845 der Receptur
in meiner Apotheke mit Eifer und Geschicklichkeit
vorgestanden hat.
Mehr zu seinem Lobe zu sagen, was ich
wohl könnte und möchte, verbietet mir meine
Stellung als Vater dieses jungen Mannes, -
weshalb denn ich das unterlaße und damit ende,
ihm das beste Glück in seiner neuen Stellung
recht aufrichtig zu wünschen.
Letschin den 2ten July 1845.
L. Fontane,
Besitzer der hiesigen Apotheke.
Nach erfolgreich abgelegter Prüfung erhielt er 1847 die Approbation als Apotheker I. Klasse und trat noch im selben Jahr in die Jungsche Apotheke Zum Schwarzen Adler" in Berlin ein, wo er bis zum Sommer 1848 verblieb. Während einer Anstellung im Krankenhaus der Diakonissenanstalt Bethanien zu Berlin bildete er in den Jahren 1848/49 zwei Diakonissen zu Apothekerinnen aus.
Damit endete der pharmazeutische Lebensabschnitt Theodor Fontanes. Das unrühmliche Vorbild seines Vaters als Apotheker dürfte bei der Entscheidung, den pharmazeutischen Beruf nicht weiter auszuüben, eine gewisse Rolle gespielt haben. Andererseits war vom Vater auf den Sohn die Neigung und Lust zum Fabulieren übergegangen, ohne die Fontane nicht das geworden wäre, was er später wurde: Von nun an arbeitete er als Journalist, Korrespondent und Schriftsteller.
In den folgenden Jahren weilte Theodor Fontane nur noch selten in Letschin; die Erinnerungen an die unglücklichen Ereignisse in seiner Familie hatten ihm den Ort sicher verleidet, und mit dem Verkauf der ehemals väterlichen Apotheke durch seinen Schwager 1862 riß die Verbindung ab; zuvor hatte er Schwester und Schwager im Sommer 1862 noch einmal besucht.
Letschin
In das Haus Birkenweg der Letschiner Heimatstuben lädt ein im Stile des 19. Jahrhunderts eingerichtetes Fontane-Zimmer mit Informationen über die Familie Fontane und Letschin ein. Nicht weit davon entfernt befindet sich der Fontane-Park mit einer Büste Theodor Fontanes. Und schließlich empfängt das Gasthaus Zum alten Fritz" den Besucher - schon Louis Henri Fontane war dort gern gesehener Stammgast! An seinen Sohn erinnert eine von der Fontane-Gesellschaft über der Eingangstür gesetzte Inschrift:
Hier weilte Theodor Fontane und setzte dem Gasthaus in seiner Kriminalnovelle Unterm Birnbaum" ein literarisches Denkmal.
Tatsächlich fand man, ähnlich wie in der Novelle beschrieben, in den 1840er Jahren bei Schachtarbeiten hinter dem Gasthaus unter einem Birnbaum einen Toten - vermutlich einen französischen Offizier aus der Zeit der Befreiungskriege von 1813/14. Die neugierige und stets allwissende Mutter Jeschke wohnte wirklich gleich neben der Gastwirtschaft. Auch der wackere Pfarrer Eccelius aus der Novelle lebte hier realiter als Pfarrer Eccius vierzig Jahre lang. Nach seiner Teilnahme am Krieg 1813 pflanzte er die noch heute zu bewundernde Friedenseiche und wirkte segensreich in der Erziehung und Bildung der Letschiner Jugend [4].
Dies und anderes mehr kann der Besucher von Gastwirt Wolfgang Bartsch erfahren, der als Kenner preußischer Geschichte gern von seinem Wissen preisgibt.
Als literarische Petitesse sei schließlich noch angemerkt, daß das in der Novelle beschriebene Gastwirtspaar Hradscheck gewisse Charakterzüge der Eltern Theodor Fontanes trägt: Der Ehemann als leichtfertiger, trinksüchtiger Spieler; die Ehefrau als feine Dame, dem Höheren zustrebend. Wie Fontane die Schicksale seiner beiden Protagonisten gestaltet, ist vor dem Hintergrund des Wissens um die Trennung seiner Eltern und den Bankrott des Vaters höchst interessant.
Wenn der Reisende am Ende seiner Exkursion im Abendsonnenschein vor dem Gasthaus Zum alten Fritz" - nun, zwar nicht unterm Birnbaum, aber dafür doch im Abendfrieden - verweilt und auf das einen Steinwurf entfernte Standbild des Großen Königs schaut, dann erfüllt ihn Ehrfurcht vor den Menschen, die hier gelebt, geliebt und gelitten haben. Und er wünscht sich still das eine: wiederzukehren.
Anmerkungen
[1] Gill, Manfred: Theodor Fontanes Aufenthalte in Letschin. Fontane-Blätter 3 (6), 430 - 438 (1975).
[2] Nach persönlichen Informationen von Herrn Siegfried Müller, Letschin, und von Mitarbeitern der Letschiner Heimatstuben.
[3] Schmidt, Ferdinand: Der Pharmazeut Theodor Fontane - zu seinem 150. Geburtstag am 30. Dezember 1969. Dtsch. Apoth. Ztg. 109, 2043 - 2048 (1969).
[4] Nach persönlichen Informationen von Herrn Wolfgang Bartsch, Letschin, und von Mitarbeitern der Letschiner Heimatstuben.
Alle Abbildungen aus [3]. Originale im Theodor-Fontane-Archiv, Potsdam, oder in Privatbesitz.
Dipl.-Pharm. Uwe Kümzler, Berlin
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